Verspätete Lieferungen will sich Amazon nicht leisten. Der Onlinehändler definiert sich darüber, den besten Service für seine Kunden zu bieten. Der eigene Paketdienst hilft Amazon dabei, sagt Experte Lierow: „Amazon will bei speziellen Kunden, etwa bei Prime-Mitgliedern, auf individuelle Wünsche eingehen.“ Sei es nun, dass der Kunde die Zustellung am selben Tag wünscht oder das Paket zu einer bestimmten Zeit abholen möchte. Darauf zielen die Packstationen, aber auch das Aufbauen eigner Verteilzentren.
Der Briefmarkt in Zahlen
Dank E-Mail und Smartphone schreiben die Deutschen immer seltener Briefe. In diesem Jahr stellen die Briefdienste nur noch etwa 15,7 Milliarden Briefe zu. Vor fünf Jahren waren es noch 16,4 Milliarden Briefe, berichtet die zuständige Bundesnetzagentur in ihrem Tätigkeitsbericht.
Die meisten dieser Briefe stellt die Deutsche Post zu. Ihr Marktanteil liegt bei 87,3 Prozent, berichtet die Bundesnetzagentur. Damit hat sich die Situation in den vergangenen fünf Jahren nur leicht verändert: 2010 kamen die Konkurrenten der Deutschen Post gemeinsam auf etwa 10 Prozent Marktanteil, heute sind es 12,7 Prozent.
Trotz der sinkenden Briefzahlen: Der Umsatz des Marktes ist kaum geschrumpft. Vor fünf Jahren lag er noch bei rund 9 Milliarden Euro, 2015 liegt er bei etwa 8,7 Millionen Euro. Den Großteil davon erwirtschaftet die Deutsche Post. Nur etwa 1,1 Milliarden Euro Umsatz machen die Konkurrenten.
Grund für den fast gleichbleibenden Umsatz sind auch Preiserhöhungen: 55 Cent kostete vor fünf Jahren noch die Briefmarke für einen Standardbrief bei der Deutschen Post. Seit dem hat der Bonner Konzern das Porto in drei Schritten auf 62 Cent erhöht. Im kommenden Jahr wird das Porto auf 70 Cent steigen.
Für Großkunden ändern sich die Preise nicht so stark, auch, weil die Post ihnen Rabatte gewährt. Doch wenn die Post das Porto erhöht, heben oft auch die Konkurrenten die Preise an.
In den USA hat der Online-Händler ein entsprechendes Angebot schon 2011 angestoßen. Dort stehen die Packstationen auf öffentlichen Plätzen, in Einkaufszentren oder in 7-Eleven- und Spar-Supermärkten. Auch in Großbritannien finden sich die Boxen. „In den USA sind sie durchaus beliebt“, sagt Lierow. „Aber sie sind nur eine zusätzliche Möglichkeit, Pakete abzuliefern und werden nie Möglichkeiten ersetzen wie die Hauszustellung.“
Trotzdem: Jedes Paket, das Amazon selbst verschickt oder in einer der eigenen Packstationen deponiert, ist eines, das bei DHL nicht mehr verschickt wird. „Dabei geht Volumen verloren“, sagt Lierow. „Aber der Markt wächst immer noch zweistellig. Allein aufgrund des Marktwachstums, dürften sich die absoluten Mengenverluste bei DHL und Co. in Grenzen halten.“
Der Paketdienst der Deutschen Post liefert bisher einen Großteil der Amazon-Sendungen aus und betreibt ein eigenes Schließfachsystem namens Packstation. Allein in Deutschland hat der Bonner Konzern bereits mehr als 2750 Packstationen in 1600 Städten errichtet. Bis Ende 2015 zählte das Unternehmen acht Millionen registrierte Nutzer – damit hatte beinahe jeder zehnte Deutsche eine Karte für die Packstation.
Allerdings können nur die Post-Zusteller dort Pakete ablegen, andere Anbieter dürfen die Packstation nicht nutzen – nicht gerade praktisch für den Kunden. Auch das IT-System der Packstation gilt in der Branche als verbesserungswürdig: Die Schließfächer sind oft voll, doch die Paketboten werden darüber nicht benachrichtigt. Außerdem klauten Hacker in der Vergangenheit Nutzerdaten im großen Stil und verkauften die Zugänge zur Packstation im Internet. Eine Kooperation zwischen DHL und Amazon gilt deshalb als unwahrscheinlich.
So gut sind Deutschlands Paketdienste
Zwischen Juli und September 2014 hat die Stiftung Warentest die fünf wichtigsten Paketdienste unter die Lupe genommen. Jeder Anbieter wurde zwanzig Mal auf zehn Strecken bundesweit durch die Warentester geprüft. Die Prüfer verschickten immer das gleiche 3,5-Kilo-Paket mit Tellern, Gläsern und einem Glasbilderrahmen. Die Waren waren mit Luftpolsterfolie für Stürze aus bis zu 60 Zentimeter Höhe gepolstert. Dennoch ging bei jeder fünften Sendung ein Teil des Inhalts zu Bruch. Nur bei DHL war der Inhalt aller Pakete heil geblieben, berichtet die Stiftung in der Dezember-Ausgabe des Hefts „test“.
Die Warentester bildeten ihre Gesamtnote aus der Lieferqualität (40 Prozent), der Abwicklung (40 Prozent) und der Website (20 Prozent).
Lieferqualität: Gut (1,9)
Dauer des Versands: Gut
Unversehrtheit der Sendung: Gut
Abwicklung: Befriedigend (2,9)
Zuverlässigkeit bei Abwicklungen und Terminen: Ausreichend
Informationen bei Versand: Befriedigend
Komfort bei Beauftragung, Zahlung, Sendungsverfolgung: Gut
Website: Gut (2,4)
Informationen, Übersichtlichkeit: Gut
Nutzungsmöglichkeiten: Gut
Umgang mit Nutzerdaten: Befriedigend
Qualitätsurteil: Gut (2,4)
Lieferqualität: Befriedigend (3,0)
Dauer des Versands: Befriedigend
Unversehrtheit der Sendung: Befriedigend
Abwicklung: Gut (1,7)
Zuverlässigkeit bei Abwicklungen und Terminen: Sehr gut
Informationen bei Versand: Befriedigend
Komfort bei Beauftragung, Zahlung, Sendungsverfolgung: Sehr gut
Website: Befriedigend (2,8)
Informationen, Übersichtlichkeit: Gut
Nutzungsmöglichkeiten: Befriedigend
Umgang mit Nutzerdaten: Befriedigend
Qualitätsurteil: Befriedigend (2,8)
Lieferqualität: Gut (2,1)
Dauer des Versands: Sehr gut
Unversehrtheit der Sendung: Befriedigend
Abwicklung: Ausreichend (4,3)
Zuverlässigkeit bei Abwicklungen und Terminen: Ausreichend
Informationen bei Versand: Befriedigend
Komfort bei Beauftragung, Zahlung, Sendungsverfolgung: Mangelhaft
Website: Befriedigend (2,9)
Informationen, Übersichtlichkeit: Gut
Nutzungsmöglichkeiten: Befriedigend
Umgang mit Nutzerdaten: Befriedigend
Qualitätsurteil: Befriedigend (2,9)
Lieferqualität: Befriedigend (2,6)
Dauer des Versands: Gut (1,6 - 2,5)
Unversehrtheit der Sendung: Befriedigend (2,6 - 3,5)
Abwicklung: Ausreichend (3,6)
Zuverlässigkeit bei Abwicklungen und Terminen: Befriedigend (2,6 - 3,5)
Informationen bei Versand: Ausreichend (3,6 - 4,5)
Komfort bei Beauftragung, Zahlung, Sendungsverfolgung: Ausreichend (3,6 - 4,5)
Website: Ausreichend (3,7)
Informationen, Übersichtlichkeit: Mangelhaft (4,6 - 5,5)
Nutzungsmöglichkeiten: Gut (1,6 - 2,5)
Umgang mit Nutzerdaten: Befriedigend (2,6 - 3,5)
Qualitätsurteil: Befriedigend (3,2)
Lieferqualität: Befriedigend (2,8)
Dauer des Versands: Sehr gut
Unversehrtheit der Sendung: Ausreichend
Abwicklung: Befriedigend (3,5)
Zuverlässigkeit bei Abwicklungen und Terminen: Befriedigend
Informationen bei Versand: Gut
Komfort bei Beauftragung, Zahlung, Sendungsverfolgung: Ausreichend
Website: Ausreichend (3,9)
Informationen, Übersichtlichkeit: Ausreichend
Nutzungsmöglichkeiten: Ausreichend
Umgang mit Nutzerdaten: Ausreichend
Qualitätsurteil: Befriedigend (3,3)
Dass trotzdem Platz für beide Anbieter ist, weil der Markt nicht gesättigt ist, zeigt eine YouGov-Umfrage aus dem vergangenen Jahr. Auch wenn es immer wieder Ärger gibt, bei den meisten Deutschen genießt die Packstation einen guten Ruf. Nur 17 Prozent der Deutschen würden Packstationen auch dann nicht nutzen, wenn sich eine in der Nähe befände oder auf dem Arbeitsweg, 8 Prozent machten keine Angabe. Die restlichen Befragten sind allesamt potenzielle Kunden.