




„Jetzt du, Markus“, sagt die Dame im braunen Blazer und geht auf die grob gebastelten Collagen an der Wand des Schulungsraums zu. Sie zeigt auf eine rote Pappe mit der Parole „Let’s Reach For The Stars“. Unter groben Lettern reckt sich eine stilisierte Hand nach fünf ebenso grob geschnittenen fünfzackigen Sternen. „Erzähl uns über dein Bild“, ermuntert die Dame den sportlichen Enddreißiger in der Strickjacke. „Ja“, beginnt der, und nachdem er um Worte gerungen hat, platzt er selig lächelnd heraus „Es zeigt: Wir wollen wirklich die fünf Sterne als Symbol der besten Leistung für unsere Gäste erreichen.“
Der Kurs im idyllisch gelegenen Lufthansa-Schulungs-Center Seeheim am Nordrand des Odenwalds erinnert an eine Weiterbildung für Hotelmitarbeiter oder Privatschulen. Tatsächlich übt hier gut ein Dutzend leitende Flugbegleiter der Lufthansa (LH) im „Service & Hospitality Seminar“, wie sie mithilfe von Inspiration und Übungen den Service bei Europas größter Fluglinie verbessern können.
Das auf den ersten Blick etwas vage Sterne-Symbol bedeutet den größten Kulturwandel in der gut 70-jährigen Geschichte des Unternehmens: weg vom ingenieurgetriebenen Flugzeugbetreiber, hin zum kundenorientierten Wunscherfüller mit Herz. Denn „5 Stars“ ist die Höchstnote in Sachen Service, vergeben wird das Siegel vom wichtigsten Qualitätsprüfer der Flugbranche: Skytrax aus Großbritannien. Ihre Juroren durchleuchten in wochenlangen Blindtests den kompletten Service nach 800 Kriterien. Wenn alles stimmt, gibt es die Höchstnote – sowohl für einzelne Teile wie die Businessclass, aber auch für die ganze Fluglinie.
Was die Lufthansa beim Service verbessern will
Problem: Check-in-Schalter wirken billig, nach der Ankunft oder beim Umsteigen ist die Betreuung dürftig.
Abhilfe: Schönere Schalter, mehr Personal
Problem: Nicht überall können Vielflieger und Gäste der First und Businessclass eine bevorzugte Sicherheitskontrolle nutzen.
Abhilfe: Bald fast überall Fast Lane
Problem: Die Lounges der Businessclass sind oft überfüllt und bieten zu wenig Abwechslung bei der Verpflegung.
Abhilfe: Mehr Auswahl bei den Speisen
Problem: Die Sessel der neuen Businessclass bieten wenig Fußraum, die Fensterplätze keinen freien Zugang zum Gang.
Abhilfe: Nichts geplant
Problem: Es dauert lange, bis das Essen serviert wird, und der Service ist oft unpersönlich.
Abhilfe: Die Flugbegleiter werden besser geschult und von Routinejobs entlastet
Geschafft haben dies bislang nur sieben Airlines aus Asien wie Qatar Airways oder Singapore Airlines, die damit auch reichlich Werbung machen. Nun will ausgerechnet die bei Kunden und Konkurrenten eher für kühle Effizienz denn für Genuss und Herzlichkeit bekannte Kranich-Linie im kommenden Jahr das begehrte Siegel schaffen. „Die erste westliche Fluggesellschaft mit der höchsten Skytrax-Auszeichnung“, umreißt der Vater der Idee das Ziel: der künftige Konzernchef Carsten Spohr. „Wir wollen unseren Platz unter den besten Premium-Carriern der Welt sichern.“
Dafür will der 47-Jährige alle Bereiche eines Lufthansa-Flugs top gestalten: weniger Verspätungen, bessere Technik von der Web-Seite bis zu den Sesseln der neuen Premium Economyclass und dazu Personal, das Kunden mit Einfühlungsvermögen Aha-Erlebnisse an Bord und am Boden beschert. Doch trotz Milliardeninvestitionen ist der Erfolg ungewiss, weil nicht alle Neuerungen glattgelaufen sind und auch fast alle Wettbewerber den Service verbessern.
Carsten Spohr: Pilot und Lufthansa-Kenner
Charismatisch, flugbegeistert und erfahren: Mit Carsten Spohr hat sich die Lufthansa für einen Favoriten auf den Chefposen entschieden. Seine steile Karriere bei der Airline findet so ihre Krönung.
Carsten Spohr wurde 1966 in Wanne-Eickel im nördlichen Ruhrgebiet geboren. Nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur an der Universität Karlsruhe erwarb er die Verkehrspiloten-Lizenz an der Fliegerschule der Lufthansa. Danach absolvierte er das Trainee-Programm bei der Deutschen Aerospace AG.
Mit 27 Jahren kehrte Spohr zu der Airline zurück und schlug dort eine steile Karriere ein: Zunächst übernahm er die Leitung des zentralen Personalmarketings, später arbeitete er sich über verschiedene Funktionen zur Koordination der Regionaltöchter und dem Airline-Bündnis Star Alliance in die Spitze der Kerngesellschaft Lufthansa Passage empor. Zeitweise war er Assistent von Lufthansa-Legende Jürgen Weber.
Als Chef der Frachttochter Lufthansa Cargo lieferte Spohr bis zur Finanzkrise blendende Ergebnisse und zog schließlich 2011 gemeinsam mit dem scheidenden Lufthansa-Chef Christoph Franz in den Konzernvorstand ein. Gemeinsam setzten sie das harte Sparprogramm „Score“ durch.
Anfang Februar 2014 hat die lange Suche nach einem Nachfolger für Christoph Franz ein Ende: Lufthansa will Carsten Spohr zum neuen Vorstandschef machen. Der 47-Jährige galt im Vorfeld schon als Favorit.
Auch wenn seine Beliebtheit in der Belegschaft während der Sanierung abgenommen haben dürfte, gilt der begeisterte Flieger Spohr als charismatischer Gegenpol zu Franz. Dessen kühle, analytische Art verprellte viele Lufthanseaten. Spohr ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Spohrs Wohlfühl-Offensive hat nichts mit der in Airline-Kreisen allgegenwärtigen Lust am Geldausgeben zu tun, wie Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne ihrem künftigen Chef voriges Jahr mal scherzhaft auf einem Vorstands-Grillabend unterstellte. Sie entspringt kühlem Kalkül.
Konkurrenz fliegt billiger
Trotz einer endlosen Kette von Sparprogrammen fliegt Lufthansa zu teuer. Sie gibt sechs Cent aus, um einen Passagier einen Kilometer weit zu fliegen, so eine Studie der Beratung A.T. Kearney. Flugdiscounter Easyjet kommt mit knapp vier, Langstreckenrivale Emirates sogar mit gut drei Cent aus. Bislang konnte Lufthansa das über höhere Preise wettmachen. „Wegen unseres Vielfliegerprogramms oder der kürzeren Reisezeiten in unserem dichten Flugnetz haben die Kunden das akzeptiert – trotz Service-Zumutungen vom oft etwas herrischen Personal bis zum Verzicht auf anderswo übliche Dinge wie flache Betten in der Businessclass“, beschreibt ein Lufthanseat die Einstellung von Spohrs Vorgängern. Doch die Zeiten sind vorbei. Inzwischen bucht die Kundschaft immer öfter Billigflieger und Golflinien, weil sie mit denen selten langsamer, aber fast immer billiger und bequemer reist.
Darum verordnete Spohr mehr Kundendienst und die Losung: „Wir müssen beim Service aus Sicht unserer Kunden zumindest so viel besser sein, wie wir wegen unserer höheren Kosten teurer sein müssen.“