Airbnb Vom Zimmervermittler zum Städteführer

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Gegenwind auch in Deutschland

Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau will die Spekulation mit Wohnraum nicht länger hinnehmen. Die linke Politikerin hält sich nicht mit dem Kleinkrieg gegen Kurzzeit-Vermieter auf, die keine Lizenz besitzen und keine Steuern zahlen, sondern zielt gleich auf die aus ihrer Sicht eigentlich Schuldigen. Schon im Dezember hatte sie mit einem Bußgeld von 30 000 Euro einen Warnschuss gegen Airbnb und dessen zu Expedia gehörenden Konkurrenten Homeaway abgefeuert. Nun hat sie mit 600 000 Euro Strafe den Einsatz beträchtlich erhöht. Dass die US-Portale den Tourismus in ihrer Stadt schließlich fördern, will die 42-Jährige nicht als Argument gelten lassen. Man sehe den Tourismus zwar positiv, „aber er darf nicht das Grundrecht auf eine Wohnung verletzen“, empört sich die ehemalige Hausbesetzerin.

In Berlin stehen die Zeichen schon länger auf Konfrontation. Erlaubt ist in der deutschen Hauptstadt nur noch das Vermieten von Zimmern, wenn der Anbieter selber in der Wohnung lebt und diese zu mehr als 50 Prozent nutzt, eigentlich der Urgedanke von Airbnb. Doch mit dem Vermieten von kompletten Wohnungen an Touristen ist seit Mai endgültig Schluss. Seitdem wird das bereits seit über zwei Jahre geltende Zweckentfremdungsverbot auch durchgesetzt. Ausnahmegenehmigungen gibt es nur in der Theorie. Genauso wie die Bußgelder von bis zu 100 000 Euro, denn die Stadt hat nicht genügend Fahnder, um diese wasserdicht untermauern zu können. Seit jedoch das Berliner Verwaltungsgericht im August entschied, dass Zweitwohnungen sehr wohl als Ferienwohnungen vermietet werden dürfen, herrscht Konfusion. „Das Gesetz ist intransparent und schadet dem Image von Berlin als Weltstadt“, beklagt Airbnb- Deutschlandchef Alexander Schwarz. Entzug von Wohnraum sieht er nur bei ganz wenigen schwarzen Schafen im Promillebereich. Die meisten Anbieter würden ihre Wohnung ohnehin nur ausnahmsweise vollständig vermieten, beispielsweise wenn sie in den Urlaub fahren.

Der ehemalige PayPal-Manager würde sich ein liberales Modell wie Hamburg wünschen, wo die eigene Wohnung bis zu 180 Tage im Jahr vermietet werden darf. „Wir brauchen da zeitgemäße Regelungen“, fordert er. Ein frommer Wunsch, der ihm im Bundestagswahlkampf mit Sicherheit nicht erfüllt wird. Auf dem jüngsten Branchentag des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) teilte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kräftig gegen Airbnb und Co. aus, beklagte deren unlautere Konkurrenz durch das Unterwandern von Steuern. Dass „die ausbilden, habe ich bislang auch noch nicht gehört“, lästerte Gabriel.

Es ist ein selbstverstärkender Kreislauf: Weiterempfehlungen durch Kunden sind ein mächtiges Marketinginstrument. Reiseanbieter sind im Weiterempfehlungs-Ranking in Deutschland besonders häufig zu finden.
von Holger Geißler

Zurück in Los Angeles, setzt Chris Lehane auf Entspannung. Der ehemalige Berater von Expräsident Bill Clinton gilt als Geheimwaffe, als einer der besten Experten für Krisen-PR. Der 49-jährige Harvard-Jurist hat das Talent unbequeme Fragen so zu parieren, dass bei der Antwort alle Optionen offen bleiben. Bei den Steuern ist das seit Jüngstem nicht mehr der Fall. „Lest es von meinen Lippen ab – besteuert uns“, schmettert Lehane.

Menschen statt Roboter

Und seinem Chef Chesky scheint es ernst. 200 Vereinbarungen hat dieser bereits mit Städten weltweit geschlossen. So wie in Chicago, wo Airbnb die Steuern von Vermietern einsammelt und weiterreicht. Lehane hat schon ausgerechnet, dass Airbnb in den nächsten zehn Jahren so mindestens zwei Milliarden Dollar eintreiben könnte. Dass dies eine Milchmädchenrechnung sei, weil das Geld ohnehin den Kommunen zustehe, will er nicht akzeptieren. Denn Airbnb sorge für mehr Nachfrage, weil viele Leute nun reisen würden, die sich das früher nicht leisten konnten. Ähnlich begründet Uber, der andere Gigant, der sich die vermeintliche Sharing Economy auf die Fahnen geschrieben hat, seine günstigen Taxipreise.

Vorsorglich stellt Lehane jedoch schon eine eigene Graswurzelbewegung auf. Schließlich hätten „sich die Städte und die Räuberbarone einst auch gegen die Elektrifizierung gewehrt“. 109 Clubs von Airbnb-Gastgebern und -Fans unterstützt das Unternehmen, jüngst wurde auch eine Kolonne in Berlin gegründet.

Wie die Welt Urlaub macht
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Sommercamps in den USA Quelle: dpa
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Tschechen fahren nach Kroatien Quelle: dpa

Von Kalifornien aus werden sie mit Argumenten für die Überzeugungsarbeit gegen die Hotellobby beliefert. Etwa als Kämpfer gegen die Altersarmut, weil Frauen über 60 Jahre die am schnellsten wachsende Gruppe unter den Gastgebern seien und so im Schnitt 8300 Dollar dazuverdienen würden. Oder dass 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA in den nächsten 20 Jahren der Automatisierung zum Opfer fallen könnten und man so mehr Servicejobs à la Airbnb benötige.

Auch Chesky, der Sohn zweier Sozialarbeiter, ist fest davon überzeugt, dass seine Plattform die Mittelschicht zusammenhält und nicht spaltet. Ohne Menschen und deren Talent könne Airbnb nicht funktionieren. „Alles wird von Menschen gemacht, die eigentliche Magie liegt in ihnen“, schwört er vor seinen Fans in Los Angeles. Auch Politiker sind Menschen. Es mag ihnen zunehmend an der Magie fehlen. Dafür haben sie Macht. Und die richtet sich momentan eher gegen Airbnb.

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