Amazon Dash "Das stellt die Rechtswelt weltweit vor neue Herausforderungen"

Amazon hat den „Dash“-Button nach Deutschland gebracht. Der Kauf per Klick mag Komfort bringen, wirft aber Fragen auf: Welche Rechte haben Kunden bei Preisänderungen und was ist, wenn ein Kind den Knopf drückt? 

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Amazon Dash Button Quelle: dpa

WirtschaftsWoche Online: Amazons Dash-Button hat für großes Bohei in den Medien gesorgt. In den USA ist die Bestellung per Knopfdruck schon seit vergangenem Jahr möglich. Dort haben sich Nutzer immer wieder über Preisveränderungen beschwert, die ja nicht ausgewiesen werden. Ist so etwas in Deutschland auch möglich? 
Herr Klaus Lodigkeit: Der Dash Button ist Teil des Internet of Things („IoT“) Systems - kleine Buttons, Beacons, Knöpfe und andere Gegenstände, die mit dem Internet verbunden sind. Die Rechtswelt wird nicht nur hierzulande, sondern weltweit vor neue Herausforderungen gestellt. Die Frage der Preisveränderung dürfte sich als problematisch erweisen. Grundsätzlich muss der Verbraucher bei Vertragsschluss über den Preis der Ware informiert werden. Hier muss Amazon daher eine Lösung finden, beispielsweise in Form einer Preisgarantie oder – sofern sich der Preis erhöht – einer Benachrichtigung, der vorab über die App zugestimmt werden muss.

Dr. Klaus Lodigkeit ist Fachanwalt für IT-Recht und Gewerblichen Rechtsschutz. Quelle: privat

Wie sieht es mit dem Widerrufsrecht aus? Auch hier fehlt ja eine Belehrung im Kaufmoment. Habe ich trotzdem die gängigen Rechte?
Der Kunde muss über sein Widerrufsrecht und über die genaue Beschaffenheit der Ware bei jedem Kauf informiert werden. Dies ist beim Dash Button nicht der Fall, schließlich liegt sein Vorteil gerade in der besonderen Einfachheit der Bestellung. Daher wären die Voraussetzungen nicht erfüllt. Es ließe sich von Seiten Amazons nur argumentieren, dass die Betätigung des Knopfs lediglich eine Bestätigung der bereits über die App-Konfiguration vorbereiteten Bestellung ist. Im Prinzip wird eine Kernregelung wie das Widerrufsrecht durch den Dash-Button umgangen.

Amazons Juristen sind sich sicher, dass eine Bestellung über den Dash-Button mit dem deutschen Gesetz vereinbar ist. Deswegen verzichtete Amazon etwa auf die Beschriftung „zahlungspflichtig bestellen“. Die Juristen argumentieren, dass der Druck auf den Knopf eindeutig sei. Ist diese Sichtweise mit dem deutschen Recht vereinbar?
Auch der sogenannten Button-Lösung wird nicht gefolgt. Der Hinweis „Jetzt zahlungspflichtig bestellen“ beruht auf § 312 j des Bürgerlichen Gesetzbuches. Hiernach muss der Verbraucher eindeutig darauf hingewiesen werden, wann er durch einen Klick eine kostenauslösende Handlung vornimmt. Hier wird Amazon argumentieren, dass dies beim Dash Button von Beginn an klar ist und für den Verbraucher nicht die Gefahr eines Irrtums besteht.

Amazon Dash: Diese Produkte gibt es in Deutschland auf Knopfdruck

Für wie stichhaltig halten Sie diese Begründung?
Ich halte sie nicht für besonders stichhaltig, weil diese Belehrung vor jeder zahlungspflichtigen Bestellung erfolgen muss im Verbraucherrecht. Wenn die Belehrung unterbleibt, ist das eine völlige Umkehrung des Rechts. Vielleicht hat Amazon im Hintergrund eine umfangreiche rechtliche Konstellation entwickelt, die dies aushebelt. Bis dato kann ich diese Argumentation aber nicht nachvollziehen.

Welche rechtlichen Probleme sehen Sie sonst noch?
Es besteht insbesondere das Problem, wie mit angeblich oder tatsächlich irrtümlichen Bestellungen umzugehen sein wird. Die Gefahr beziehungsweise Häufigkeit dürfte um einiges größer sein, wenn eine Bestellung nur durch Knopfdruck erfolgt. Typischer und denkbarer Fall: Das Kind zu Hause bestellt einfach hunderte Kilos Waschmittel.

"Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände sind möglich"

Mit wem schließt Amazon dann den Kaufvertrag ab? Der Button wird ja einem bestimmten Amazon-Account zugeordnet, aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass derjenige ihn betätigt, wie Ihr Beispiel belegt.
Amazon hat es generell so konstruiert, dass mit dem Account-Inhaber der Kaufvertrag zustande kommt. Um Missbrauch auszuschließen, bitte Amazon eine Stornierungsmöglichkeit. Wenn Kinder als Geschäftsunfähige den Dash-Button betätigen, wird kein Kaufvertrag zustande kommen, gegebenenfalls bestehen aber Schadensersatzpflichten des Amazon-Kunden. 

Welche Informationen müssen E-Commercler grundsätzlich geben, damit ein Kauf rechtens ist?
Bei über das Internet geschlossenen Verträgen sind die Informationspflichten nach dem Fernabsatzrecht geregelt (§§ 312 ff. Bürgerliches Gesetzbuch). Hiernach muss der Verbraucher unter anderem über Identität des Lieferanten, die wesentliche Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, Brutto-Preis, Lieferkosten, Lieferbedingungen, Zahlungsbedingungen, das Widerrufsrecht, Kündigungsbedingungen (bei Dauerschuldverhältnissen wie zum Beispiel Abonnements) informiert werden.

Was die vielen journalistischen Artikel  zum Thema nicht behandeln, ist die datenschutzrechtliche Komponente: Es werden etliche Daten ermittelt, und weiter gegeben. Es wird ein Profil über das Bestellverhalten des Kunden erstellt. Das kann sich entsprechend dem Geschäftsmodell von Tankstellen entwickeln: Die Preise werden dem Kaufverhalten angepasst. Ist abends wenig Verkehr, gehen die Preise herunter, analog könnten die Preise auf das Profil des Verbrauchers zugeschnitten werden.

von Matthias Hohensee, Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher, Thomas Kuhn, Peter Steinkirchner

Gibt es einen Weg, die Informationspflicht zu umgehen, etwa durch einen Rahmenvertrag?
Die Informationen müssen grundsätzlich bei jeder Bestellung vorliegen. Dabei handelt es sich aber beispielsweise bei einer Abo-Bestellung rechtlich gesehen auch um eine Bestellung. Hier wird dann automatisch jeden Monat eine bestimmte Menge geliefert, ohne dass eine neue Bestellung notwendig ist. Eine rechtliche Konstruktionsmöglichkeit bestünde möglicherweise darin, dass man die Bestellung mittels Dash Button als „Anforderung“ der bereits bestellten Ware ansieht. Der Unterschied zum Abo besteht letztlich darin, dass die Lieferung flexibel abrufbar ist. Für die rechtliche Zulässigkeit spricht, dass dies für den Verbraucher mit keinem Nachteil verbunden ist. Es ist also in vertragsrechtlicher Hinsicht noch einiges von den Amazon-Juristen zu tun.

Gerade im E-Commerce-Bereich mahnt die Konkurrenz gerne ab, wenn Informationspflichten nicht eingehalten werden. Muss Amazon sich auf eine Klagewelle einstellen? Hat diese Aussicht auf Erfolg?
Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände sind möglich und Amazon wird versuchen, die neue Vertriebsform rechtswirksam in eine Art Rahmenvertag einzubetten.

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