Airbus, Boeing und Co. Harte Landung für die Flugzeugbauer in China

Die kriselnde chinesische Wirtschaft setzt die Businessjet-Branche unter Druck. Chinas Millionäre sind verunsichert, die Investitionen in Unternehmensflotten schrumpfen. Was das für Airbus und Co. bedeutet.

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Privatjet-Branche im Zeichen der Krise Quelle: PR

Gulfstream, Airbus, Boeing: Einmal im Jahr kommen die großen Flugzeugbauer nach Shanghai, um dort ihre neuesten Businessjets zu präsentieren. Millionäre, Geschäftsmänner und Schaulustige drängen sich dann über den Hongqiao-Flughafen im Westen der Metropole.

Die Asian Business Aviation Conference & Exhibition ist die größte Privatjet-Messe im asiatisch-pazifischen Raum. Kriselt es in der Branche, dann kriselt es hier.

Rund 10.000 Gäste kommen jedes Jahr. Darunter Flugzeugbauer, Branchenkenner und Interessierte aus 51 Ländern. In den vergangenen Jahren wuchs das Geschäft mit den Businessfliegern in China um bis zu 20 Prozent pro Jahr. Die Unternehmen investierten Milliarden in ihre Standorte, Service-Center und Produktionsstätten, um auf dem Riesenmarkt ganz vorne mit dabei zu sein. Doch nun bleiben neue Bestellungen aus.

Privatjet-Branche im Zeichen der Krise
Airbus Quelle: PR
Insgesamt 1200 Airbus-Flugzeuge fliegen in China, Hongkong und Macau. 20 davon sind Business-Jets. 180 Luxusmaschinen des europäischen Flugzeugbauers sind weltweit unterwegs. Sie sollen Unternehmen zu ihren Geschäftspartnern bringen und Superreichen das Reisen versüßen. Weit abseits der Economy-Class. Bild: Airbus Quelle: PR
Bis 2018 kommen eine Reihe neuer Modelle des Flugzeugbauers auf den Markt. Maschinen wie die ACJ319neo können bis zu 12.500 Kilometer ohne Zwischenstopp fliegen. Zum Beispiel von San Francisco nach Peking. Bild: Airbus Quelle: PR
Hersteller von Business-Jets werben damit, dass die Privatjets ihre Besitzer überall hinbringen. Auch an entlegene Orte wie die Antarktis. Hier zum Beispiel zur US-amerikanische McMurdo-Station, der größten Forschungsstation des Kontinents.  Bild: Airbus Quelle: PR
Auch für den US-amerikanischen Flugzeugbauer Boeing ist der chinesische Markt wichtig. Dort fliegen aktuell 21 Business-Jets des größten Flugzeug-Herstellers der Welt – drei weitere sind bestellt. Seit 20 Jahren ist der Flugzeugbauer im Privatjet-Bereich unterwegs. Seit 1996 konnte er 238 Flugzeuge dieser Art weltweit verkaufen. Bild: Boeing Quelle: PR
Luxus oder Arbeit: Je nach den Wünschen des Kunden richten die Hersteller die Flugzeugkabinen ein. In den meisten können die Firmen in separaten Räumen Meetings abhalten und sich auf Termine vorbereiten. Privatpersonen können aus ihren Flugzeugen aber auch kleine Wohlfühl-Oasen machen. Quelle: Boeing Quelle: PR
Der US-amerikanische Flugzeugbauer Gulfstream hat bisher 2500 Flugzeuge an Unternehmen, Privatbesitzer und Regierungen geliefert. Allein 154 im vergangenen Jahr. Besonders erfolgreich ist das Modell G550 (im Bild). Gebraucht gibt es das so ab 20,5 Millionen US-Dollar. Bild: Gulfstream Quelle: PR

Dass dieses Jahr nicht leicht werden wird, sagt Jeffrey C. Lowe, Geschäftsführer der Beratungsfirma Asian Sky Group. Das Unternehmen gibt jedes Jahr einen Bericht über die Lage auf dem Markt von Business-Jets heraus. Dafür sprechen Lowe und seine Kollegen mit den Flugzeugbauern, Käufern und Flughäfen der Region. „Wirtschaftliche Unsicherheiten sind der Hauptgrund, warum im Moment nicht so viele Flugzeuge gekauft werden“, sagt Lowe.

Die chinesische Konjunktur hat sich im vergangenen Jahr deutlich abgekühlt. Überkapazitäten in den traditionellen Industrien wie Kohle und Stahl, das Beben an der Börse, steigende Schulden: Chinas Wirtschaft ist in einer Übergangsphase und Strukturprobleme lähmen sie. „2016 erreichen wir einen neuen Tiefstand“, ist sich Lowe sicher. Interessenten würden aktuell lieber abwarten, wie sich die Situation entwickelt.

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Wichtiger chinesischer Markt

China ist der wichtigste Markt für Business-Jets im asiatisch-pazifischen Raum. Rund 300 Flieger sind hier in chinesischem Besitz. Die wichtigsten Flugzeugbauer sind Bombardier mit 27 Prozent Marktanteil, Gulfstream mit 23 Prozent und Cessna mit 19 Prozent. Während die Branche in den vergangenen zehn Jahren durchgehend Wachstumszahlen im zweistelligen Bereich vorweisen konnten, waren es 2015 nur 3,8 Prozent.

Die Verkaufszahlen von neuen Maschinen brachen sogar um 42 Prozent ein. Es wechselten zwar mehr gebrauchte Maschinen den Besitzer. Aber auch das kann die Stimmung bei den Flugzeugbauern nicht heben.

Die Nebeneinkünfte der Airlines abseits des Ticketverkaufs

Angespannte Stimmung auch bei Airbus Corporate Jets (ACJ). Zwar konnte das europäische Unternehmen im vergangenen Jahr zehn Flugzeuge weltweit verkaufen. Über Zahlen und Wachstumsprognosen in China will man aber lieber nicht sprechen: „Wir betrachten den Markt eher langfristig als von einem auf das andere Jahr“, sagt Chadi Saade, Vizepräsident Commercial bei ACJ.

Wie viele Pressekonferenzen auf der Messe verläuft die von Airbus in zerknirschter Stimmung. Die Flugzeuge seien die besten, die Ausstattung luxuriös und die Technik hochmodern – nur kaufen will sie im Moment eben niemand.

Anti-Korruptionskampagne lässt Nachfrage sinken

In China kommt neben der angespannten wirtschaftlichen Lage noch eine weitere Wachstumsbremse dazu: „die Meinung der Öffentlichkeit und der Politik“, wie es Lowe ausdrückt. Hinter dieser sperrigen Formulierung steckt die Anti-Korruptionskampagne von Staatspräsident Xi Jinping, die seit 2012 hunderttausende Kadermitglieder den Job gekostet hat. „Die Nachfrage ist seit Xi Jinpings Machtantritt deutlich gesunken“, so Lowe.

Viele Unternehmer fürchten, durch den Kauf eines Luxusfliegers in den Fokus der chinesischen Sittenwächter zu geraten. Genug Geld für einen Luxusflieger zu haben macht verdächtig in China. Korrupt hin oder her, viele Interessen verschieben ihre Kaufpläne lieber auf ungewisse Zeit. Flugzeug-Besitzer wiederum versuchen die Maschinen los zu werden, so dass im vergangenen Jahr allein 38 Maschinen aus der Region verkauft wurden.

Für Lowe ist das ein großes Missverständnis. Denn Privatjets sind seiner Meinung nach nicht automatisch Vehikel für zwielichtige Gestalten und ihre Badeausflüge auf die kanadischen Inseln. „Business-Flüge sind wichtiger Bestandteil für Unternehmen“, sagt er. „Die meisten Käufer in China sind mittlerweile Unternehmer mit Geschäften in Asien und weltweit.

Die beliebtesten Business-Flugzeuge Europas
Auf der Paris Airshow 2001 feierte die französische Antwort auf die Gulfstream G550 ihre Premiere. Der Jet ist das größte, schnellste und reichweitenstärkste Privatflugzeug des französischen Luftfahrtkonzerns Dassault. 2014 legte die Falcon F7X kräftig zu und verzeichnete 12,8 Prozent mehr Starts in Europa. Quelle: Die Rangliste basiert auf Angaben von WINGX Advance. Das Marktforschungsinstitut hat dafür die Daten der europäischen Luftverkehrskontrolle Eurocontrol für 2014 ausgewertet. Quelle: PR
Die kleinere Maschine der Challenger-Reihe von Bombardier hatte ihren Jungfernflug ebenfalls 2001. Die Kanadier wollen als Nachfolger die Challenger 350 auf den Markt bringen. Doch noch läuft es für die Challenger 300: Die Abflüge stiegen um 1,7 Prozent. Quelle: PR
Die Global-Serie von Bombardier setzt insbesondere in der Reichweite Maßstäbe. Je nach Ausführung können die Maschinen zwischen 9630 und 14.631 Kilometer weit fliegen. 2014 gab es 9,4 Prozent mehr Starts in Europa. Quelle: PR
Die Gulfstream G500 des gleichnamigen US-Herstellers und das Vorgängermodell liegen ebenfalls im Trend. 2014 nahm die Zahl der Abflüge um 2,7 Prozent zu. Die G500 überzeugt vor allem durch ihre Reichweite von mehr als 9000 Kilometern. Quelle: PR
Bereits seit Mitte der 80er-Jahre ist die Falcon 900 im Einsatz. Der dreistrahlige Dassault-Flieger war 2014 allerdings auf dem absteigenden Ast: Der Jet verzeichnete 4,4 Prozent weniger Abflüge in Europa. Quelle: PR
Der Flugzeugbauer Cessna ist gleich fünfmal in den Top 10 der Business-Flugzeuge in Europa vertreten. Den Anfang macht die Citation II. Zusammen mit ihrem Nachfolgemodell Citation Bravo verlor der zweistrahlige Jet aber 9,4 Prozent aller Abflüge. Die Citation II ging Ende der 70er-Jahre erstmals in die Luft. Quelle: PR
Im Jahr 1978 schickte Bombardier die erste Version des zweistrahligen Jets an den Start. Seitdem hat sich die Challenger zu einem der beliebtesten Privatjets gemausert. Zusammen gab es für die Flugzeuge der 600er-Reihe 2014 allerdings Einbußen – die Starts gingen um 4,2 Prozent zurück. Quelle: PR

Deshalb kritisiert der Berater auch die aktuelle Politik Pekings scharf. Denn diese erhebt rund 23 Prozent Steuern auf die Luxusflieger. „Das ist eine große Belastung für den Markt“, sagt Lowe. Dabei sei ein Privatjet aus seiner Sicht ein Geschäftsvorteil, kein Luxus. Die Zentralregierung wolle, dass die Unternehmen in China wachsen, international expandieren und neue Jobs schaffen. Gleichzeitig erhebe sie aber so hohe Steuern auf Flugzeuge, dass Firmen sich den Kauf nicht leisten können. „Das passt nicht zusammen und wird und muss sich ändern“ sagt Lowe.

Mehr Flughäfen, besserer Service

Das sieht auch Ed Bolen so. Der Geschäftsführer des US-amerikanischen Interessenverbandes National Business Aviation Association, der unter anderem die Messe in Shanghai mitorganisiert, sieht einen gewaltigen Bedarf für Business-Flüge. „Die Flugstunden und die Einsätze von Business-Jets steigen trotz Krise“, sagt er. Das sei ein Beleg für den Bedarf der Flugzeuge. Er hält die aktuelle Phase deshalb nun für den richtigen Zeitpunkt, die Infrastruktur für Business-Jets auszubauen.

Das bedeutet unter anderem mehr Flughäfen und besseren Service. „China ist ein sehr junger Markt, der sich noch entwickeln muss“, sagt Bolen. Tatsächlich kommt laut der New York Times in China auf 100 Milliarden US-Dollar Bruttoinlandsprodukt schätzungsweise nur vier Business-Maschinen. In Afrika sind es im Schnitt 23, in Latein-Amerika 42 und in Nordamerika sogar 69.

Lowe bleibt allerdings verhalten. „Nach dem hohen Wachstum in den vergangenen Jahren muss sich der Markt nun erst einmal konsolidieren“, glaubt er. Mit einer Besserung rechnet er vor 2018 nicht.

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