




Den ersten großen Auftritt nach dem Insolvenzantrag hatte sich die Air-Berlin-Spitze anders vorgestellt. Kommenden Montag sollte zuerst der Aufsichtsrat tagen und um 15 Uhr wollten CEO Thomas Winkelmann sowie Sachwalter Lucas Flöther und Generalbevollmächtigter Frank Kebekus im Novotel im Berliner Tiergarten vor die Presse treten. Einziger Programmpunkt: Wer der dem Vernehmen nach 15 Bieter bekommt Deutschlands – noch – zweitgrößter Airline. Bis Ende kommender Woche sollte es fertige Verträge geben.
Der Plan platzte am Donnerstagnachmittag. Zwar steigt die Pressekonferenz wie geplant. Nur zu verkünden ist da wenig.
Angebote gab es zwar von Fluglinien wie Lufthansa und Easyjet, prominenten Investoren wie Ex-Formel-1-Weltmeister Niki Lauda oder Ex-EnBW-Chef Utz Claasen und Mittelständlern wie dem Berliner Logistiker Zeitfracht. Doch nachdem die Vertreter der Gläubiger gestern alle Offerten gründlich gesichtet hatten, war die Ernüchterung groß. „Jedes Angebot hatte mindestens einen Pferdefuß“, so ein Insider. „Und die meisten waren sogar mangelhaft bis unbrauchbar, vor allem die für das ganze Unternehmen.“ Dazu zählen darunter offenbar auch die Pläne von British-Airways Mutter IAG und Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl.
Somit sahen die Gläubigervertreter am Ende nur eine Lösung: Air Berlin wird geteilt – und mit den drei besten Interessenten Lufthansa, Easyjet und Lauda nochmal knapp drei Wochen über einzelne Pakete nachverhandelt. Und zwar in der Hoffnung, dass man sich über die Details noch einig wird und möglichst viele Stellen gerettet werden.
Unterlegene kündigen Kartellklagen an
Doch die Unsicherheiten sind groß, vor allem, ob nicht am Ende noch entlassene Beschäftigte sich wieder einklagen. Das führte dazu, dass laut unbestätigten Meldungen inzwischen der Verbund Lauda/Condor ausgeschieden sein. Gleichzeitig wollen sich die ausgeschiedenen Bieter mit der Vorrang für Lufthansa und Easyjet abfinden. „Wenn das gefingert war, wird es eine gewaschene Kartellklage geben“, sagte ein Sprecher des vorerst unterlegenen Bieters Utz Claassen.
Nur einen störte das Durcheinander nicht wirklich: Lufthansa-Chef Carsten Spohr.
Das ist Air Berlin
Die 1978 gegründete Fluggesellschaft Air Berlin ist mit dem Boom der Billigflieger groß geworden. Erfolg hatte Deutschlands zweigrößte Airline zunächst mit Flügen von Berlin nach Mallorca. 2002 nahm sie Linienflüge in europäische Städte ins Programm.
Nach einem radikalen Expansionskurs geriet das Unternehmen in eine Krise. Seit 2008 schreibt Air Berlin - mit einer Ausnahme durch den Verkauf des Vielfliegerprogramms - rote Zahlen. Im Jahr 2016 betrug der Verlust rund 782 Millionen Euro, der Schuldenberg wuchs auf knapp 1,2 Milliarden Euro. Jahrelang hielt der arabische Großaktionär Etihad, der 29,2 Prozent der Anteile besitzt, die Airline mit Finanzspritzen in der Luft.
Im August 2017 zieht Etihad die Reißleine: Der Hauptaktionär erklärt, keine weitere finanzielle Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Air Berlin stellt daraufhin beim zuständigen Amtsgericht Berlin-Charlottenburg einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung.
Der Manager mit dem Pilotenschein hatte bereits mehrfach auf internen Veranstaltungen klar gemacht, dass er bei allem Interesse nicht das ganze Unternehmen wolle. Ihm reichen neben den 38 bereits gemieteten Maschinen 20 bis 40 weitere Flugzeuge. Aber falls das etwa aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich sei, käme er auch ganz gut ohne die Verstärkung aus. „Wir wollen eine teilweise Übernahme von Air Berlin nicht klein reden“, sandte Spohr Mittwochabend auf einem Vorstands-Sommerfest als Nachricht in Richtung Berlin. Doch auch wenn in seinem Konzern derzeit rund 100 Mitarbeiter am Projekt Air Berlin arbeiten. „Die Zukunft von Eurowings wird nicht vom Ausgang des Verfahrens abhängen“, sagt Spohr. Falls das dem ein oder anderen noch zu verklausuliert war, legte Spohr nach: Ohne Air-Berlin-Teile, so Spohr „wachsen wir organisch. Wir erwarten einen Marktaustritt von Air Berlin“ und darum sei „Raum im Markt“, den Eurowings so oder so füllen werde.
Gut vorbereitet fühlt sich Spohr jedenfalls, sowohl beim Personal als auch bei den Jets. Wie gut, zeigte Spohr bereits vorige Woche der Langstrecke. Hier hat er – anders als bei seinem internen Auftritt zu Air Berlin Mitte August angedeutet – erst gar nicht mitgeboten. „Das passte nicht“, zitieren ihn Insider.
Doch seine Gründe gehen tiefer. „Wir brauchen von Air Berlin weder Großraumflugzeuge noch das Personal“, heißt es. Die Belegschaft und besonders die Piloten seien für Eurowings zu teuer, die A330-Jets der Air Berlin zu alt und die Startrechte bedeutungslos. Denn während sich beim Kauf der Mittelstreckenflieger für Europaverbindungen alles um diese Slots genannten Zeitfenster drehe, seien die im Langstreckengeschäft praktisch bedeutungslos. Denn morgens um sechs wenn die Maschinen aus der Karibik oder den USA landen, habe selbst das ansonsten übervolle Düsseldorf ebenso genug Platz wie ab 10 Uhr, wenn die Jets wieder über den Atlantik starten.