Die Bundesregierung fordert von der Lufthansa mehr Engagement für Beschäftigte und Kunden der insolventen Air Berlin. „Die Lufthansa und andere Interessierte, die gute Stücke von Air Berlin übernehmen, müssen bei der Qualifizierung und Vermittlung der Air-Berlin-Beschäftigten in einer Transfergesellschaft Verantwortung übernehmen“, sagte die kommissarische Arbeitsministerin Katarina Barley (SPD) am Donnerstag. „Wir brauchen jetzt rasch ein Bekenntnis aller Beteiligten - im Interesse der vielen Frauen und Männer bei Air Berlin, die gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt brauchen.“
Die Lufthansa übernimmt für voraussichtlich etwa 210 Millionen Euro 81 von 134 Flugzeugen vor Air Berlin. Zudem können 3000 Beschäftigte zum deutschen Marktführer wechseln. Appelle nach mehr Engagement wies Lufthansa zurück.
Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte am Donnerstag gefordert, dass der Konzern Air-Berlin-Kunden entgegenkommt, deren Tickets verfallen. „Es sollte im eigenen Interesse der Lufthansa liegen, sich jetzt möglichst kulant gegenüber den Kunden zu zeigen, und Air-Berlin-Tickets auf den von ihr übernommenen Strecken zu akzeptieren“, sagte Maas den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. Dies wäre ein wichtiges Signal, um Kundenvertrauen nicht zu verlieren.
Die Chronik von Air Berlin
Vor 38 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch dann folgte eine jahrelange Krise.
1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.
1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.
1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.
Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.
Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.
Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.
Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.
Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.
Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.
Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.
Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.
Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.
Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden.
Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.
Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Ein 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes soll den Flugbetrieb zunächst sichern.
Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel landet am 27. Oktober 2017 um 23.45 Uhr der letzte Air-Berlin-Flieger dort. Die Zukunft der Angestellten und vieler Unternehmensteile ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Ähnlich äußerte sich der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller: „Viele tausend Air-Berlin-Kunden werden von ihrem Geld nichts mehr wiedersehen. Die Lufthansa sollte sich großzügig zeigen und Air-Berlin-Kunden die Gebühren für bereits gebuchte Tickets erstatten.“
Bislang haben Air Berlin selbst, Berlin und Nordrhein-Westfalen angekündigt, sich an einer Transfergesellschaft zu beteiligen. „Einen vergleichbaren Einsatz würde ich mir auch von Bayern wünschen, wo ebenfalls viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze stehen“, sagte Barley.
Lufthansa erklärte am Donnerstag, man habe mit der Übernahme von großen Teilen von Air Berlin schon viel für deren Beschäftigte beigetragen. „Lufthansa hat sich mehr als jeder andere Akteur engagiert mit der Schaffung und Übernahme von 3000 Arbeitsplätzen und Investments von 1,5 Milliarden Euro zur nachhaltigen Sicherung dieser Jobs.“
Die Air-Berlin-Insolvenz erreicht derweil auch den Ferienflieger Tuifly. 150 Stellen stehen dort nach Firmenangaben auf dem Spiel, da die Airline des Reisekonzerns Tui wegen der Rückgabe von 14 samt Besatzung vercharterten Boeing-Flugzeugen nun einen Personalüberhang hat. Air Berlin hatte bei Tuifly 14 Jets samt Besatzung gemietet. Zuerst hatte die „Neue Presse“ und die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ über den möglichen Stellenabbau berichtet.