August Markl „Der ADAC ist ein Club und kein Unternehmen“

Gemeinsam einsam: ADAC-Präsident Markl will den Club als Verein erhalten – und hat sich darüber mit dem Geschäftsführer überworfen. Quelle: dpa Picture-Alliance

ADAC-Präsident August Markl war nach der Krise 2013 angetreten, den ADAC zu reformieren, ihn aufzustellen wie ein Unternehmen. Heute ist klar: Daran wird Markl scheitern. Womöglich wollte er den radikalen Umbruch nie.

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Man muss sich August Markl als einen glücklichen Menschen vorstellen. Mit seinen heute 70 Jahren hat er alles erreicht, was er jemals wollte. Markl ist nicht nur weltlich verheiratet und Vater eines inzwischen erwachsenen Sohnes. Er lebt auch ideell in einer innigen, fast eheähnlichen Beziehung: zu seinem ADAC, Deutschlands größtem Verein und Europas größtem Autoclub, dessen Präsident Markl seit 2014 ist.

Damals, nach der größten Krise, die der Allgemeine Deutsche Automobilclub in seiner 116-jährigen Geschichte jemals erlebt hatte, war Markl quasi über Nacht an die Spitze des Vereins gespült worden. Nie, so erzählt es der promovierte Radiologe gern, habe er aktiv um das Amt gebuhlt, auch habe er niemals darauf hingearbeitet. Dass es ihm gleichwohl eine riesige Freude ist und eine Ehre, versprüht Markl mit jeder Faser seines beachtlichen Körpers.

Aber das Amt ist eben manchmal auch eine Last. Etwa, wenn er wie dieser Tage die vielleicht größte Reform des ADAC durch die Gremien pauken muss: die tatsächliche Umsetzung des 3-Säulen-Modells, also der Trennung des ADAC in eine Wirtschafts-Aktiengesellschaft, einen Verein und eine Stiftung. Sie sollte es dem ADAC ermöglichen, seinen Status als steuerbegünstigter Verein zu behalten, gleichzeitig aber weiter Versicherungen und Urlaubsreisen verkaufen zu können.

Der ADAC hat inzwischen mehr Mitglieder als die evangelische Kirche – aber immer noch kein Geschäftsmodell. Fünf Jahre nach dem Betrugsskandal sind viele Reformvorhaben gescheitert. Stattdessen wird erbittert gestritten.
von Simon Book, Volker ter Haseborg

Wäre der ADAC an der Börse, er müsste im M-Dax notieren mit seiner Bilanzsumme von über zwei Milliarden Euro, seinen 9500 Mitarbeitern und 21 Millionen Kunden, die sich Mitglieder nennen. Ein mächtiger Lobbykonzern ist das, der seit Jahrzehnten den Bundes- und Landesregierungen seine Vorstellung von Verkehrspolitik diktiert. Rechtlich gesehen aber ist der ADAC Deutschlands größter Verein. Nicht etwa die hauptamtlichen Geschäftsführer haben das Sagen und haften am Ende, sondern die zehntausenden Ehrenamtler, an der Spitze der pensionierte Radiologe August Markl, der oft nur zwei, drei Tage die Woche in der Münchner Zentrale gesichtet wird.
Amtierende und ehemalige Geschäftsführer, aber auch Unternehmensberater sagen nun: Wollte Markl den Autoclub zukunftsfähig machen, müsste er ihn organisieren und aufstellen wie einen Konzern. Mit einem Aufsichtsrat, in dem das aktuelle ehrenamtliche Präsidium aufgeht. Und einem Vorstand, der hauptamtlich die Geschäfte führt. So wäre klar, wer was entscheidet und wer wann haftet. Nur so, argumentieren sie, ließen sich auch die Finanzströme sinnvoll lenken und nachvollziehen.

Es wäre eine Lösung, wie sie der Schwesterclub ÖAMTC aus Österreich schon erfolgreich vorlebt. Doch Markl ist dagegen: „Das Vertrauen“, sagt er, „kommt daher, dass der ADAC ein Club ist – und kein Unternehmen.“ Ein Unternehmen ADAC hätte keine 20 Millionen Kunden, da ist sich Markl sicher. „Und sich einen ADAC nicht mehr als Verein vorzustellen – das ist für mich undenkbar.

Woher diese Haltung rührt, lässt sich in einem kleinen Fleck am Starnberger See erfahren, hinter tief verschneiten Hügeln. Hier hat Oliver Stock sein Haus, das gleichzeitig als Büro dient. Der Mann ist Luftfahrtingenieur, beliefert nahezu alle großen Hersteller der Welt mit Elektronikteilen, die er hier in Handarbeit fertigt. Vor allem aber ist Stock Autofreak. In der Garage steht ein Porsche 911, dessen Auspuffanlage so laut ist, dass er damit eigentlich auf keiner öffentlichen Straße mehr unterwegs sein dürfte. Klar, dass Stock da auch mit Herz und Seele das Erbe des ADAC-Präsidenten August Markl verwaltet, heute eben jener „Suderia Magra“ vorsitzt, die Markl 1971 als Motorsportclub gründete und mit der seine ehrenamtliche Karriere im ADAC begann.

Stock hat die Mitgliedsmagazine von damals rausgesucht, zeigt Fotos von Markl, noch Student, der eingequetscht in seinen Renault R4 an Ralleys teilnimmt. „Eine überdachte Zündkerze war das“, sagt Stock. „Aber der Gustl war beim Fahren ohnehin immer nur mittel-erfolgreich.“ Präsidieren, den eigenen Vereinskollegen die weite Welt erklären, das sei Markls wahre Berufung immer gewesen: „Bei uns hieß er nur: der Große Vorsitzende“, sagt Stock.

Der Ingenieur schwelgt jetzt in Erinnerungen, kramt in Dokumenten, redet über das linksliberale politische Komplott, das den ADAC, Europas erfolgreichste Autofahrer-Lobby, 2013 ausschalten wollte. Menschen wie Gustl und er seien heute immer noch Motorsportler, „Zeitgeist hin oder her. Die finden das schräg, dass der ADAC sich vom Auto lösen will und diesem Irrweg der E-Mobilität folgt“, sagt er. Deshalb ist ihm auch um die Zukunft seines Clubs nicht bange. Zumindest nicht, solange sein Vereinskollege Präsident ist. Markl, sagt Stock, kenne den ADAC von der Pike auf, wisse wie wichtig der Vereinsgedanke und die Ortsclubs seien. „Niemals würde der Gustl das aufs Spiel setzen. Nie würde seinen ADAC so verändern.“

Tatsächlich schwebt Markl im Jahr fünf nach dem großen Skandal um den Autopreis Gelber Engel allenfalls noch eine Revolution „light“ vor. Die ehrenamtlichen Funktionäre werden, so wird es die Satzungskommission wohl vorschlagen, nicht entmachtet. Stattdessen soll das Ehrenamt gestärkt werden. „Das ist unsere DNA“, sagt Markl. Man müsse „dieses gelbe Blut“ mehr ansprechen und nach außen tragen. Nur so bleibe der ADAC zukunftsfähig.

Der Streit um die Zukunft des ADAC – womöglich geht er gerade erst richtig los.

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