Allianz-Hauptversammlung Wer soll neuer Chef werden? Die unerkannte Botschaft der Allianz-Rede

Der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende des Versicherungskonzerns Allianz, Michael Diekmann. Anstelle Oliver Bätes (rechts im Bild) wünscht er sich offenbar externe Kandidaten für seine Nachfolge. Quelle: dpa

Sein Nachfolger als Allianz-Aufsichtsratschef soll extern rekrutiert werden, sagt Michael Diekmann – und erhöht sich dafür selbst kräftig das Gehalt. Aktionäre verlangen „Personal aus der ersten Reihe“ und sorgen sich um das Hedgefonds-Desaster und die Allianz-IT.

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Allianz-Aufsichtsratschef Michael Diekmann will als Nachfolger eine externe Kandidatin oder einen externen Kandidaten gewinnen. „Mittlerweile wird von institutionellen Anlegern und Stimmrechtsberatern vermehrt erwartet, dass kein ehemaliges Mitglied des Vorstands der Allianz SE den Vorsitz im Aufsichtsrat übernimmt“, sagte Diekmann auf der Allianz-Hauptversammlung.

Diekmanns Wahlperiode endet im Mai 2026. Dann wird er die bei der Allianz geltende Altersgrenze von 70 bereits um eineinhalb Jahre überschritten haben und kann sich insofern kaum noch zur Wiederwahl stellen. Mit der Bestellung eines externen Chefkontrolleurs würde Diekmann mit einer jahrzehntealten Tradition brechen, dass Vorstandsvorsitzende des Versicherungskonzerns später den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen. Diekmann selbst ist seit 2017 Chefkontrolleur, nachdem er die Allianz bis 2015 als Vorstandschef geführt hatte. Auch seine Vorgänger an der Aufsichtsratsspitze waren frühere Vorstände.

Allianz-Kreisen zufolge hatte Diekmann sein Vorhaben vor einigen Wochen schon Allianz-intern vor einigen hochrangigen Managern erklärt. Damals soll der Chefaufseher das allerdings vor allem damit begründet haben, dass die Finanzaufsicht Bafin Vorbehalte habe.

Diekmann sagte, er müsse in den nächsten zwei Jahren drei ausscheidende Aufsichtsratsmitglieder auf der Anteilseignerseite ersetzen. Eines der künftigen Gremiumsmitglieder soll später den Vorsitz übernehmen. „Um auch für diese Position geeignete externe Kandidatinnen und Kandidaten gewinnen zu können, muss die Vergütung attraktiv ausgestaltet sein“, kommentierte Diekmann. Damit begründete er, dass er dem Aufsichtsrat und vor allem auch sich selbst von der Hauptversammlung eine erhebliche Gehaltserhöhung genehmigen lassen wollte. Das Festgehalt für den Vorsitzenden soll um 80 Prozent auf 450.000 Euro aufgestockt werden. Einfache Mitglieder bekommen künftig 150.000 Euro statt bisher 125.000 Euro im Jahr. Hinzu kommen Extra-Tantiemen für die Mitgliedschaft in Ausschüssen sowie Sitzungsgelder.

„Sie rufen Zahlen auf, die sehr hoch sind“, sagte Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz auf dem virtuellen Aktionärstreffen. Diekmanns Argumentation sei nachvollziehbar, nun müsse er auch entsprechend qualifizierte neue Räte finden. „Wir erwarten, dass Sie Personal aus der ersten Reihe akquirieren können“, verlangte Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.

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von Angela Maier, Lukas Zdrzalek

Diekmann sagte, in den vergangenen Jahren habe „das Arbeitspensum sowohl im Aufsichtsratsplenum als auch bei den Aufsichtsratsausschüssen deutlich zugenommen“. Sonderthemen wie Structured Alpha seien hierfür nur ein Grund gewesen. Man verzeichne „auch insgesamt einen Anstieg neuer Themen“, etwa in der Technologie, Nachhaltigkeit und Rechnungslegung, sowie „stetig steigende gesetzliche und regulatorische Anforderungen an den Aufsichtsrat“. Zudem seien die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Qualifikationen von Aufsichtsräten von Versicherungen „in den letzten Jahren deutlich gestiegen“.

Allianz-Insider werten Diekmanns Aussagen bei der Hauptversammlung zudem als Vorbereitung darauf, dass er Oliver Bäte seinen im September 2024 auslaufenden Vertrag als Vorstandschef der Allianz wohl ein zweites Mal verlängern wird. Obwohl unter Bäte seit Jahren operativ glänzende Geschäftszahlen ausgewiesen werden, ist der Vorstandschef nicht unumstritten. Das Verhältnis zwischen Michael Diekmann und Bäte gilt als unterkühlt, dennoch konnte Bäte gegenüber seinem Aufsichtsratschef immer wieder irritierende Vorstandspersonalien durchsetzen.

Die Allianz hat derweil noch einige Baustellen, die es zu beseitigen gilt. Der Skandal um den „Structured-Alpha“-Hedgefonds in den USA, der die Allianz sechs Milliarden Dollar an Kundenentschädigungen und Strafen kostete, wirft bis heute Fragen nach den Allianz-Kontrollsystemen auf. Die Bafin kritisiert seit längerem Mängel in der IT und bei den Prozessen des Versicherers. Die Allianz sprach von einer „Reihe von Feststellungen“ durch die Finanzaufsicht. Auch durch interne Ausfälligkeiten sorgt der Vorstandschef bisweilen für Kopfschütteln. Vergangenes Jahr schimpfte er in einer internen Veranstaltung mehrfach, die Prozesse und IT der Allianz seien „Crap“, das englische Schimpfwort für Mist oder Scheiße.

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„Anhaltender Vertrauensverlust“ bei Allianz-Aktionären

Diverse Aktionäre kritisierten die Allianz-Oberen in der virtuellen Hauptversammlung wegen des Skandals. „Ein solches Desaster wie mit Structured Alpha darf nie wieder passieren“, forderte Andreas Thomae, Corporate-Governance-Experte bei der Deka Investment. Auch Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sprach von einem „Desaster“ und befürchtete dadurch einen „anhaltenden Vertrauensverlust“. Bäte habe bislang „zu undeutlich und zu vage“ formuliert, welche Lehren die Allianz daraus gezogen habe.

Vorstandschef Bäte antwortete, dass Möglichkeiten, Kontrollen durch kriminelles Verhalten zu umgehen, soweit wie möglich ausgeschlossen werden müssten. Noch wichtiger sei ein funktionierendes Risikomanagement: Dinge, die zwar sehr unwahrscheinlich seien, aber hohe Schäden verursachen könnten, müssten fokussierter gemanagt und ausgemerzt werden.

Der für die Vermögensverwaltung zuständige Vorstand Andreas Wimmer sagte, die Fondstochter Allianz Global Investors habe ihre Kundenkommunikation stärker formalisiert und die Kontrollen durch die konzerninterne Compliance verstärkt. Zudem seien in der Gruppe zusätzliche Investitionen in die Kontrollabteilung getätigt worden. Die Verantwortlichkeiten für das Thema Compliance seien besser zugeordnet worden. „2024 wird die Effektivität der Umsetzungsmaßnahmen geprüft“, sagte Wimmer.

Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger verlangte mehr Informationen der Allianz über die Bafin-Feststellungen, über die er nur in den Medien gelesen habe. IT-Vorständin Barbara Karuth-Zelle hielt sich in ihrer Antwort bedeckt. Sie bestätigte lediglich, dass die Bafin bei der Obergesellschaft Allianz SE die Umsetzung der „versicherungsaufsichtsrechtlichen Anforderungen in der IT“ angemahnt habe. Feststellungen bezögen sich auf die technische und organisatorische Ausstattung der Allianz SE. Karuth bestätigte zudem das Vorhaben, die Betriebs- und IT-Funktionen der konzerninternen Rückversicherungseinheit Allianz Re mit den entsprechenden Funktionen der Holding zusammenzuführen. „Das hat verschiedene unternehmerische Gründe und erleichtert auch die Steuerung der IT in der Allianz SE.“

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Die Allianz hielt das Aktionärstreffen wie in den Vorjahren virtuell ab und stellte eine Satzungsänderung zur Abstimmung, um sich Online-Treffen auch künftig genehmigen zu lassen. Der Konzern hat aber auch für eine mögliche Versammlung 2024 in Präsenz Vorbereitungen getroffen und vorsorglich die Olympiahalle für 8. Mai 2024 reserviert, wie Finanzchef Giulio Terzariol auf eine entsprechende Aktionärsfrage sagte.

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