Air Berlin Stefan Pichler auf Crashkurs

Die erste Bilanz von Air-Berlin-Chef Stefan Pichler ist düster, die Zahlen dunkelrot. Woran die Sanierungsideen des Managers scheiterten und wie es weitergehen könnte.

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Quelle: imago images

In den vergangenen Wochen erkannten selbst alte Bekannte Air-Berlin–Chef Stefan Pichler kaum wieder. „War Stefan nach seinem Amtsantritt vor einem Jahr noch voller kämpferischer Tatkraft, wirkt er nun eher bedrückt und manchmal sogar abwesend“, sagt einer, der ihn lange kennt.

Vom Optimismus, mit dem Pichler noch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen 2015 eine Art operativen Gewinn für 2016 versprach, ist fast nichts geblieben. Den Grund zeigen die Zahlen für das Geschäftsjahr 2015. Der Abschluss ist Pichlers erste Bilanz und sie fällt düster aus.

Unter Pichler ist Air Berlin so tief in den roten Zahlen gelandet wie nie. Unter dem Strich steht ein Minus von fast 447 Millionen Euro. Im Jahr zuvor waren es 377 Millionen Euro Verlust. Schon damals ein Negativrekord. Der operative Verlust (Ebit) wuchs von 294 Millionen auf 307 Millionen Euro.

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Auch die niedrigen Kerosin-Preise konnten hohe Sanierungskosten und andere Belastungen nicht wettmachen, unter anderem, weil die Airline ihren Sprit im Rahmen eines Sicherungsgeschäfts zuvor zu einem höheren Kurs eingekauft hatte.

In einer ersten Erklärung gibt Air Berlin auch anderen Einmaleffekten die Schuld für das schlechte Abschneiden, unter anderem dem „langwierigen und schädlichen Codeshare-Konflikt“, geopolitischen Krisen sowie den "Terroranschlägen in Ägypten und Paris".

Doch auch wenn sich die Einmaleffekte niederschlagen, insgesamt konnte Pichler zu wenig an den grundlegenden Schwierigkeiten der Linie ändern. „Das Grundsatzproblem bleibt“, erklärte Niki Lauda, langjähriger Flugunternehmer und Ex-Verwaltungsrat bei Air Berlin, jüngst dem „Spiegel“.

Pichler sah bei seinem Amtsantritt drei große Aufgaben: Trotz teurer Umbauten eine im Herbst fällige Anleihe über rund 200 Millionen Euro tilgen, Air Berlin die Gemeinschaftsflüge mit dem Hauptaktionär Etihad zu sichern und dem Flugbetrieb die Verluste auszutreiben.

Die Nebeneinkünfte der Airlines abseits des Ticketverkaufs

Die ersten beiden Aufgaben hat der Konzernchef mehr oder weniger bewältigt. Bereits im November konnte er trotz des negativen Betriebsvermögens die Anleihe ablösen. Dafür sorgte nicht zuletzt, dass Air Berlin zusammen anderen Airlines aus dem Etihad-Reich ein gemeinsames Wertpapier herausgab. Nach mehreren Gerichtsverfahren beendete das Luftfahrtbundesamt zudem Mitte März den Widerstand gegen den größten Teil der Codeshare genannten Kooperationsflüge von Etihad und Air Berlin.

Beim dritten und schwersten Teil seines Programms blieb Pichler hinter den Zusagen. Zwar legte er große Sparprogramme auf, bei denen er persönlich seine Abteilungsleiter um höhere Kostensenkungen bekniete. Dazu startete er ein neues System der Preissteuerung. Es sollte die Nachfrage besser vorhersagen und am Ende dafür sorgen, dass die Kunden für ihre Tickets mehr ausgeben. Außerdem strich er viele unrentable Verbindungen.

Doch die Programme griffen nicht. Operativ stockte die Besserung.

Pichlers unklarer Kurs bei Air Berlin

Lange gelang es Pichler, sein Angebot stärker zu kappen als die Nachfrage. Das sorgte für vollere Flieger und damit höhere Einnahmen. Im Flugzeug verursacht ein zusätzlicher Passagier fast keine Extrakosten, aber sein Ticketpreis fließt nahezu vollständig in den Gewinn. Doch in den vergangenen Monaten ging die Auslastung der Maschinen zurück, die Überschüsse sanken.

Das lag zum einen daran, dass Air Berlin viele neue Strecken auflegte, die erst langsam anlaufen und auf denen sich die Jets meist nur mit Kampfpreisen füllen lassen. Zudem zögerten viele Passagiere beim Buchen, weil sie bei ihren Urlaubsplanungen im Herbst und Winter nicht sicher waren, ob Air Berlin ihre Flüge in der  Ferienzeit auch wirklich durchführt. „Die Unsicherheit darüber, wie es strategisch mit der Airline weitergeht, ist pures Gift für das Geschäft“, sagt Gerald Wissel vom Beratungsunternehmen Airborne Consulting.

Pichlers unklarer Kurs ist Folge eines permanenten Tauziehens mit Air-Berlin-Hauptaktionär Etihad. Dessen Chef James Hogan hat dem Deutschen zwar weitgehend freie Hand zugesichert als er ihn holte. Doch damit war es in der Praxis vorbei als Pichler an der grundlegenden Ausrichtung von Air Berlin rüttelte.

Geld verdient die Linie vor allem mit Urlaubsflügen für große Reisekonzerne ans Mittelmeer und in die Karibik. Flüge in Geschäftsreiseziele von New York bis Rom bringen eher Verluste, doch Hogan legt Wert darauf. „Die zur Rettung von Air Berlin nötigen Einschnitte sind nicht mit der Strategie des Großaktionärs Etihad kompatibel“, sagt Berater Wissel.

„Hogan hatte seinen Eigentümern aus Abu Dhabi wohl versprochen, durch Zukäufe wie Air Berlin so groß zu werden wie der Rivale Emirates aus Dubai. Nach ein paar Anfangsverlusten sollte Air Berlin als Statthalter vor Ort für neue Märkte und mehr Kunden am Drehkreuz Abu Dhabi sorgen“, meint ein Insider.

Als größtes Fiasko gilt die Strecke Stuttgart - Abu Dhabi, die Air Berlin au Wunsch von Etihad übernahm. Obwohl bei der deutschen Airline laut Mitarbeitern mehr als die Hälfte der Sitze leer blieb, wehrte sich Hogan lange gegen eine Streichung.

Aber die Unterstützung verschlang immer mehr Geld. „Bisher hat Etihad etwa eine Milliarde Euro in Air Berlin gesteckt“, weiß Ex-Verwaltungsrat Lauda. Dazu schickte Hogan immer mehr seiner Leute zu Air Berlin.

Nun wird es für Pichler eng

So langsam wird es eng für Pichler. Der zeigt sich zwar nach außen zuversichtlich. Er spricht in einer ersten Erklärung zur Bilanz von Verbesserungen von „Performance und Kostenstruktur im laufenden Geschäftsjahr 2016“, setzt auf den Ausbau der beiden Drehkreuze in Berlin und Düsseldorf, und hofft darauf, dass beim Sprit im laufenden Jahr Einsparungen von 250 Millionen Euro drin sind. Doch ein Ende der Verluste ist nicht absehbar.

Da Hogan und seine Eigentümer Air Berlin nicht Pleite gehen lassen wollen, brauchen sie neue Wege, Geld in das Unternehmen zu pumpen. Eine komplette Übernahme scheidet aus. Laut Luftfahrtrecht dürfen nichteuropäische Anteilseigner eine europäische Fluggesellschaft nicht offen kontrollieren. Schon jetzt sind die Aufsichtsbehörden beim Verbund aus Etihad und Air Berlin recht großzügig, weil sie an einer Pleite und dem Verlust von Tausenden Jobs nicht Schuld sein wollen.

Für weitreichende Unterstützung bleiben nur wenige Möglichkeiten. Bisher setzte Etihad darauf, Töchter der Air Berlin zu einem besonders freundlichen Preis zu übernehmen. So zahlte die Emirats-Linie für das Vielfliegerprogramm Topbonus ein Mehrfaches dessen, was die ganze Airline wert war.

Doch nun gehen den Berlinern die profitablen Töchter aus. Schon länger geprüft wird der Verkauf des Wartungsgeschäfts. „Aber die Air-Berlin-Technik hat wenige Kunden außer der Mutter und tut sich wegen der Überkapazitäten bei den Flugwerften auch schwer, neue zu finden“, heißt es in Branchenkreisen.

Die österreichische Flugtochter Niki loszuwerden, wäre kaum leichter. Zwar verdiente die Wiener Linie lange ganz gut. Doch seit Lufthansa ihren alpenländischen Ableger Austrian Airlines saniert hat, kämpft der wieder um Marktanteile und verdirbt Niki besonders auf den Geschäftsreisestrecken die Preise.

Noch radikaler ist der  Plan, gleich den ganzen Air Berlin-Touristik-Verkehr loszuschlagen. Hier galt der Billigflugriese Easyjet als Interessent. Doch Easyjet-Chefin Carolyn McCall hat abgelehnt. Ihr Unternehmen hat genug eigene Jets bestellt, um aus eigener Kraft zu wachsen.

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Lufthansa Quelle: dpa
Platz 11 - All Nippon Airways (Japan)All Nippon Airways ist die größte Fluggesellschaft Japans und Mitglied der Luftfahrtallianz Star Alliance. Die Flottenstärke beträgt aktuell 213 Flugzeuge. Quelle: dpa
Japan Airlines (JAL) Quelle: REUTERS
Platz 9 - Qantas Airways (Australien)Qantas Airways ist die nationale Fluggesellschaft Australiens und Mitglied der Luftfahrtallianz oneworld. Die Fluggesellschaft wurde 1920 gegründet und verfügt über 118 Flugzeuge. Quelle: REUTERS
Etihad Airways Quelle: AP
Emirates Quelle: REUTERS
Eva Air Quelle: REUTERS

Dann bleibe am Ende wohl nur die ganz radikale Lösung: Die Kooperation mit der Etihad-Beteiligung Alitalia weiter zu vertiefen. Derzeit erproben die beiden Europa-Ableger der Araber Gemeinschaftsflüge: Kunden aus Norditalien sollen am Flughafen in Düsseldorf auf Air-Berlin-Flüge in Richtung Nordamerika umsteigen – Norditalien selbst ist nur schlecht an den Nordatlantik angebunden.

Daraus könnte mehr werden. Diskutiert wird etwa, dass Alitalia immer mehr Verwaltungsarbeiten von Air Berlin übernimmt. Damit würden die defizitären Deutschen zu einer Art Außenstelle, die ihre Jets und Teile des Personals in Rom oder dem Rest Europas anmietet. Das würde für mehr Größe und damit niedrigere Kosten sorgen. Am Ende wäre der Verbund Alitalia/Air Berlin dann zwar auch nicht profitabel. „Aber bei ihrer italienischen Tochter hat Etihad noch deutlich mehr Möglichkeiten, Geld zu schicken“, sagt ein Insider.

Um den Plan umzusetzen, müsste Etihad Air Berlin über kurz oder lang von der Börse nehmen. Das wird sich allein aus rechtlichen Gründen länger hinziehen. Dazu wehrt sich bisher ein Teil der Eigentümer, wie die türkische Esas-Gruppe, die ihr Investment an der Spree wenigstens zum Teil retten will. „Doch ohne ein Gewinnwunder gibt es für Air Berlin nicht viele andere Möglichkeiten“, glaubt ein Insider.

Einer immerhin hätte von dem Umbau sicher einen Vorteil: Air-Berlin-Chef Pichler. „Stefan könnte beim Aushöhlen von Air Berlin dann aussteigen und gälte ohne Gesichtsverlust noch als eine Art Retter“, glaubt ein Vertrauter.

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