Air-Berlin-Rettung Wie die Lufthansa die Wettbewerbshüter narrt

Die Lufthansa stärkt mit der Teil-Übernahme von Air Berlin ihre Marktmacht. Das halten Wettbewerber für unzulässig. Doch gegen einen cleveren Schachzug der Lufthansa scheinen sie chancenlos.

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Lufthansa stärkt seine Position mit Übernahmen. Quelle: imago images

Ryanair-Verkaufschef David O’Brien ist kein Typ, dem man sich gern in den Weg stellt. Mit 52 Jahren verkörpert er mit seinem kahl rasierten Schädel und dem bulligen Kreuz noch die harte Entschlossenheit aus seiner Zeit als Offizier bei der irischen Armee.

Das bekam die Lufthansa zuletzt gleich zwei Mal zu spüren: Beim überraschenden Start von Ryanair an ihrem Hauptflughafen Frankfurt. Und dann als O’Brien jüngst gegen die angekündigte Übernahme von Teilen der Air Berlin vorging. „Das ist gegen die gesetzlichen Regelungen und wir werden dagegen vorgehen“, polterte der Ire. „Warum geht Lufthansa eine solche Vereinbarung ein – doch einzig und allein, um den Markt zu behindern.“

So erfolgreich O’Brien beim Anflug auf Frankfurt auch war, gegen die innerdeutsche Kooperation wird er wenig ausrichten können. Bei dem Coup least die Lufthansa von Air Berlin 38 Maschinen nebst Besatzung – und lässt sie für die Töchter Eurowings und Austria Airlines fliegen.

Die Crux für Gegner der Kooperation: Der Deal ist so clever konstruiert, dass trotz aller belastenden Indizien die Wettbewerbsbehörden außen vor bleiben. Die beiden Firmen „fliegen um das Kartellrecht herum“, schimpft Österreichs Kartellamts-Chef Theodor Thanner laut der Wiener Tageszeitung „Die Presse“.

„Das ist eigentlich ein eindeutiger Fall“

Dabei erfüllt die Vereinbarung auf den ersten Blick alle Kriterien für einen Verstoß gegen das Kartellrecht: Schon heute hat Lufthansa mit Ausnahme vom Berliner Billigflug-Mekka Schönefeld an den Top-Ten der deutschen Flughäfen einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent. Von diesem Wert an gilt ein Unternehmen eigentlich als marktbeherrschend. Und nun übernimmt Europas umsatzstärkste Airline de facto gut ein Drittel ihres wichtigsten Wettbewerbers und installiert mit Thomas Winkelmann auch noch den Ex-Chef ihres Billigfluggeschäfts an der Spitze der restlichen Air Berlin.

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„Besonders die Übernahme von Air Berlin und Brussels sichert Lufthansa auf vielen neuen Routen eine beherrschende Stellung, wenn nicht gar ein Monopol“, sagt Thomas Jaeger, Chef des auf die Flugbranche spezialisierten Datenanbieters CH-Aviation aus dem schweizerischen Chur.

„Das ist eigentlich ein eindeutiger Fall“, so der führende Manager eines Konkurrenten. Doch das Verfahren läuft komplett anders als bei Niki, die neue deutsch-österreichische Ferienfluglinie, die der Reisekonzern TUI und die Air-Berlin-Mutter Etihad aus Tuifly und Air Berlin bauen wollen. Niki sollte eigentlich bereits ab dem Frühjahr aktiv werden. Doch das in der Branche DG Comp genannte europäische Kartellamt prüft das Konstrukt länger als erwartet auf Herz und Nieren. „Wir rechnen nicht mit einer Kartellfreigabe vor dem Sommer“, erzählte Sebastian Ebel, Chef der TUI Deutschland, der Fachzeitschrift FVW. Wie Insider dem Magazin berichteten, arbeiten Anwälte der Unternehmen erstmal einen umfangreichen Fragenkatalog der Kartellbehörde ab. 

Eine solche Verzögerung droht nicht beim Verleihgeschäft Lufthansa/Air Berlin. „Mit dem sogenannten Wet-Leasing, das die beiden Unternehmen für 38 Flugzeuge planen, befassen wir uns aktuell“, bestätigte Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamts gegenüber der WirtschaftsWoche. Doch aktiv wird er nicht. Denn, so Mundt, „fraglich ist, ob diese Form der Kooperation überhaupt einen Zusammenschluss im Sinne des Kartellrechts darstellt.“

Nur eine Frage der Zeit

Das klingt für Laien absurd. „Wenn etwas einen Schwanz und vier Beine hat und bellt, dann ist es doch ein Hund“, wundert sich Ryanair-Manager O’Brien.  Für die bundesdeutschen Kartelljuristen gibt es jedoch einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied.

Zwar setzt Lufthansa am Ende die Air Berlin-Jets wie ihre eigenen ein. Doch sie kauft sie nicht. Sie mietet sie nur, wenn auch auf sechs Jahre. „Die Übernahme von Flugzeugen ist wettbewerblich jedenfalls anders zu bewerten, als etwa die Übernahme bestimmter Strecken, um die es hier nicht geht“, so Kartellamtschef Mundt.

Mit anderen Worten: Kartellbehörden dürfen grundsätzlich nur bei einem Kauf prüfen, nicht bei einer Miete. „Für Juristen läuft der Deal rein formell so ab: Air Berlin legt die Flugzeuge still und sie lösen sich quasi in Luft auf. Gleichzeitig bekommt die Lufthansa, Abrakadabra, wie aus dem Nichts 38 neue Jets“, erklärt ein Wettbewerbsjurist den Vorgang. „Und da ein Flugzeug anders als ein Landerecht beweglich ist und seine Nutzung nicht klar ist, greifen die Wettbewerbsregeln nicht.“

Aus Sicht des Bundeskartellamts und der EU-Wettbewerbshüter sind Flugzeuge für Airlines keine wesentlichen Betriebsmittel. Das musste auch Österreichs Kartellamts-Chef Thanner erstaunt zur Kenntnis nehmen. „Ich verstehe es aber trotzdem nicht.“



Ganz anders wäre die Lage bei einem Kauf von Air Berlin oder wenn Eurowings statt der Flieger die Strecken der Berliner nebst Landerechten an den Flughäfen übernommen hätte. Dann müssten die Kartellbehörden ein Verfahren starten. Und zuständig wäre wohl auch nicht das Bundeskartellamt in Bonn, sondern die DG Comp in Brüssel. Die EU-Kartellbehörde ist grundsätzlich zuständig, wenn der Umsatz der beteiligten Unternehmen bei mehr als fünf Milliarden Euro liegt. Da aber Eurowings keinen direkten Einfluss darauf hat, welche Strecken Air Berlin wann aufgibt, muss die Behörde abwarten.

Doch Lufthansa und Air Berlin sind noch nicht komplett vom Haken. Wenn die Einzelheiten des Geschäfts feststehen, können sich die Behörden den Vorgang nochmal genauer ansehen. „Wenn es Anzeichen für eine marktbeherrschende Stellung oder eine Wettbewerbsbehinderung gibt, ist jederzeit ein Vollzugsverbot durch die Behörden möglich“, so der Jurist.

Was Air Berlin in der Flotte hat
Air Berlin rühmt sich, ein der jüngsten Flotten Europas zu haben. Durch den regelmäßigen Austausch bleibe man technisch stets auf dem neuesten Stand und könne so gewährleisten, dass die Flotte sparsam, sicher und umweltschonend bleibe – heißt es zumindest auf der Air-Berlin-Homepage. Doch das ist nur die eine Seite: Die Flugzeuge können so häufig ausgetauscht werden, weil Air Berlin die Flugzeuge gar nicht mehr besitzt: Im Juli wurde bekannt, dass die Airline das letzte eigene Flugzeug verkauft hat und nur noch mit geleasten Flugzeugen unterwegs ist. Was alles in Air-Berlin-Lackierung durch die Lüfte fliegt. Quelle: PR
Airbus A319Anzahl: 11Sitzplätze: 150Reichweite: 5.560 Kilometer Der kleinste Airbus in der Air-Berlin-Flotte ist die A319. Stand Ende Juni sind elf Exemplare im Dienst. Quelle: PR
Airbus A320Anzahl: 60Sitzplätze: 180Reichweite: 5.500 Kilometer Das Rückgrat der Air-Berlin-Flotte bildet die A320. Insgesamt 60 Flugzeuge dieses Typs sind in Europa auf der Kurz- und Mittelstrecke unterwegs. Quelle: PR
Airbus A321Anzahl: 23Sitzplätze: 210Reichweite: 5.700 Kilometer Von der gestreckten Version der A320, der A321, hat Air Berlin 23 Exemplare im Dienst. Quelle: PR
Airbus A330Anzahl: 14Sitzplätze: 290Reichweite: 12.300 Kilometer Die A330 hat mit über 12.000 Kilometern die größte Reichweite in der Air-Berlin-Flotte. Folglich kommen die 14 Exemplare vor allem bei den Transatlantikflügen zum Einsatz. Quelle: PR
Bombardier Q400Anzahl: 17Sitzplätze: 74/76Reichweite: 2.522 Kilometer Die Turboprop-Maschinen aus dem Hause Bombardier decken die Kurzstrecken- und Regionalflüge ab. Die Propeller-Maschine ermöglicht es Air Berlin, Frequenzen auf einigen Strecken zu geringeren Kosten zu erhöhen – entweder zwischen kleineren Städten oder als Zubringer zu den Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf. Quelle: PR
Aussortiert: Boeing 737-700/-800Anzahl: 5/17Sitzplätze: 144/186Reichweite: 6.110/5.420 Kilometer Zu Hochzeiten hatte Air Berlin bis zu 45 Exemplare aus zwei Varianten der 737-Baureihe von Boeing in Betrieb. Um die Wartungs- und Ausbildungskosten zu senken, entschied die Airline allerdings 2014, die Boeing-Flieger zu verkaufen und künftig einheitlich auf Airbus zu setzen. Die Auslistung sollte Ende 2016 abgeschlossen sein. Quelle: PR

Das erschien lange nur eine Frage der Zeit. Denn Air Berlin wollte sich bei der ersten Ankündigung des Deals im September fast komplett aus Köln, München und Hamburg zurückziehen. Dann wäre der Lufthansa mit ihren Töchtern Eurowings, Swiss und Austrian sowie seit Dezember auch der belgischen Brussels mit über 80 Prozent Marktanteil auf fast 50 Routen marktbeherrschend. Dazu zählten dann fast alle innerdeutschen Routen darunter Rennstrecken für Geschäftsreisende wie München–Köln oder von Hamburg nach München, Stuttgart und Wien.

Doch in der vergangenen Woche überraschte Air Berlin den Rest der Branche mit einer Volte. Sie verkündete, dass sie entgegen früherer Ankündigungen erst mal alle großen innerdeutschen Verbindungen weiter fliegt. Einige Routen wie Köln - München will sie sogar noch aufstocken. „Unser Versprechen: Jeder Flug, den Sie bei Air Berlin jetzt buchen, wird durchgeführt“, wirbt die Airline.

„Gegen die Lufthansa anzutreten ist ein harter Kampf“

Dass dies lange so bleibt, halten Wettbewerber allerdings für unwahrscheinlich. „Die Linie hat für diesen Flugplan zu wenig Maschinen und muss über kurz oder lang noch einige Routen streichen“, sagt ein führender Manager der Branche. Und bis dahin rechnet er auch beim bestehenden Flugplan mit einem begrenzten Wettbewerb. „Wo Air Berlin weiter fliegt, werden sie wohl kaum Lufthansa scharf angreifen.“ Das zeigt die Erfahrung, urteilt auch Ralf Rettig, Vizepräsident des Geschäftsreiseverbands VDR und oberster Mobilitäts-Manager beim Autozulieferer ZF aus Friedrichshafen: „Gegen die Lufthansa anzutreten ist ein harter Kampf.“

Deshalb vermuten Wettbewerber, dass Air Berlin mit ihrem überraschend üppigen Flugplan erstmal nun Einwänden der Kartellbehörden zuvorkommen will. Darum wehren sie sich weiter gegen die Kooperation der beiden größten deutschen Linien. „Wir werden dagegen vorgehen, und es würde mich sehr überraschen, wenn nicht noch andere Airlines dasselbe tun“, sagt Ryanair-Verkaufschef David O’Brien.

Das sind die Renditekönige der Lüfte
Air Berlin Quelle: dpa
Air France-KLM Quelle: AP
Lufthansa Quelle: dpa
Emirates Quelle: REUTERS
IAG Quelle: AP
Turkish Airlines Quelle: REUTERS
United Continental Quelle: AP

Zumal, so die einhellige Meinung der deutschen Airline und Airport-Chefs, der heutigen Kooperation wahrscheinlich eine komplette Übernahme der restlichen Air Berlin folgt.

Offiziell will Lufthansa-Chef Spohr davon freilich nichts wissen. „Bei einer möglichen Übernahme sehen wir große Probleme“, wiegelt er ab und verweist zunächst auf die Milliardenschulden von Air Berlin und die hohen Betriebskosten. „Wir haben mit den bestehenden Projekten so viel zu tun, dass dies nicht auf der Agenda steht“, ergänzt der für Eurowings zuständige Lufthansa-Konzernvorstand Karl Garnadt.

Das sieht der Chef eines großen deutschen Flughafens anders. „Aus meinen Gesprächen mit der Lufthansa schließe ich: Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wann.“



Bei einer kompletten Übernahme von Air Berlin würde dann in jedem Fall die EU-Wettbewerbskommission aktiv. Doch Beobachter bezweifeln, dass Brüssel allzu hart bremsen würde. Aus Sicht von Spohr „ist man sich in Berlin einig, das Vorhaben zu unterstützen“. Denn ohne Lufthansa droht dem Rest der Berliner über kurz oder lang das Aus.

Da könnte Berlin dann bei der EU auf Genehmigung dringen. „Die Frage ist doch, ob die Bundesregierung zum Schutz des Wettbewerbs wirklich ein populäres Unternehmen mit Tausenden Jobs untergehen lässt“, formuliert Marktforscher Jaeger die in der Branche diskutierten Gedankenspiele.

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