Wenn es um Air Berlin geht, stellen sich Kunden und Wettbewerber seit fünf Jahren eigentlich nur eine Frage: Wie lange kann die Fluglinie angesichts tiefroter Zahlen und einem ständig wachsenden negativen Eigenkapital eigentlich noch durchhalten. Denn, so der Chef einer anderen Fluglinie: „Etihad kann als Hauptaktionär doch nicht auf Dauer Geld in das Unternehmen hineinpumpen.“ Denn die Linie aus dem Emirat Abu Dhabi, die seit 2012 knapp 30 Prozent an Air Berlin hält, hat nach Schätzungen direkt und indirekt zwar bereits mehr als eine Milliarde Euro an die Spree geschickt.
Damit liegt der Mann offenbar leider gründlich falsch. Denn spätestens seit gestern ist klar: Etihad kann. Denn gerade hat die arabische Staatsfluglinie angekündigt, dass sie ihrer Tochter für rund 300 Millionen die Hälfte des österreichischen Ablegers Niki abkaufen wird.
Auf den ersten Blick erinnert die Transaktion zwar an frühere Aktionen, mit denen Etihad auf verschlungenen Wegen Geld nach Berlin schickte. Denn deutsche Fluggesellschaften müssen mehrheitlich deutschen Anteilseignern gehören und aus Deutschland heraus geführt werden, will eine Linie nicht den größten Teil ihre Flugrechte verlieren. Darum steckte Etihad seit 2012 nicht offen Geld in ihre Tochter, sondern übernahm einen Mehrheitsanteil am Air-Berlin-Vielfliegerprogramm Topbonus für 184 Millionen Euro oder zeichnete eine Anleihe der deutschen Tochter in Höhe von 300 Millionen Euro mit unbegrenzter Laufzeit.
Doch der aktuelle Deal ist es noch merkwürdiger als seine vielen Vorgänger.
Denn Etihad zahlt deutlich mehr als die Beteiligung wert ist. Nicht nur, dass Etihad über Air Berlin ja schon ein Teil von Niki gehörte. Die ganze Air-Berlin-Gruppe hat heute einen Börsenwert von rund 70 Millionen Euro und Niki macht mit ihren 20 Flugzeugen nicht mal ein Sechstel der Gruppe aus.
Tatsächlich stecken hinter dem Deal drei ganz andere Dinge.
Zuerst ist die Vereinbarung eine Art Blutspende in letzter Minute. So sehr sich Etihad und Air-Berlin-Chef Stefan Pichler in ihren offiziellen Mitteilungen auch mühen, die Transaktion als „einen entscheidende Schritt in Richtung unserer neuen strategischen Ausrichtung“, zu loben wie es Pichler gestern tat. Tastsächlicher Treiber ist, dass Air Berlin dringender denn je Geld braucht.
Die Linie hat nicht nur als fast einzige Fluggesellschaft in Europa im vergangenen Sommergeschäft rote Zahlen geschrieben. Nun drohen im Winter nicht nur wie auch viele gesündere Fluglinien höhere Verluste. Ab dem kommenden März können Anleger eine 140 Millionen Euro schwere Wandelanleihe vorzeitig kündigen und der ohnehin klammen Air Berlin viel Geld entziehen. Das ist mehr als wahrscheinlich, denn die Anleihe ist derzeit hoch attraktiv. Sie notiert derzeit mit einem Kurs von 89 Prozent deutlich unter dem Auszahlungswert. Dazu gibt es nochmal gut 1,5 Prozent Zinsen. „Schneller lässt sich mit einer Airline derzeit kaum Geld machen“, so ein Air-Berlin-Mitarbeiter.
Eine der letzten Rettungsaktionen
Zum Zweiten ist die Niki-Übernahme Teil eines größeren Umbaus. Etihad wird den überteuert gekauften Anteil an Niki direkt in eine neue Ferien-Linie einbringen. In das Unternehmen mit dem Arbeitstitel Blue Sky bringt auch der Reisekonzern TUI seine 14 bislang an Air Berlin verleasten Maschinen ein und bekommt damit wie Etihad rund ein Viertel des neuen Unternehmens. Die Mehrheit hält die Niki Privatstiftung, die bisher formal auch die Mehrheit an Niki gehalten hat. Nur so kann die Linie als österreichische Linie gelten und ungehindert ins Ausland fliegen. Präsident der Stiftung ist derzeit noch Pichler, der den Posten nach mit Abschluss der Transaktion abgeben soll. Die neue Linie soll ab April 2017 aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Ziele rund ums Mittelmeer und auf den kanarischen Inseln anfliegen. Dazu zählen auch die Flüge nach Mallorca, mit denen Air Berlin in den neunziger Jahren groß wurde.
Ebenfalls im Frühjahr will Air Berlin dann 40 Maschinen an die Lufthansa-Töchter Eurowings und Austrian vermieten. Das ist freilich noch nicht sicher. Die Verhandlungen sollten zwar in den kommenden zwei Wochen abgeschlossen werden. Doch zuletzt waren sich beide Lager noch nicht einig, vor allem wann wieviel Lufthansa für die Maschinen an Air Berlin zahlt.
Dritter und am schwersten auszumachender Teil des Deals ist eine Art Gesichtswahrung für Etihad-Chef James Hogan. Denn der Aufbau von Blue Sky vergrößert das Herrschaftsgebiet der arabischen Fluglinie erneut, erschließt der Airline neue Kundschaft und lässt sich damit als eine Art Investition in die Zukunft rechtfertigen.
Das kann der Australier, der in der vorigen Woche seinen 60. Geburtstag feierte, gut brauchen. Denn er steht laut Insidern bei seinen Eigentümern in Abu Dhabis unter wachsendem Druck. Das unter der Marke Etihad Partners zusammengekaufte Reich aus Etihad und Minderheitsbeteiligungen an derzeit sechs Fluglinien schreibt wachsende Verluste. Zwar waren nicht alle Beteiligungen Verlustbringer. „Doch wenn eine Beteiligung Geld verdiente wie die irische Aer Lingus oder Virgin Australia, wurde Hogan sie wieder los“, so der Insider.
Bislang rechtfertigte Hogan das damit, dass die Gruppe die Marke Etihad weltweit bekannt gemacht habe. „Die Ausgaben“ so Hogan zu den Milliardenzuschüsse in die Partnerlinien, „liegen unter dem was wir hätten ausgeben müssen, um Etihad mit Hilfe von Werbe- und Marketingkampagne so bekannt zu machen wie wir heute sind.“.
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Vorjahr: Rang 6
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Vorjahr: Rang 10
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Vorjahr: Rang 8
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Vorjahr: Rang 4
Emirates
Vorjahr: Rang 1
ANA All Nippon Airways
Vorjahr: Rang 5
Singapore Airlines
Vorjahr: Rang 3
Qatar Airways
Vorjahr: Rang 2
Doch das zieht bei Hogans Gesellschaftern offenbar immer weniger. Denn auch wenn die lückenhaften Geschäftsberichte Profite anzeigen: auch nach gut zehn Jahren mit Hogan als Chef ist Etihad laut Insidern von einem echten Gewinn weiter entfernt denn je. „Da neigt sich auch die Gelassenheit der nicht für übertriebene Geduld bekannten Herrscher-Familie Abu Dhabis dem Ende zu“, so der Insider. „Und wenn Hogan fällt, schwindet auch die Hoffnung auf neues Geld für Air Berlin.
Somit könnte der aktuelle Umbau mit der Filetierung von Air Berlin auch eine der letzten Rettungsaktionen durch Etihad sein.