Wer derzeit den Vorstand einer Fluglinie nach seinem größten Problem in der Coronazeit fragt, erhält meist die gleiche Antwort: die Reisebeschränkungen. „Die Unsicherheit, was bei der Hin- oder der Rückreise nach Deutschland passiert, bleibt aus Kundensicht das größte Hindernis für eine Buchung“, sagt etwa ein Lufthansa-Manager.
Doch offenbar hat die Flugbranche noch ein zweites Problem: ihren Service. Laut einer aktuellen Übersicht des Datendienstes der Schweizer Großbank UBS beurteilen die Passagiere den Kundendienst von Europas größten Fluglinien derzeit als nicht mal mehr mittelmäßig. Das Urteil fällt damit deutlich schlechter aus als vor der Krise. Basis für die Auswertung ist ein Zensus, bei dem die UBS seit 2016 gut zwei Millionen Passagiere von 19 Airlines befragt. Sie sollen den Kundendienst auf der Kurzstrecke in der Economy Class auf einer Skala einordnen: Fünf Sterne gibt es für Top-Service, einen Stern für eine lausige Leistung.
Bei der aktuellen Umfrage erhielt keine der Linien im Durchschnitt auch nur drei Sterne. Ende 2019 erreichten den Wert noch 14 von 19 Linien. Die beste Note im Ranking behielt die niederländische Air-France-Tochter KLM mit rund 2,6. Doch sie kam vor der Krise noch auf 3,7 Sterne. Schlusslicht ist der osteuropäische Billigflieger Wizz Air. Seine Beurteilung brach seit Ende 2019 von rund 2,2 auf lediglich 1,4 Sterne ein.
Zu den Gründen für den Absturz beim Ruf macht die Studie keine detaillierten Angaben. „Die immer strengeren Reisebeschränkungen haben den ohnehin starken Abwärtsdruck auf die Bewertungen wahrscheinlich noch erhöht“, vermutet Studienautor Jarrod Castle.
Doch das greift aus Sicht von Branchenvertretern etwas kurz. Zum einen dürften die Kunden die Airlines zum Sündenbock für die Coronamaßnahmen machen. Strengere Hygieneregeln und der Maskenzwang in den Terminals und an Bord machen Flugreisen deutlich unangenehmer als früher. Dazukommt der oft etwas unbeholfene Umgang der Linien mit der Krise. „Wir haben durch unsere vielen Flugplanwechsel und verspätete Rückzahlungen wahrscheinlich viel guten Willen verspielt“, räumt ein führender Airliner hinter vorgehaltener Hand ein.
Peinlich ist die Umfrage vor allem für die Lufthansa-Gruppe, die ihre Servicequalität sonst stolz zur Schau trägt. Die Kernmarke Lufthansa sackte von gut drei auf gut zwei Sterne. Mit dem Abrutschen um einen Stern schlug sich die Linie dabei noch besser als andere Konzernmarken. Swiss stürzte von 3,5 auf 1,8 Sterne und Austrian Airlines von 3,4 auf 1,7.
Die schlechten Noten entsprechen so gar nicht dem Selbstbildnis der Kranich-Linie als Branchenführer in Sachen Qualität. „Wir sind Europas erste und einzige 5-Star-Airline“, betont Konzernchef Carsten Spohr regelmäßig und verweist auf die Bewertung durch das unabhängige Institut Skytrax. Allerdings haben die Briten keinen völlig makellosen Ruf, findet der Vielfliegerberater Alexander Koenig. „Da Skytrax keine näheren Details zu seinen Bewertungen preisgibt, ist es als Außenstehender teilweise schwer nachzuvollziehen, wie diese genau zustande kommen. Brancheninsider bemängeln zudem die fehlende Unbefangenheit von Skytrax, da diese gleichzeitig einen kommerziellen Beratungsservice für die Fluggesellschaften anbieten, welche sie im Nachhinein auch bewerten“, so der Gründer des Beratungsportals First Class & More.
Das Qualitätsproblem sollten die Fluglinien mindestens so schnell angehen wie ihre schlechten Ergebnisse. „Wenn wir je wieder auf einen grünen Zweig kommen wollen, brauchen wir nicht nur mehr Kunden, sondern auch höhere Preise“, so ein Lufthanseat. „Und beides bekommen wir nur durch besseren Service.“
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