Air France-KLM Was der Accor-Einstieg bedeutet

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2. Endlich eine Vision

Bazins Job als Vermittler wird leichter, weil er – anders als die bisherigen Air-France-KLM-Chefs – seine Reformvorschläge mit einer positiven Vision verbinden kann. Janaillac und der zwei Jahre zuvor vertriebene Alexandre de Juniac konnten den Beschäftigten als Lohn für deren Opfer mehr bieten als das mögliche Überleben des Unternehmens. „Mit Accor ist ein gewaltiger Schritt nach vorne möglich, der beide Marken auf eine Ebene mit Google oder Amazon bringen könnte“, urteilt Deanna Ting vom US-Internet-Informationsdienst Skift.

Accor hat, anders als Air France-KLM, eine klare Wachstumsstrategie und kennt sich besser als andere damit aus, das Beste auch aus schwierigen internationalen Partnerschaften zu machen. Nicht nur, dass die Verbindungen zu Anteilseignern vor allem aus China extrem profitabel sind. In ihnen ist Accor – anders als Air France in seinem Verbund mit Delta Airlines aus den USA oder China Eastern – mehr als ein besserer Juniorpartner. Das Wissen kann Air France dringend brauchen

Dazu bringt die Verbindung mit Air France Bazin seinem wichtigsten Ziel näher, ein universeller Reiseanbieter zu werden. Das mag Industrieveteranen an Urlaubskonzerne wie TUI oder alte Zeiten erinnern, als alle Fluglinien Hotels besaßen. Doch dieses Mal geht es um mehr. Accor und Air France können nicht nur Kunden des anderen in die eigenen Flugzeuge oder Hotels locken. Wenn beide ihr Kundenwissen und ihre Bonusprogramme vereinen, kennen sie besser als jeder andere die Bedürfnisse der Reisenden und können maßgeschneiderte Angebote machen.

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Das gäbe Accor und Air France einen Vorteil beim wohl wichtigsten Zukunftsthema der Reisebranche: dem Kampf gegen Datenriesen wie Google, Amazon und Booking. Die haben sich bereits einen großen Teil des Hotelgeschäfts gesichert und verdienen hier mehr Geld als Bettenkonzerne wie Accor, Marriott oder Intercontinental. Nun arbeiten sie daran, das im Fluggeschäft zu wiederholen und die Airlines zu einer Art Auftragsflieger zu degradieren. "Vor allem durch ihre über Handys gewonnenen Daten zum Such- und Reiseverhalten wissen sie besser, was sich Reisende wünschen und was sie wofür zahlen", sagt Carsten Schaeffer von der Managementberatung Unex. Das könnte sich jetzt umkehren. Zusammen haben die beiden französischen Unternehmen deutlich bessere Chancen, urteilt Expertin Ting.

3. Eine freundliche Drohung

Neben der Aussicht auf Wachstum erleichtert die Verbindung auch den Druck auf die Belegschaft bei Air France. Mit dem Einstieg der Hoteliers steigt der französische Staat als Aktionär aus. Das beendet eine alte, gefährliche Illusion. „Ein großer Teil der Belegschaft glaubt bislang, sie müssen sich nicht ändern, weil ihnen der Staat das schlimmste erspart“, so ein Insider.

Die Hoffnung war bisher berechtigt. Zwar hat auch das Air-France-Management spätestens seit dem Beginn der Finanzkrise in 2008 das Unternehmen renovieren wollen. Doch dabei ist ihnen der Staat immer wieder in den Rücken gefallen. So machte die französische Regierung es de Juniac beim Amtsantritt 2011 zwar zur Aufgabe, die Firma umzubauen und die streikfreudigen Piloten zu zähmen. Doch dann zwang sie ihn 2016 um des lieben Friedens willen zu Kompromissen gegenüber dem Cockpit-Personal – und damit zum Rücktritt.

von Simon Book, Karin Finkenzeller, Rüdiger Kiani-Kreß

Solche staatlichen Eingriffe kann Bazin als Chef eines börsennotierten Unternehmens leichter abwehren. Dazu kann er leichter seine Anteile verkaufen oder gar wieder ganz auszusteigen, wenn die Air-France-Belegschaft sich den Reformen weiterhin verweigert. Denn selbst wenn der französische Staat im Gegenzug für seinen Rettungsbeitrag bei Air France einen Anteil an Accor übernimmt, sinkt der Staatseinfluss bei Air France. „Anders als bei einem Einstieg durch ein vom Staat abhängiges Unternehmen wie Thales oder gar der Staatsbahn, muss Bazin auch keinen großen Druck fürchten“, so ein Kenner der französischen Politik.

Im Gegenteil. Eigentlich muss die französische Regierung Bazin erst einmal dankbar sein, weil Bazin ihr ein Dilemma erspart. Ohne Reformen könnte Air France bald neues Geld oder gar Staatshilfe brauchen. Das wäre nicht nur eine Blamage für Präsident Emmanuel Macron und seinen marktwirtschaftlichen Reformkurs. Die Hilfe würde gegen die EU-Regeln zur Subvention verstoßen. Das gäbe dann peinlichen Ärger mit der EU sowie Staaten wie Polen, die ihre Airlines nur unter strengsten Auflagen helfen durften.

Darum scheint zumindest KLM-Chef Elbers bereits an den Wandel zu glauben. „Pieter wirkte heute Morgen doch ein wenig erleichtert“, berichtet ein Manager aus der Branche.

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