Air France-KLM Das Wunder von Paris

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Die neuen Köpfe

Auch der Rückhalt der Investoren schwand spürbar, als Smith im Frühjahr den ersten Teil seins Reformprogramms vorstellte. Er verkündete fast keine Änderungen am schwächelnden Geschäftsmodell von Air France, der Gegensatz zwischen französischer und niederländischer Seite wuchs und beim Weg zu schlankeren Strukturen beschränkte er sich auf den Abbau von kaum einem halben Prozent der Stellen. „Am Ende könnte die Air-France-Gruppe als eine Art Nischen-Spieler enden, selbst in ihren Heimatmärkten Frankreich und Niederlande“, unkte Daniel Roeska, Analyst beim New Yorker Brokerhaus Bernstein seinerzeit.

Davon ist nun erstmal keine Rede mehr. „Wir haben jetzt eine positive Sicht“, urteilt nun HSBC-Analyst Andres Lobbenberg. Der Grund für den Sinneswandel ist zunächst nicht ganz leicht zu erkennen. Dafür sorgt nicht zuletzt Smith selbst. Zwar erklärten er und sein Vorstand Anfang des Monats auf einem Investorentreffen seine Vorhaben mit einer gut 140 Seiten dicken Power-Point-Präsentation. Doch in vielem blieb Smith so blass wie Anfang der Woche in Berlin bei seinem lange erwarteten, ersten größeren Auftritt außerhalb der Heimatländer von Air France-KLM. „Wir besinnen uns auf unsere Stärken“, erklärte er seinen aus ganz Europa angereisten Branchenkollegen in der Konferenzetage mit Blick auf die Berliner Spielbank am Potsdamer Platz. Und als Details nannte Smith kaum mehr als Gemeinplätze wie Digitalisierung, einen besseren Service und niedrigere Kosten vor allem dank einer einheitlicheren Flotte ohne das bisherige Flaggschiff Airbus A380. Dann gab es noch Management-Standards wie das Lob der eigenen Belegschaft mit ihrer „unglaublichen Kompetenz“ oder „dem Stolz auf ihre Arbeit.“

Belegschaft zieht mit

Tatsächlich hat Smith mehr zu bieten. Als erstes hat er in beharrlicher Arbeit den bei Air France selbst für französische Verhältnisse extremen Gegensatz zwischen Belegschaft und Management gemildert. Smith feuerte den damaligen Markenchef von Air France und übernahm selbst den Job. Der Personalvorstand musste dem als „Superverhandler“ angepriesenen Vertrauten Oltion Carkaxhija weichen. „Es brauchte neue Köpfe um das zerstörte Vertrauen aufzubauen“, kommentiert ein Insider die Taktik. Dazu gehörte auch, dass Smith die Belegschaft überzeugte, die intern als „Feinde von Air France“ bezeichneten, besonders hart auftretenden Arbeitnehmervertreter in die Wüste zu schicken.

Bereits nach sechs Wochen von Smith teilweise persönlich geführten Verhandlungen gab es die ersten Tarif-Abschlüsse, denen bis heute nicht weniger als gut 60 weitere Einigungen folgten. Damit erreichte Smith nicht nur sinkende Arbeitskosten. Vielmehr schaffte er für das Unternehmens bessere Bedingungen als in jenem Plan, für den sein Vorgänger Jean-Marc Janaillac von den Arbeitnehmern de facto aus dem Amt gejagt wurde. Die Gewerkschaften erlaubten nun auch, dass Air France die Billigtochter Transavia unbegrenzt ausbauen darf. Und das auch auf Kosten der Hauptmarke.

Die so gewonnene Flexibilität nutzt Smith nun zunehmend, um den Flugplan auszumisten. So fliegen seine Jets künftig weniger innerhalb von Frankreich, sondern mehr von anderen Orten nach Paris. Dabei sollen sie vor allem mehr Besucher in die Metropole holen. Vorbild ist der Auftritt vor allem in Japan, wo Air France mit ihrem Fokus auf französische Lebensart überdurchschnittlichen Erfolg hat. Beim meist weniger lukrativen Drehkreuzverkehr in alle Welt soll künftig weiterhin die niederländische Konzerntochter KLM in Amsterdam wachsen. Aber sie soll künftig auf höhere Erträge setzen.

von Rüdiger Kiani-Kreß, Christian Schlesiger

Als dieses Projekt angelaufen war, widmete sich Smith der Vereinfachung im Betrieb. Künftig nutzen Air France und KLM deutlich weniger Flugzeugmuster, was bei Flugabsagen einen Austausch der Maschinen erlaubt, ohne aufwändige Reserven vorzuhalten. Noch in diesem Jahr soll eine neue Flugzeugbestellung folgen, nach der die drei Konzernlinien erstmals auch gleiche Flugzeugmuster nutzen sollen, was die Kosten weiter senkt.

Dass die Umbauten Air France-KLM retten, ist für Smith ausgemachte Sache. „Wir werden wieder zur führenden Linie in Europa“, verkündete er jüngst auf einem Treffen mit rund 150 Investoren und Analysten.

Die Geldgeber sind freilich noch skeptisch. Denn obwohl Smith eine Verdopplung des Gewinns in weniger als fünf Jahren versprach, sackte erstmal der Aktienkurs. Dafür sorgte vor allem die Furcht, dass Smith trotz aller Fortschritte am Ende doch zu abhängig von der Belegschaft bleibt. „Der Umbau könnte scheitern, falls die Gewerkschaften Ergebnissteigerungen zu höheren Forderungen nutzen“, so Analyst Roeska.

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