Air Berlin und Etihad Der Kampf um den Code

Air Berlin und Etihad können sich freuen. Die umstrittenen Codeshare-Flüge sind nicht mehr akut gefährdet - allerdings auch nicht ganz aus dem Schneider. Was das für Kunden bedeutet und wie sehr es die Airline trifft. Die wichtigsten Antworten zum Luftfahrt-Konflikt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Air Berlin und Etihad: Die beiden Airlines haben eine umstrittene strategische Partnerschaft. Quelle: Presse

Die Erlösung kam in letzter Sekunde. Eigentlich hätten die deutsche Fluglinie Air Berlin und ihr Großaktionär Etihad einen Teil ihrer Gemeinschaftsflüge einstellen sollen. Das Bundesverkehrsministeriums hatte sich gegen die sogenannten Codeshares ausgesprochen. Doch am Donnerstag kassierte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg das Verbot und erlaubte Flüge auf 26 von 31 umstrittenen Strecken - zumindest bis Ende März. Denn, so das Gericht, die geltenden Regelungen im Luftfahrtrecht erlauben Etihad auch Auslandsflüge in mehr Städten als den bislang vier vom Bundesverkehrsministerium genehmigten Orten Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München.

Air-Berlin-Chef Stefan Pichler gibt sich zufrieden: "Wir freuen uns über die Entscheidung und fühlen uns in unserem bisherigen Vorgehen bestätigt", erklärte er. Das Urteil habe Signalwirkung für die Fluggäste und sei ein Sieg für mehr Wettbewerb im deutschen Luftverkehr.

Gelöst ist der Codeshare-Streit allerdings nicht. Er geht nur die in die nächste Runde. Denn Air Berlin und Etihad wollen auch nach dem März alle rund 30 Strecken unbeirrt weiter fliegen und Tickets verkaufen.

Die wichtigsten Fragen zu dem Konflikt, der in den kommenden Wochen mehrere Tausend Passagiere betrifft.

Was sind Codeshares überhaupt?

Gemeinschaftsflüge. Dabei packt eine Fluglinie ihre Flugnummer auf die Verbindung einer anderen. Für die Passagiere heißt das: Am Gate steht ein Air-Berlin-Flieger, obwohl Etihad gebucht war. Auf den Tickets ist das am Hinweis “Operated by …”, also “Durchgeführt von ..” zu erkennen.

Etihad macht das jede Woche bei rund 80 Flügen von Air Berlin. Nun kann die Linie sie als eigene verkaufen. Dazu kommen zig Flüge mit anderen Unternehmen an, denen Etihad auch beteiligt ist. Wer etwa bei Etihad die Strecke Mailand – Mumbai bucht, fliegt wahrscheinlich zuerst mit Alitalia und dann mit Jet Airways aus Indien. Etihad kann das eigene Netz so größer wirken lassen. Das verschafft der Herrscherfamilie von Abu Dhabi als Inhaber ein gewisses Prestige und mehr Kunden – zu vergleichsweise niedrigen Preisen.

Was bedeutet das Urteil von Gestern?

Es gibt den Lagern AirBerlin/Etihad und dem Bundesverkehrsministerium etwa mehr Zeit für eine Lösung. Eine endgültige Entscheidung steht jedoch nach wie vor aus. Denn auch wenn die Richter den Argumenten von Air Berlin und Etihad erstmal gefolgt sind, als strahlende Sieger können sich die Airlines eigentlich nicht fühlen. Zwar preist Etihad das Urteil bereits als "endgültige Entscheidung". Tatsächlich haben die Richter das vorläufige OK erstmal nur verlängert.

Außerdem hat das Gericht ausgerechnet fünf Strecken innerhalb Deutschlands nicht erlaubt. Dabei galten Routen wie Hamburg-Düsseldorf lange als unstrittig.

Damit wird immer klarer: Der Streit braucht keine juristische, sondern endlich eine politische Lösung. Im Klartext: eine Änderung des geltenden Luftfahrtrechts. Sonst wird aus dem inzwischen zwei Jahre alten Konflikt um die Codeshares ein endloser Kampf.

Was bedeutet das mögliche Aus der Gemeinschaftsflüge für Reisende?

Erstmal gar nichts. „Alle Buchungen werden durchgeführt“, versichern Etihad und Air Berlin.  Zum einen soll bis Freitag das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die bisherige Entscheidung überprüfen. Bis dahin gilt: Wer seine Tickets gebucht hat, darf auch fliegen. „Wir stellen keine Türsteher zur Einlasskontrolle an die Flughäfen“, heißt es in Kreisen der Bundesregierung.

Aber auch wenn das höhere Gericht das Verbot bestätigt, werden die Flüge wohl nicht gestoppt. Hilfestellung bekommen die Partner von Juristen wie Joachim Wieland, Rektor der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Für ihn ist auch ein neues Urteil kein Ende. Es gebe dann zwar keine Genehmigung,  "das heißt aber nur, dass es für die Flüge keine Genehmigung gibt. Sie sind deshalb noch nicht verboten", stellte der Verfassungsrechtler gegenüber dem Handelsblatt klar.

Die Chronik von Air Berlin

Im Klartext: Es geht weiter wie bisher. Das wiederum kann kein Land endlos hinnehmen. Sonst könnte Deutschland am Ende bei keinem internationalen Vertrag mehr auf die Einhaltung pochen.

Aber worum geht es in dem Streit überhaupt?

Um die Frage, wo Etihad aus Abu Dhabi in Deutschland landen darf. Nicht-europäische Fluglinien wie Etihad brauchen eine Erlaubnis für ihre Starts und Landungen. Das regelt ein Verkehrsrechtsabkommen zwischen Deutschland als Flugziel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) als Heimat von Etihad aus den neunziger Jahren. Da steht, dass sich Linien aus den Emiraten vier deutsche Städte aussuchen dürfen, die sie mit eigenen Maschinen anfliegen. Für Etihad sind das Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München.

Um auch andere Ziele anzufliegen, nutzt Etihad die Gemeinschaftsflüge mit Air Berlin.

Der Konflikt, die Bedeutung, der Kampf um die Erlaubnis, eine mögliche Lösung

Woran entzündet sich der Konflikt?

An der Formulierung des Vertrags. Die ist leider nicht ganz eindeutig. Im englischen Vertragstext heißt es Codeshare-Angebote seien erlaubt aber "limited to codeshare services only in the Federal Republic of Germany" also begrenzt auf Codeshares in Deutschland. Der Streit geht nun um das Wort „only“ für „nur“. Air Berlin und Etihad beziehen es auf die Gemeinschaftsflüge an sich. Dann dürfte Etihad vier Ziele selbst anfliegen und bei drei weiteren „nur“ ihre Flugnummer auf eine Verbindung von Air Berlin packen.

Das sehen die deutschen Behörden seit 2014 anders. Das „only“, so die Argumentation, beziehe sich auf Deutschland. Damit dürfen Air Berlin und Etihad Gemeinschaftsflüge nur innerhalb Deutschlands zu den vier zulässigen Städten anbieten. Die übrigen Codeshare-Verbindungen seien „durch das aktuelle Luftverkehrsabkommen nicht abgedeckt“.

Wie groß ist die Bedeutung der Codeshares für Air Berlin?

Sie sind wichtig und bringen Geld. Wieviel es ist, hängt davon ab, wen man fragt. Offiziell erklärt Air-Berlin-Chef Stefan Pichler die Flüge zu einer Art Überlebensfrage. Die derzeit 80 Gemeinschaftsflüge verschaffen der angeschlagenen deutschen Fluglinie einen zusätzlichen Umsatz von 140 Millionen Euro im Jahr. Davon ist ein großer Teil Gewinn. Denn die meisten Kunden, die mit Etihad-Ticket bei Air Berlin einsteigen, bringen zusätzliche Einnahmen – ohne die Kosten massiv zu steigern.

Diese Topmanager haben die härtesten Jobs
Stefan Pichler Quelle: Illustration: Bernd Schifferdecker
Lisa Davis Quelle: Illustration: Bernd Schifferdecker
Christian Sewing Quelle: Illustration: Bernd Schifferdecker
Herbert Diess Quelle: Illustration: Bernd Schifferdecker
Oliver Samwer Quelle: Illustration: Bernd Schifferdecker
Per Utnegaard Quelle: Illustration: Bernd Schifferdecker
Monika Heinold und Peter Tschentscher Quelle: Illustration: Bernd Schifferdecker

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Laut Insidern ist der tatsächliche finanzielle Verlust ohne die umstrittenen Codeshares deutlich geringer: etwa 50 Millionen Euro. Denn der Bundesverkehrsminister will schließlich nicht alle 80 Gemeinschaftsflüge verbieten, sondern nur rund 30. Rund 50 Flüge dürften die Partner weiter betreiben. Zudem wäre das Aus für manche Verbindungen nicht direkt ein echter Verlust. Denn darunter sind laut Insidern viele, mit denen die Linie trotz der Etihad-Passagiere draufzahlt.

Warum kämpft Air Berlin dann trotzdem so verbissen um die Erlaubnis?

Für Air Berlin geht es auch darum, Etihad bei Laune zu halten. Die arabische Fluggesellschaft hält 29,2 Prozent der Anteile an der deutschen Linie – und sichert zuletzt mit mehreren Finanzspritzen ihr Überleben.

Die Beteiligungen von Etihad

Dazu übernimmt Etihad für Air Berlin einen Teil der Aufgaben wie das Management des Vielfliegerprogramms und Wartungsarbeiten – dem Vernehmen nach zu einem sehr günstigen Preis, sodass Air Berlin hier möglicherweise Geld spart. Die Funktion als europäischer Zubringer und Streckenerweiterer ist einer der Hauptgründe, warum die deutsche Krisen-Linie für Etihad interessant ist. Büßt Air Berlin diesen Status ein – sieht die Zukunft deutlich düsterer aus.

Warum ist eine Lösung im Codeshare-Konflikt so schwer?

Am einfachsten wäre es, wenn sich die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland auf ein neues Verkehrsrechtsabkommen einigen. Doch die Verhandlungen stocken seit Monaten. Das liegt aus Sicht der Deutschen vor allem an den Emiratis.
Die halten es laut Insidern für unnötig, etwas zu verändern. Für Etihad-Chef-Jurist Jim Callaghan, zeigen „die Bestimmungen des bilateralen Abkommens klar und eindeutig“, dass die Kooperation mit Air Berlin legal ist.

Seine Chefs, inklusive Konzernlenker James Hogan, berufen sich zudem darauf, ihnen habe die Bundesregierung signalisiert, die Beziehung zu Air Berlin nicht anzutasten. Immerhin sind die Emirate ein wichtiger Abnehmer deutscher Industriegütern oder Waffen, wichtige Aktionäre heimischer Firmen und natürlich Partner im Kampf gegen die Terrormiliz IS.
Dazu sind sich die einzelnen Staaten der VAE untereinander nicht einig. Ziel aller Verhandlungen müsste eigentlich eine weitgehende Freigabe des Flugverkehrs zwischen Deutschland und den Golfstaaten sein. Doch das wäre gegen die Interessen
von Etihad. Denn dann dürfte nicht nur auch Etihad über seinen Partner Air Berlin, sondern auch Erzrivale Emirates aus Dubai nach Berlin und Stuttgart fliegen. Das würde die Codeshare-Flüge von Air Berlin und Etihad unrentabler machen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%