Um Airbus-Chef Tom Enders zu erfreuen, brauchte es lange Zeit nur zwei Dinge: ein Tegernseer Hell genanntes obergäriges Bier des Herzoglich Bayerischen Brauhauses seiner Wahlheimat Tegernsee oder den Mittelstreckenjet A320neo.
Denn die Jet-Familie mit bis zu gut 230 Sitzen hat - anders als der Militärtransporter A400M oder Superjumbo A380 - Bestellungen im Wert von fast 230 Milliarden Euro eingebracht, selbst nach Abzug der üblichen Rabatte.
„Wenn nur alle unsere Jets so gut wären“, seufzte Enders, als er im Februar die Bilanz für 2016 vorstellte.
Aufträge von Airbus und Boeing im Vergleich
Airbus: 1.139
Boeing: 878
Anzahl der bei Airbus und Boeing bestellten Flugzeuge bis 2015 (Bruttobestellungen)
Quelle: Statista
Airbus: 1.796
Boeing: 1.550
Airbus: 914
Boeing: 1.339
Airbus: 644
Boeing: 625
Airbus: 900
Boeing: 600
Airbus: 824
Boeing: 1.007
„Dann wäre Airbus allerdings bald in ärgster Bedrängnis“, vervollständigt ein intimer Kenner des Unternehmens Enders‘ Satz jetzt. Weil die Produktion des Bestsellers stockt, hat das Vorzeigeflugzeug das Zeug, eine millionenschwere Belastung zu werden.
Grund ist einer der beiden neuen besonders sparsamen Triebwerkstypen, der vom US-Hersteller Pratt & Whitney gebaut wird und an dem auch die Münchner MTU beteiligt ist.
Auch 15 Monate nach der ersten Auslieferung plagen den GTF genannten Antrieb technische Probleme. Die Zeit zum Starten der Motoren ist mit dreieinhalb Minuten immer noch mindestens eine Minute länger als bei herkömmlichen Modellen – und insbesondere bei der anderen A320neo-Turbine, den der US-Technologieriese General Electric (GE) und der französische Safran-Konzern bauen. Auch das Abkühlen dauert derzeit noch länger als zugesagt. Darum müssen die Fluglinien längere Standzeiten am Airport einplanen, was ihre Flugpläne durcheinanderbringe und pro Minute im Schnitt mehr als 100 Euro kostet. Sonst besteht das Risiko, dass sich die zentrale mechanische Welle im Triebwerk verzieht und der Motor ganz ausfällt.
Wiwo-Ranking: Die beliebtesten Fluggesellschaften 2015
Für das Mittelständler-Ranking der WiWo wurden 5142 Entscheider, Einkäufer und Nutzer befragt. Dabei standen 192 Anbieter aus 20 Branchen zur Wahl. Abstimmen durfte nur, wer im vergangenen Jahr tatsächlich Kunde war.
Der angegebene Wert eines Unternehmens ist ein Index-Wert auf einer Skala von 0 bis 100. Der Index-Wert ergibt sich aus zwei Mittelwerten: zum einen der Mittelwert für die Kundenzufriedenheit insgesamt und zum anderen der Mittelwert der Zufriedenheiten mehrere Leistungsmerkmale (Qualität von Produkten und Leistungen, Beratungsleistung, Betreuungsleistung, Preis-Leistungs-Verhältnis, Servicequalität, Informationen und Kompetente Mitarbeiter).
Je höher der Index-Wert ist, desto zufriedener sind die Mittelständler mit dem Dienstleister insgesamt und desto mehr stimmen sie zu, dass der Dienstleister über eine hohe Produktqualität, eine gute Beratungsleistung etc. verfügt.
Quelle: WirtschaftsWoche/Service-Value 2015
Alitalia
Gesamtindex: 59,2
Air France
Gesamtindex: 64,3
Germanwings/ Eurowings
Gesamtindex: 66,3
British Airways
Gesamtindex: 68,3
KLM
Gesamtindex: 68,5
Airberlin
Gesamtindex: 69,0
Delta
Gesamtindex: 73,7
Lufthansa
Gesamtindex: 76,1
Emirates
Gesamtindex: 79,6
Da tröstet es die meisten Linien nur wenig, dass die Motoren wie versprochen rund 15 Prozent weniger Sprit auf kurzen Strecken verbrauchen und bis zu 19 Prozent auf längere Routen. Stattdessen verlangen alle Nachbesserungen. Einige Gesellschaften wie Qatar Airways verweigern komplett die Abnahme.
Das sichtbarste Zeichen des Problems: „Wir zählen immer noch bis zu acht unfertige Flugzeuge allein auf dem Werkflughafen in Hamburg“, so ein Insider. Auch auf dem Flughafen am Airbus-Hauptwerk im südfranzösischen Toulouse stehen nach Informationen des amerikanischen Branchenmagazins „Aviation Week“ einige Maschinen für eine längere Zeit ohne Triebwerke auf dem Platz. Airbus bestätigte die Probleme, korrigiert aber die Zahl der betroffenen Flugzeuge auf insgesamt fünf.
Tiefe Löcher in der Konzernkasse
Die ungeplante Standzeit trifft Europas größten Luftfahrtkonzern empfindlich. Weil jeder A320neo im Schnitt zwischen 43 und 45 Millionen Euro Umsatz in die Konzernkasse bringt, parken allein am Südufer der Elbe schon jetzt selbst nach der Airbus-Rechnung gut 200 Millionen Euro verspätete Einnahmen.
Die Probleme mit den Motoren werden Airbus noch eine Weile begleiten. Zwar bietet der Hersteller seinen Kunden Nachrüstsätze an, die das Problem mildern. Doch die haben noch nicht alle eingebaut, weil sie dafür ihre Jets aus dem Betrieb nehmen müssten.
Zudem hat Airbus mit der Lufthansa ein besonderes Abkühlverfahren entwickelt, das zumindest die tote Zeit nach dem Abschalten der Triebwerke nach der Landung deutlich verkürzt. Doch es wird wohl noch mindestens bis zum Ende des Jahres dauern, bis die Pratt&Whitney-Motoren so zuverlässig sind, wie der GE/Safran-Antrieb des A320neo. Qatar Airways verlangt gar, dass in ihre bis zu 46 bestellten A320neos statt der Pratt-Motoren den alternativen GE-Antrieb eingebaut wird. Das würde aufwändige Änderungen nötig machen.
Und das sind nicht die einzigen Schwierigkeiten des GTF. So beklagen mehrere Fluglinien, dass die neuen Triebwerke im Leerlauf zu stark drehen. Dazu sind sie bei widrigem Klima weniger zuverlässig. Bei heißem Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit sowie verschmutzter und salzhaltiger Luft wie sie etwa bei einigen der ersten Kunden wie IndiGo und Go Air aus Indien Alltag sind, tun sich die Motoren schwer und müssen öfter auf Abnutzung kontrolliert werden. Hier arbeitet Airbus zwar an einer Abhilfe. Doch noch hat das Unternehmen offenbar keinen festen Zeitplan beschlossen.
Immerhin eine Sache kann Airbus-Chef Tom Enders beruhigen: Bisher hat außer Qatar Airways noch keine Fluglinie ihren Ärger an die Öffentlichkeit getragen. Stattdessen halten alle still und kassieren lieber von Airbus Entschädigungen. Aus gutem Grund: „Weil die Flugnachfrage unter den Erwartungen liegt und wegen der vergleichsweise niedrigen Ölpreise alte Jets oft sogar billiger fliegen als teuer finanzierte neue Jets, stehen sich viele Kunden am Ende mit ihrer heutigen Flotte finanziell besser“, so der Vorstand einer Fluglinie. „Da lohnt es sich, zu warten.“