Airbus Hauptversammlung Major Toms Lektionen

Tom Enders verlässt das Airbus-Cockpit. Quelle: Airbus

Mit dem Chefwechsel beginnt bei Airbus eine neue Ära. Drei Dinge, die der neue CEO Guillaume Faury von seinem Vorgänger Tom Enders übernehmen sollte. Und drei, die er besser anders macht.

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Steht bei einem großen Industriekonzern ein bedeutender Chefwechsel an, verabschieden sich Aufsichtsgremien gerne mit ein paar ebenso symbolischen wie ergreifenden Gesten. Als der legendäre Lufthansa-Chef Jürgen Weber abtrat, übergab er seinem Nachfolger Wolfgang Mayrhuber zu gefühlvoller Musik das Steuerelement eines Boeing-Flugzeugs.

Wenn am Mittwochmittag nun Tom Enders auf der Hauptversammlung von Airbus den Konzern nach 14 Jahren in Spitzenpositionen verlässt, wird es mit den großen Gefühlen nicht ganz leicht. Der für einen breitbeinigen Auftritt bekannte „Major Tom“ und sein eher sachlicher Nachfolger Guillaume Faury sind bislang nicht durch sichtbare Sentimentalität aufgefallen.

Dabei gäbe es Grund für Freude und Wehmut: Aktienkurs, Umsatz und Gewinn sind bei Airbus auf Rekordhöhe. Was Enders an Problemen erledigen konnte, hat er weitgehend gelöst. Dazu zählt zum Beispiel die Fehlinvestition in den Superjumbo A380. Wird das so weitergehen? „Natürlich sind wir anders“, sagte Enders während eines Abschiedsdinners im Bayrischen Hof über seinen Nachfolger. „Aber Guillaume ist gut vorbereitet. Und darum wird er vieles so lassen wie heute, aber auch vieles anders und besser machen als ich.“

Geäußert hat sich Faury bislang vor allem zu Dingen, die Enders kaum oder gar nicht auf dem Zettel hatte. So beschrieb Faury bei seinem ersten größeren Auftritt im Juni 2018 Pläne, die noch weitgehend Neuland waren: Er schwor Airbus auf eine grundlegende Digitalisierung ein. Wo Enders nur eine Art Startschuss geben konnte, will Faury die ganze Arbeitsweise verändern und damit die Produktion schlanker und flexibler machen.

Ebenso wichtig sind ihm neue Antriebe – vor allem elektrische. „Wer als erstes ein emissionsfreies Verkehrsflugzeug entwickelt, wird den Wettbewerb beherrschen“, lautet seine Zielvorgabe. Dabei setzt Faury nicht allein auf Batterien, sondern auch auf Wasserstoffantriebe und Brennstoffzellen.

Für die Zukunft gibt es aber sechs Themen, bei den Faury von seinem Vorgänger Enders lernen kann – im Guten und im Schlechten.

Lektion 1: Mehr Internationalisierung des Unternehmens

Enders gelang als Airbus-Chef ein Kulturwandel, den selbst seine Fans so nicht erwartet hatten. „Und schon gar nicht in der Zeit“, so ein Vertrauter. Enders minderte den Einfluss der Regierungen aus Deutschland und Frankreich auf den Rang normaler Aktionäre. Dazu setzte er Englisch als Konzernsprache durch und vergrößerte die Zahl der Werke abseits Europas. Schließlich schliff er intern die nationalen Strukturen. Enders löste die nationalen Firmenzentralen in München und Paris auf und stärkte Toulouse als Standort. Dann verschmolz er die Konzernspitze mit der Führung des Zivilfluggeschäfts und gab jedem der vier Landeschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien noch eine konzernweite Aufgabe. „Damit gibt es fast keine nationalen Fürstentümer mehr“, so der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Was der neue Airbus-Chef Faury dringend erledigen muss

An diese Strategie muss Faury anknüpfen. Trotz aller Fortschritte ist die Gefahr einer Re-Nationalisierung nicht gebannt, die Interessen der einzelnen Länder sind weiterhin höchst unterschiedlich. Während in Frankreich die Fliegerei als wichtigste Branche gilt, gerät sie in Deutschland zunehmend in Verruf. „Die militärische Luftfahrt gilt ja ohnehin als unnötig und abstoßend, aber auch die zivile halten immer mehr Menschen trotz aller Fortschritte bei der Umweltbelastung für unmoralisch“, so ein Airbus-Manager. „Wenn der deutsche Staat endgültig die Lust verliert, würde sich Frankreich als Retter die Vormacht im Konzern sichern.“ Das wiederum wäre Gift.

„Wir sind innovativer und stärker, gerade weil wir multinational sind und auch in China, Indien und den USA bei Bevölkerung und Politik als lokales und globales Unternehmen gelten“, mahnt Enders daher.

Lektion 2: Effizienz und Innovation fördern

Weil sich Modelle wie der Superjumbo A380 oder der A330 nur schleppend verkaufen, setzte Enders auf Effizienz und sinkende Produktionskosten. Damit erreichen die Maschinen auch bei kleineren Stückzahlen höhere Gewinne und verdienen schneller ihre Entwicklungskosten. Zugleich forcierte Enders höhere Stückzahlen, weil schlussendlich bei jedem zusätzlich produzierten Exemplar im Schnitt ein wenig mehr Geld in der Kasse bleibt. Zudem trieb er die Innovationen voran.

Hier wird Faury eher noch mehr Gas geben. In der Raumfahrt lernte der lange überlegene Airbus-Konzern bereits, wie schnell Neulinge wie Space X von Elon Musk einen Marktführer ein- und überholen können. Das droht auch im Fluggeschäft.

Zwar tun sich Comac aus China oder die russische Suchoi derzeit noch schwer. Doch das wird sich in spätestens zehn Jahren ändern. Dafür sorgen die hohen Staatshilfen, viele Kooperationspartner im Westen und die Digitalisierung der Fertigung.

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Lektion 3: Das Rüstungsgeschäft stärken

Auch wenn Tom Enders seinen Werdegang bei der Bundeswehr begann und im Airbus-Militärgeschäft fortsetzte, zur Rüstungssparte hatte er immer eine pragmatische Einstellung. Zuerst kürzte er den Bereich und verkaufte weite Teile, weil höhere Verteidigungsausgaben in Europa nicht in Sicht waren. Nachdem in Deutschland und Frankreich im vorigen Jahr ein gemeinsames Luftkampfsystem mit neuen Jets, Drohnen und Satelliten im Wert von gut 100 Milliarden Euro anstießen, gab er wieder Gas.

Hier wird Faury sicher am Ball bleiben. Denn das neue Hoch bei den Verteidigungseinnahmen wirft nicht nur mehr Geld ab. Die Fortschritte aus der Forschung in Bereichen wie autonomes Fliegen werden wie bei Boeing auch das Airbus-Zivilgeschäft voranbringen. Dazu bedeutet mehr Rüstungsgeschäft auch mehr Rückhalt in den europäischen Heimatländern – ohne der Politik zu viel direkten Einfluss zu geben.

Neue Ära: Mit der heutigen Hauptversammlung endet die Amtszeit von Airbus-Vorstandschef Tom Enders (rechts). Enders übergibt den Chefposten an seinen Nachfolger, Guillaume Faury. Quelle: REUTERS

Warnung 1: Um die Kleinigkeiten kümmern

Eine effizientere Konzernstruktur, Ringen mit der Politik oder den Staatsanwälten rund um die laufenden Bestechungsverfahren: Angesichts seiner vielen Baustellen hatte Enders zu viele strategische Fragen auf dem Teller, um sich um alle Details im Konzern zu kümmern. Dazu schraubte er zwei Jahre lang mit dem Verwaltungsrat an einem Komplettumbau des Vorstands. „In einem Unternehmen wie unserem ist man eigentlich nie am Ufern, sondern immer mitten im Fluss“, so Enders.

Faury muss die Rolle eines Strategen deutlich erweitern. „Das Tempo der technologischen und ökonomischen Entwicklung hat gewaltig zugelegt“, resümiert Enders seine Schlussphase als Chef. Soll auch heißen: Sein Nachfolger muss mehr in die Mühe der Ebene. Das ist umso nötiger als mit dem neuen Finanzchef Dominik Asam und dem Produktionsvorstand Michael Schöllhorn zwei zentrale Führungskollegen branchenfremd sind. Sie werden sich erst in die verzwickten Details des Flugzeugbaus einarbeiten müssen.

Warnung 2: Mehr Geld in neue Zivilflugzeuge stecken

Bei allen Neuerungen im Geschäftsmodell hielt sich Enders beim Start neuer Verkehrsflugzeuge extrem zurück. Neu war unter seiner Führung nur die Langstreckenmaschine A350. Beim A320neo und beim A330neo verpasste Airbus etablierten Modellen lediglich neue Motoren. Das war in Enders Zeit auch angemessen. Die teuren Verzögerungen beim A380, beim A350 und beim Militärtransporter A400M kosteten Milliarden und belasteten die Bilanz.

„Es ist jetzt die Zeit zu ernten“, so Enders. Daran will Faury wenig ändern. „Unsere Priorität ist die Verbesserung bestehender Programme“, sagt er.

Doch Faury sollte sich von seinem Vorgänger lösen. Schon jetzt hat Boeing mit der vergleichsweise jungen und neu motorisierten 777X einen weiteren Bestseller, dem die Europäer wenig entgegensetzen können. „Wenn Boeing jetzt noch ein neues Mittelstreckenflugzeug bringt, könnte auch die Cashcow A320 unter Druck geraten“, sagt Richard Aboulafia von der US-Denkfabrik Teal Group.

Auch im Rüstungsbereich ist die Entwicklungspipeline leer: Es fehlen etwa Nachfolger für den Kampfjet Eurofighter und die Hubschrauber Tiger und NH-90.

Warnung 3: Um die Politiker kümmern

Trotz seines politikwissenschaftlichen Hintergrunds tat sich Enders mit den meisten Politikern schwer. Das lag nicht nur daran, dass er sich als Airbus-Chef permanenter Einflussnahmen erwehren musste. So zerschoss ihm die Bundesregierung den Plan mit der britischen BAE einen europäischen Champion der Luftfahrt zu schaffen, der Boeing ebenbürtig ist. Zudem taten Berlin sowie die französische Regierung zu wenig, als ihn Intrigen vor rund zwei Jahren eine Verlängerung seiner Amtszeit kosteten.

Also kokettierte Enders damit, besonders staatsfern sowie begrenzt diplomatisch zu sein. Er ließ sich außerdem vergleichsweise selten in den Hauptstädten seiner Heimatländer sehen. Erst als der Brexit bereits beschlossene Sache war, ging Enders so richtig in die Offensive.

Das dürfte Faury ändern. „Ein Konzernchef muss sich heute weit mehr politisch zeigen und den Kontakt zu den Regierungen halten“, so ein Insider des Berliner Politikbetriebs.

Den Anfang hat Faury bereits gemacht. Seit dem vergangenen Sommer hatte er bereits fast 40 Termine in der deutschen Hauptstadt. „Doch da muss er wie Siemens und Mercedes am Ball bleiben, sonst wird Airbus trotz seiner vielen Heimatländer eher als staatenlos gelten“, so der Politikinsider.

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