Alba-Chef Axel Schweitzer „China holt auf“

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Schneller Strukturwandel in China

Klingt, als wären die Chinesen dabei, Deutschland in Müllbehandlung den Rang abzulaufen.

Das dauert noch. Aber in der Tat holen sie auf. Der große Vorteil liegt für mich in der Priorisierung durch die chinesische Politik und in der Schnelligkeit der Umsetzung. Anders als bei uns gibt es dort noch keine gewachsenen Strukturen. Aber es gibt den politischen Willen, die Probleme und Herausforderungen anzugehen. So eine Entwicklung wie in China seit 1978 hat es auf der Welt noch nicht gegeben: Die Umweltzustände heute muss man sich teilweise vorstellen wie im Ruhrgebiet der 60er Jahre. Nur, dass China den Strukturwandel wesentlich schneller hinbekommen wird als wir in Deutschland. Das bietet für die deutsche Wirtschaft und Unternehmen wie uns gewaltige Chancen und Möglichkeiten.

Recyclingquoten ausgewählter Länder im Vergleich

Auch ihr neuer Partner wittert offenbar Margen in Deutschland und ist gerade bei ihrem Basketballteam Alba Trikotsponsor geworden.

Die Familie Deng und ihre Firma Techcent haben in Deutschland in den vergangenen Jahren eine dreiviertel Milliarde Euro investiert, sie sind inzwischen die größte deutsch-chinesische Umweltgruppe. Jetzt geht es ihnen darum, sichtbar zu werden, den eigenen Namen bekannt zu machen und sich gesellschaftlich zu engagieren, gerade als Familienunternehmen. Da haben sie gesehen, dass Alba Berlin eine hervorragende Plattform ist, insbesondere auch für den deutsch-chinesischen Austausch.

Liegt darin für Alba denn nicht auch eine Gefahr – durch solche Kooperationen bauen Sie quasi einen neuen heimischen Konkurrenten auf.

Das höre ich oft: China kommt und klaut die Ideen. Aber wenn man mal nach konkreten Beispielen fragt, dann wird es dünn. Dennoch: Hier wie in China gibt es gute, weniger gute und schlechte Unternehmen. Wir haben in den letzten 20 Jahren sehr gute Erfahrungen in China gemacht, in Sachen Zusammenarbeit, Weiterentwicklung der Technologien, Anpassung an den jeweiligen Markt. Im Gegenteil zu vielen anderen teilen wir unsere Technologien mit unseren chinesischen Partnern, passen sie an die Marktgegebenheiten an und rollen sie dann gemeinsam aus in China und anderen Ländern in Asien.

Oder das Problem entsteht erst noch: Die Chinesen formulieren ziemlich offen den Anspruch, technologisch aufzuholen – und auch zu überholen.

Definitiv, das ist kein Geheimnis. Die chinesische Wirtschaft wächst und wird weiter versuchen, mehr Wertschöpfung zu generieren. Und zwar nicht nur für sich, sondern für den gesamten asiatischen Bereich. Aus deutscher Sicht ist es einfach: Es wird ja niemand gezwungen, daran teilzunehmen. Aber für uns sehen wir eine Chance darin, Technologien weiterzuentwickeln. Damit schaffen wir ja auch in Deutschland Arbeitsplätze. Das wird häufig unterschätzt.

So produzieren wir weniger Müll
Wie viel Müll produzieren die Deutschen?Jedes Jahr fallen in der Bundesrepublik 350 Millionen Tonnen Abfall an. 17,8 Millionen davon sind Verpackungsmüll, die Menge ist seit 1996 um mehr als 30 Prozent angewachsen. Rund 8,3 Millionen Tonnen, also fast die Hälfte, kommt aus Privathaushalten. Das macht 103 Kilogramm Verpackungsmüll im Haushalt pro Person und Jahr. Das meiste davon sind dem Umweltbundesamt (UBA) zufolge Verpackungen von Getränken, Nahrungsmitteln und Tierfutter. „Kein Land in Europa produziert pro Einwohner und Jahr mehr Verpackungsabfälle als wir“, sagt Patrick Hasenkamp vom Verband kommunaler Unternehmen. Quelle: DPA
Was wird schon getan, um die Abfallmenge zu verringern?Seit Dezember 2013 gibt es ein „Abfallvermeidungsprogramm“ des Bundes und der Länder. Es besteht aus Empfehlungen und soll 2019 ausgewertet werden. Die Bundesregierung setzt hauptsächlich auf Freiwilligkeit. Etwa, wenn Unternehmen sich selbst verpflichten, Plastiktüten nicht mehr umsonst abzugeben, oder Kaffee in Mehrwegbechern verkauft wird, wie in Freiburg, Tübingen oder Berlin. Gerade läuft die „Europäische Woche der Abfallvermeidung“, an der viele Unternehmen und Kommunen teilnehmen. Schwerpunkt dieses Jahr: Verpackungsmüll. Quelle: DPA
Warum fällt trotzdem immer mehr Verpackungsmüll an?Ein Grund sei der demografische Wandel, sagt UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Kleine Haushalte kauften kleine Portionen, Singles setzen oft auf Fertiggerichte. Außerdem zähle bei Verpackungen oft der Marketing-Wert statt nur die Funktionalität: „Sie sind oft unnötig, aufwendig und vor allem oft nicht recyclinggerecht.“ Quelle: ZB
Sehen die Hersteller das genauso?Der Markenverband weist die Kritik als zu pauschal zurück. „Lediglich in kleinen Bereichen findet man sogenannte Schmuckpackungen“, sagt Hauptgeschäftsführer Christian Köhler. Verpackungen seien nicht nur für den Schutz wichtig, sondern trügen den Kundenbedürfnissen Rechnung wie Portionierbarkeit und Verschließbarkeit. Quelle: DAPD
Reicht es, auf freiwillige Initiativen zu setzen?Die Umweltministerin sieht „ermutigende Signale“, dass Menschen und Unternehmen umdenken. Bei den Plastiktüten laufe es auch gut, es seien schon rund 350 Unternehmen dabei, darunter auch große Handelsketten. Hendricks verweist darauf, dass viele Dinge sich rechtlich nur auf EU-Ebene regeln ließen: „Alleingänge“ würden als Wettbewerbshemmnis betrachtet. Das Umweltbundesamt dagegen wünscht sich in manchen Bereichen schärfere rechtliche Vorgaben. Quelle: DPA
Was will das Umweltbundesamt konkret?Erstens sollen Geschäfte im Getränke-Sortiment immer auch Mehrwegflaschen anbieten – Discounter wie Lidl oder Aldi haben oft nur Einweg. Zweitens kritisiert das Bundesamt, dass die Gebühren, die Hersteller von Verpackungen für deren Entsorgung schon im Voraus bezahlen müssen, nicht mehr richtig wirken. „Verpackungen sind einfach zu billig.“ Die Behörde schlägt vor, das Lizenzentgelt von der Recycling-Fähigkeit der Verpackungen abhängig zu machen. Quelle: AP
Was hält der Handel von der Mehrweg-Pflicht?Wenig. Es bedürfe keiner gesetzlichen Regelung, sagt Kai Falk, Geschäftsführer des Handelsverbands HDE. „Für beide Packungsarten gibt es ein gut etabliertes Pfand- und ein flächendeckendes Rücknahmesystem, die für eine hohe Rücklauf- und Recyclingquote sorgen.“ Eine gesetzliche Regelung würde Importeuren den Zugang zum deutschen Markt verstellen und die Vielfalt im deutschen Lebensmitteleinzelhandel einschränken, argumentiert der Verband. Quelle: DPA

Sind denn Deutschland und Europa mülltechnisch dann kaum mehr attraktiv?

Oh nein, im Gegenteil. Ich sagte ja schon: Wir wollen auch hierzulande an den Wachstumschancen partizipieren, gerade im Bereich der Dienstleistungen, aber auch in unserem angestammten Geschäft. Es kommt eine neue europäische Gesetzgebung, die deutsche Standards in der ganzen EU festschreibt; die Bundesregierung hat gerade das neue Verpackungsgesetz durch Parlament und Bundesrat gebracht. Nicht perfekt, aber eine gute Grundlage, um das Recycling hierzulande weiter voran zu bringen. Mein Gefühl aber ist: Wir könnten da ruhig noch ambitionierter sein. So war es ja in der Vergangenheit: Wir haben uns ambitionierte Regeln gegeben, das Knowhow entwickelt und waren dann in der Lage, das zu exportieren. Da gibt es in Europa noch viel Raum für Verbesserung.

Wo zum Beispiel?

Deutschland ist unser Hauptmarkt, hier wollen wir natürlich weiterhin expandieren. Noch werden viel zu viele Wertstoffe verbrannt, statt sie in den Kreislauf zurückzuführen. Kommunen verbrennen zum Teil mehr als nötig, damit ihre Anlagen ausgelastet sind.

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