Air Berlin und Lufthansa Jetzt geht der Ärger richtig los

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Stabiler Betrieb erst im Sommer erwartet

Und auch danach wird der Betreib noch nicht rund laufen. Während der Übernahme großer Teile der Air Berlin wird die Lufthansa im Betrieb noch mindestens ein halbes Jahr improvisieren müssen. „Wir werden das irgendwie hinbekommen“, sagte Spohr heute. Das werde aber nicht ohne „Ruckeleien“ gehen. Man habe Piloten aus dem Urlaub zurückgeholt und fliege innerhalb Deutschlands auch mit Jumbo-Jets, um alle Passagiere aufnehmen zu können. Einen stabilen Betrieb erwartet er erst in sechs bis neun Monaten.

Die spektakulärsten Airline-Pleiten
Mit Air Berlin hat die zweitgrößte Airline Deutschlands Insolvenz angemeldet. Die Pleite bahnte sich seit längerem an: Das Unternehmen mit rund 8.600 Beschäftigten schrieb seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Mit dem Kredit von 150 Millionen Euro stellt nun der Bund den Flugbetrieb vorerst sicher. Quelle: dpa
Air Berlin ist kein Einzelfall. Die goldenen Zeiten der Luftfahrt sind seit der Liberalisierung des Marktes, die in den 1980er-Jahren einsetzte, vorbei. Seitdem regiert ein knallharter Wettbewerb die Lüfte. Auch die Branchenkrise nach den Anschlägen des 11. September 2001 und das Aufkommen der Billigflieger sorgen dafür, dass viele bekannte Airlines in die Pleite gerutscht sind. Quelle: dpa
Wie kein zweites Unternehmen stand „Pan Am“ für das glamouröse Jet-Zeitalter. 1927 flogen die ersten Postflugzeuge unter dem Namen zwischen Florida und Havanna. Schnell wurde das Unternehmen zu einer der größten US-Fluggesellschaften. Die Airline war eine der ersten, die Interkontinentalflüge anbot, und setzte zahlreiche Standards in der zivilen Luftfahrt. Das blau-weiße „meatball“-Logo von Pan American genießt bis heute Kultstatus. Quelle: imago images
In den 1980er-Jahren begann der Stern von Pan Am zu sinken. Durch die Deregulierung des US-Marktes kamen zahlreiche Konkurrenten auf. 1988 wurde über dem schottischen Lockerbie eine Maschine durch einen Terroranschlag zum Absturz gebracht, was das Vertrauen der Öffentlichkeit erschütterte. 1991 folgte die Übernahme durch Delta Air Lines. Quelle: imago images
Auch TWA gehörte zu den Pionieren der Luftfahrt. Gegründet 1930 als „Transcontinental and Western Air“, machte der exzentrische Milliardär Howard Hughes („The Aviator“) das Unternehmen zur zeitweise größten Airline der Welt. Hinter Pan Am war TWA die inoffiziell zweite Flaggschiff-Gesellschaft der USA. 1985 kaufte der Investor Carl Icahn TWA. Quelle: imago images
In den 1990er-Jahren musste TWA zwei Mal in kurzer Folge Gläubigerschutz beantragen. 1996 starben beim Absturz einer Boeing 747 über dem Atlantik 230 Menschen. Die stark geschrumpfte Airline kam 2001 wieder in finanzielle Schwierigkeiten und wurde von Konkurrent American Airlines übernommen. Quelle: picture alliance
1931 gegründet galt die Airline wegen ihrer finanziellen Stabilität lange als „fliegende Bank“. Aufgrund der politischen Neutralität der Schweiz konnte SwissAir zahlreiche lukrative Ziele in Afrika und im Nahen Osten anfliegen. Quelle: picture alliance

Dazu drohen auch aus anderen Gründen höhere Kosten im Flugbetrieb. Neben dem Risiko, dass sich Mitarbeiter aus den nicht von Lufthansa übernommenen Teilen einklagen, könnte auch der eigentlich überwundene Zwist mit den Gewerkschaften aufbrechen. „Herr Spohr und die Lufthansa eilen von Rekord zu Rekord – und intern werden die Mitarbeiter gegen einander ausgespielt“, klagt ein Gewerkschafter. Dabei verweist er darauf, dass es eben neben Kollegen mit deutschen Verträgen auch welche mit schlechteren Verträgen an günstigeren Standorten wie Österreich oder Mallorca gibt. Und wenn Spohr künftiges Wachstum wie angekündigt vor allem zu den günstigsten Konzerntöchtern packen will, muss er diese Orte ausbauen auf Kosten der deutschen Töchter. „Das werden wir nicht still hinnehmen“, kündigte sagt Nicoley Baublies, Chef der IGL, einer Dachorganisation von drei Gewerkschaften der Flugbranche, bereits mehrfach an.

5. Nachkartende Mitbieter

Neben diesen Problemen droht Spohr noch ein Risiko durch Investoren, die sich beim Bieter-Prozess übergangen fühlen. Sowohl der fränkische Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl als auch Utz Claasen wollen notfalls klagen, wenn ihr Angebot zu Unrecht nicht zum Zuge kam. Dazu könnten sich auch Air-Berlin-Gläubiger melden, die mehr Geld wollen und Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens haben. „Nur weil die Politik das Vorgehen so will, geht das nicht automatisch bei den Gerichten durch“, warnt bereits Sascha Borowski, Kapitalmarktrechtler der Kanzlei Mattil & Kollegen, die viele Anleiheinvestoren von Air Berlin vertritt.

Am Ende schreckt das Spohr nicht ab. Denn er fühlt sich im wachsenden Wettbewerb im europäischen Flugmarkt mit Air Berlin stärker – nicht zuletzt, weil er in lukrativen Flughäfen wie Düsseldorf selbst mit Abstrichen in jedem Fall einen größeren Anteil als zuvor hat. „Egal, wie viel Ärger noch kommt: Ohne Air Berlin hätten wir noch mehr unter den Billigfliegern gelitten“, sagt ein führender Lufthanseat.

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