Altpapier-Flut Die Mülltonne spürt den Amazon-Effekt

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China macht die Preise kaputt

Die Preise fallen

Die Ursachen für die sinkenden Preise sind mehr als 7000 Kilometer entfernt zu finden, in der chinesischen Hauptstadt Peking. 2018 entschied die chinesische Regierung, den Import von Müll zu begrenzen – auch von Altpapier. Europäische Unternehmen verschifften bis dahin jährlich etwa 8 Millionen Tonnen nach Fernost. Das ist nun nicht mehr möglich. Im vergangenen Jahr konnte der chinesische Markt zwar noch teilweise ersetzt werden, die Schiffe fuhren stattdessen Indonesien oder Indien an. Nun wehren sich aber auch diese Staaten gegen die Importe. 

Dabei sei Deutschland gar kein großer Altpapier-Exporteur, sagt Thomas Braun, der beim Entsorgerverband BVSE die Altpapierbranche vertritt. Im Gegenteil: Die Papierfabriken hierzulande benötigen den Abfall aus dem Container als Rohstoff. „Die Papierindustrie hat in Deutschland viel investiert, ob in den Neubau oder den Umbau bestehender Maschinen, um sich der gestiegenen Nachfrage nach Verpackungen anzupassen. Das trug wesentlich dazu bei, dass Deutschland Netto-Importeur von Altpapier ist“, so Braun. Doch diese Nachfrage reicht nicht annähernd an die Dimension der chinesischen Papierindustrie heran.

Und so gibt es weiter ein Überangebot an Altpapier auf dem Markt – das mit jedem weiteren Karton wächst. Die kommunalen Entsorger sehen sich in einer Krise: „Früher konnten wir die Papierentsorgung durch die Erlöse aus dem Material finanzieren. Aber es ist absehbar, dass sich das mittelfristig ändern wird“, sagt Hasenkamp.

Die Lösungsansätze

Der VKU verlangt deshalb, dass die Entsorger nun mehr Geld für diese Mühen bekommen. Denn eigentlich müssen Amazon und Co. für ihre Verpackungen Gebühren zahlen. Sie müssen den sogenannten Dualen Systemen wie dem Grünen Punkt Gebühren überweisen, die davon die Entsorgung und die Verwertung der Kartons und Folien finanzieren. Selbst kleinere eBay-Verkäufer sollen so für die Entsorgung ihrer Verpackung aufkommen. Doch genau das haben viele über Jahre nie getan – sie wussten gar nichts von dieser Verpflichtung.

Das hat sich erst mit der Einführung des neuen Verpackungsgesetzes Anfang dieses Jahres gebessert. Seitdem gibt es ein Verpackungsregister, in dem sich jedes Unternehmen eintragen muss – und auch kontrollieren kann, ob die Konkurrenz dort gelistet ist. Seitdem zahlen 170.000 Unternehmen Lizenzgebühren – statt wie bisher nur 60.000. Und insbesondere bei Papier und Pappe stieg die Lizenzmenge an. 

Doch bisher haben die Lizenzgebühren nie dazu geführt, dass die Müllmenge tatsächlich weniger wird. Je mehr Bestellungen, desto mehr Pakete, desto mehr Müll. Bisher haben die Onlinehändler wenig dafür getan, dieses Gleichnis zu durchbrechen. 

Nur zögerlich testen sie andere Optionen: Zalando beispielsweise testet in Skandinavien die Einführung eines Mehrwegpaketes. Schließlich erhält der Modehändler ohnehin einen Großteil seiner Kartons als Retoure zurück. Die Mehrwegkartons sollen noch öfter hin- und herwandern können. In Deutschland haben Otto und Tchibo ähnliche Testprojekte gestartet – finanziert auch durch staatliche Fördergelder.

Und Amazon, bisher größter Treiber für die immer höhere Liefergeschwindigkeit der Onlinezustellungen, versucht es auf einmal mit Langsamkeit: Kunden können nun einen „Amazon-Tag“ in der Woche bestimmen, an dem sie all ihre Bestellungen auf einmal erhalten. Und das in möglichst wenigen Kartons. Bisher befinde sich das Projekt in der Testphase, heißt es von Amazon offiziell. Doch das Unternehmen will noch mehr gegen den Müll unternehmen: "Wir arbeiten mit wissenschaftlichen Methoden daran, unsere nachhaltigen Verpackungsoptionen zu verbessern und immer wieder neu zu erfinden", sagt ein Sprecher.

Anders als bei Plastikmüll gibt es auf politischer Ebene kaum Initiativen, um den Papiermüll zu reduzieren. Immerhin: Die Papierindustrie erreicht wenigstens die gesetzlich vorgegebene Recyclingquote von 70 Prozent. Bei Plastik ist so ein Ziel noch weit entfernt.

Mehr zum Thema: Jahrelang waren Altkleider ein auskömmliches Geschäft, vor allem dank der Exporte nach Afrika. Jetzt kämpft die Branche um ihre Existenz, weil die Deutschen zu viele Klamotten spenden – in miserabler Qualität.

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