Air Berlin schrumpft Die Neuordnung der deutschen Flugbranche beginnt

Seite 3/3

Air Berlin verkommt zum Zubringer

Doch die Fluggesellschaft aus Abu Dhabi wurde nicht glücklich mit ihrem Investitionsobjekt. Da absehbar ist, dass Air Berlin kaum zur Gewinnmaschine taugt, wollen die Etihad-Oberen wenigstens als Erweiterung des eigenen Netzes und als Zubringer einsetzen. Das erklärt die Art der Aufteilung. Erhalten bleiben schließlich auch die Langstreckenflüge aus Berlin und Düsseldorf, die das Netz der Etihad-Verbindungen ergänzen.

In diese Logik passt auch der zweite, über verschiedene Berichte angedeutet Coup: Das Touristikgeschäft wird in einem eigenständig agierenden, auf Touristik fokussierten Geschäftsbereich zusammengefasst. Insidern zufolge wollen Air Berlin und Etihad den Bereich in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem Ferienflieger Tuifly des weltgrößten Reisekonzerns Tui bündeln.

Dass Air Berlin nicht nur die Flugzeuge an die Lufthansa abtritt, sondern im Rahmen einer "Wet-Lease-Vereinbarung" auch Cockpit- und Kabinenpersonal, technische Wartung, Versicherung und die Betriebskosten, senkt Kosten und Überkapazitäten deutlich.

Was Air Berlin in der Flotte hat
Air Berlin rühmt sich, ein der jüngsten Flotten Europas zu haben. Durch den regelmäßigen Austausch bleibe man technisch stets auf dem neuesten Stand und könne so gewährleisten, dass die Flotte sparsam, sicher und umweltschonend bleibe – heißt es zumindest auf der Air-Berlin-Homepage. Doch das ist nur die eine Seite: Die Flugzeuge können so häufig ausgetauscht werden, weil Air Berlin die Flugzeuge gar nicht mehr besitzt: Im Juli wurde bekannt, dass die Airline das letzte eigene Flugzeug verkauft hat und nur noch mit geleasten Flugzeugen unterwegs ist. Was alles in Air-Berlin-Lackierung durch die Lüfte fliegt. Quelle: PR
Airbus A319Anzahl: 11Sitzplätze: 150Reichweite: 5.560 Kilometer Der kleinste Airbus in der Air-Berlin-Flotte ist die A319. Stand Ende Juni sind elf Exemplare im Dienst. Quelle: PR
Airbus A320Anzahl: 60Sitzplätze: 180Reichweite: 5.500 Kilometer Das Rückgrat der Air-Berlin-Flotte bildet die A320. Insgesamt 60 Flugzeuge dieses Typs sind in Europa auf der Kurz- und Mittelstrecke unterwegs. Quelle: PR
Airbus A321Anzahl: 23Sitzplätze: 210Reichweite: 5.700 Kilometer Von der gestreckten Version der A320, der A321, hat Air Berlin 23 Exemplare im Dienst. Quelle: PR
Airbus A330Anzahl: 14Sitzplätze: 290Reichweite: 12.300 Kilometer Die A330 hat mit über 12.000 Kilometern die größte Reichweite in der Air-Berlin-Flotte. Folglich kommen die 14 Exemplare vor allem bei den Transatlantikflügen zum Einsatz. Quelle: PR
Bombardier Q400Anzahl: 17Sitzplätze: 74/76Reichweite: 2.522 Kilometer Die Turboprop-Maschinen aus dem Hause Bombardier decken die Kurzstrecken- und Regionalflüge ab. Die Propeller-Maschine ermöglicht es Air Berlin, Frequenzen auf einigen Strecken zu geringeren Kosten zu erhöhen – entweder zwischen kleineren Städten oder als Zubringer zu den Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf. Quelle: PR
Aussortiert: Boeing 737-700/-800Anzahl: 5/17Sitzplätze: 144/186Reichweite: 6.110/5.420 Kilometer Zu Hochzeiten hatte Air Berlin bis zu 45 Exemplare aus zwei Varianten der 737-Baureihe von Boeing in Betrieb. Um die Wartungs- und Ausbildungskosten zu senken, entschied die Airline allerdings 2014, die Boeing-Flieger zu verkaufen und künftig einheitlich auf Airbus zu setzen. Die Auslistung sollte Ende 2016 abgeschlossen sein. Quelle: PR

Des einen Leid, des anderen Vorteil. Auf einen Schlag kann die Lufthansa, die kurz zuvor die Komplettübernahme der bisherigen 45-Prozent-Beteiligung Brussels Airlines verkündete, mit dem Leasing-Deal ihre Billigtochter Eurowings kräftig ausbauen. Das ist dringend nötig, denn für das anvisierte rasche Wachstum braucht die Linie schlicht mehr Flugzeuge und Verbindungen. Die Flotte von derzeit 90 Jets kann Eurowings nun deutlich aufstocken. Das wirtschaftliche Risiko bleibt dabei für die Verantwortlichen angenehm überschaubar.

Dass die Lufthansa den Deal will, liegt aber nicht ausschließlich am Flugzeug-Zugewinn. Airline-Chef Carsten Spohr schlägt anderen, verdammt lästigen Konkurrenten ein Schnippchen. Denn die Vergangenheit zeigt: Wo Air Berlin schwächelt, rücken Angreifer in Form von Billig-Airlines wie Ryanair, Easyjet oder Transavia nach, die der Lufthansa die Kunden streitig machen. "Jemand muss in die Bresche springen", gab sich Ryanair-Chef Michael O'Leary zuletzt im Interview mit der Zeit streitlustig.



Die Gefahr scheint vorerst verringert. Nun muss die Lufthansa hoffen, dass ihr nicht doch Wettbewerbshüter den Deal mit Auflagen vermiesen. Die behördliche Genehmigung des Plans steht schließlich noch aus - und Stolpersteine gibt es:  Der neue Bund wäre mit Abstand Marktführer in Hamburg, Köln, Stuttgart und München - und Monopolist bei allen Routen zwischen den vier Orten sowie auf vielen Ferienstrecken ans Mittelmeer.

Schon im Vorfeld wurde deshalb die Sorge laut, Lufthansa könnte die Marktmacht ausnutzen. "Wir fordern weiterhin stabile Ticketpreise", sagte Dirk Gerdom, Chef des deutschen Geschäftsreiseverbands VDR im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.




Mit Material von dpa

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%