Air-Berlin-Rettung Wie die Lufthansa die Wettbewerbshüter narrt

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Nur eine Frage der Zeit

Das klingt für Laien absurd. „Wenn etwas einen Schwanz und vier Beine hat und bellt, dann ist es doch ein Hund“, wundert sich Ryanair-Manager O’Brien.  Für die bundesdeutschen Kartelljuristen gibt es jedoch einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied.

Zwar setzt Lufthansa am Ende die Air Berlin-Jets wie ihre eigenen ein. Doch sie kauft sie nicht. Sie mietet sie nur, wenn auch auf sechs Jahre. „Die Übernahme von Flugzeugen ist wettbewerblich jedenfalls anders zu bewerten, als etwa die Übernahme bestimmter Strecken, um die es hier nicht geht“, so Kartellamtschef Mundt.

Mit anderen Worten: Kartellbehörden dürfen grundsätzlich nur bei einem Kauf prüfen, nicht bei einer Miete. „Für Juristen läuft der Deal rein formell so ab: Air Berlin legt die Flugzeuge still und sie lösen sich quasi in Luft auf. Gleichzeitig bekommt die Lufthansa, Abrakadabra, wie aus dem Nichts 38 neue Jets“, erklärt ein Wettbewerbsjurist den Vorgang. „Und da ein Flugzeug anders als ein Landerecht beweglich ist und seine Nutzung nicht klar ist, greifen die Wettbewerbsregeln nicht.“

Aus Sicht des Bundeskartellamts und der EU-Wettbewerbshüter sind Flugzeuge für Airlines keine wesentlichen Betriebsmittel. Das musste auch Österreichs Kartellamts-Chef Thanner erstaunt zur Kenntnis nehmen. „Ich verstehe es aber trotzdem nicht.“



Ganz anders wäre die Lage bei einem Kauf von Air Berlin oder wenn Eurowings statt der Flieger die Strecken der Berliner nebst Landerechten an den Flughäfen übernommen hätte. Dann müssten die Kartellbehörden ein Verfahren starten. Und zuständig wäre wohl auch nicht das Bundeskartellamt in Bonn, sondern die DG Comp in Brüssel. Die EU-Kartellbehörde ist grundsätzlich zuständig, wenn der Umsatz der beteiligten Unternehmen bei mehr als fünf Milliarden Euro liegt. Da aber Eurowings keinen direkten Einfluss darauf hat, welche Strecken Air Berlin wann aufgibt, muss die Behörde abwarten.

Doch Lufthansa und Air Berlin sind noch nicht komplett vom Haken. Wenn die Einzelheiten des Geschäfts feststehen, können sich die Behörden den Vorgang nochmal genauer ansehen. „Wenn es Anzeichen für eine marktbeherrschende Stellung oder eine Wettbewerbsbehinderung gibt, ist jederzeit ein Vollzugsverbot durch die Behörden möglich“, so der Jurist.

Was Air Berlin in der Flotte hat
Air Berlin rühmt sich, ein der jüngsten Flotten Europas zu haben. Durch den regelmäßigen Austausch bleibe man technisch stets auf dem neuesten Stand und könne so gewährleisten, dass die Flotte sparsam, sicher und umweltschonend bleibe – heißt es zumindest auf der Air-Berlin-Homepage. Doch das ist nur die eine Seite: Die Flugzeuge können so häufig ausgetauscht werden, weil Air Berlin die Flugzeuge gar nicht mehr besitzt: Im Juli wurde bekannt, dass die Airline das letzte eigene Flugzeug verkauft hat und nur noch mit geleasten Flugzeugen unterwegs ist. Was alles in Air-Berlin-Lackierung durch die Lüfte fliegt. Quelle: PR
Airbus A319Anzahl: 11Sitzplätze: 150Reichweite: 5.560 Kilometer Der kleinste Airbus in der Air-Berlin-Flotte ist die A319. Stand Ende Juni sind elf Exemplare im Dienst. Quelle: PR
Airbus A320Anzahl: 60Sitzplätze: 180Reichweite: 5.500 Kilometer Das Rückgrat der Air-Berlin-Flotte bildet die A320. Insgesamt 60 Flugzeuge dieses Typs sind in Europa auf der Kurz- und Mittelstrecke unterwegs. Quelle: PR
Airbus A321Anzahl: 23Sitzplätze: 210Reichweite: 5.700 Kilometer Von der gestreckten Version der A320, der A321, hat Air Berlin 23 Exemplare im Dienst. Quelle: PR
Airbus A330Anzahl: 14Sitzplätze: 290Reichweite: 12.300 Kilometer Die A330 hat mit über 12.000 Kilometern die größte Reichweite in der Air-Berlin-Flotte. Folglich kommen die 14 Exemplare vor allem bei den Transatlantikflügen zum Einsatz. Quelle: PR
Bombardier Q400Anzahl: 17Sitzplätze: 74/76Reichweite: 2.522 Kilometer Die Turboprop-Maschinen aus dem Hause Bombardier decken die Kurzstrecken- und Regionalflüge ab. Die Propeller-Maschine ermöglicht es Air Berlin, Frequenzen auf einigen Strecken zu geringeren Kosten zu erhöhen – entweder zwischen kleineren Städten oder als Zubringer zu den Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf. Quelle: PR
Aussortiert: Boeing 737-700/-800Anzahl: 5/17Sitzplätze: 144/186Reichweite: 6.110/5.420 Kilometer Zu Hochzeiten hatte Air Berlin bis zu 45 Exemplare aus zwei Varianten der 737-Baureihe von Boeing in Betrieb. Um die Wartungs- und Ausbildungskosten zu senken, entschied die Airline allerdings 2014, die Boeing-Flieger zu verkaufen und künftig einheitlich auf Airbus zu setzen. Die Auslistung sollte Ende 2016 abgeschlossen sein. Quelle: PR

Das erschien lange nur eine Frage der Zeit. Denn Air Berlin wollte sich bei der ersten Ankündigung des Deals im September fast komplett aus Köln, München und Hamburg zurückziehen. Dann wäre der Lufthansa mit ihren Töchtern Eurowings, Swiss und Austrian sowie seit Dezember auch der belgischen Brussels mit über 80 Prozent Marktanteil auf fast 50 Routen marktbeherrschend. Dazu zählten dann fast alle innerdeutschen Routen darunter Rennstrecken für Geschäftsreisende wie München–Köln oder von Hamburg nach München, Stuttgart und Wien.

Doch in der vergangenen Woche überraschte Air Berlin den Rest der Branche mit einer Volte. Sie verkündete, dass sie entgegen früherer Ankündigungen erst mal alle großen innerdeutschen Verbindungen weiter fliegt. Einige Routen wie Köln - München will sie sogar noch aufstocken. „Unser Versprechen: Jeder Flug, den Sie bei Air Berlin jetzt buchen, wird durchgeführt“, wirbt die Airline.

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