




Man kann sich die Sache leicht machen und schlicht auf die Zahlen schauen. Die „Financial Times Deutschland“ hat im dritten Quartal 2012 im Schnitt jeden Tag knapp 102.000 Exemplare verkauft. Fast 42.000 gingen an Abonnenten; im Einzelverkauf, also an den Kiosken, zahlten gerade mal 3000 Käufer jeweils 2,20 Euro für das lachsfarbene Blatt. Die Zahl der Bordexemplare - also jener Teil der Auflage, der direkt an Fluglinien wie die Lufthansa geht, die die Zeitungen kostenlos an ihre Passagiere abgeben - lag dagegen bei mehr als 46.000 Stück und damit über der Summe der zahlenden Leser.
Diese Zahlen, man ahnt es, sind nicht gut. Zusammen mit einem einbrechenden Anzeigengeschäft ergeben sie eine teuflische Mischung, die unter dem Strich zu Verlusten bei der Herstellung dieser Zeitung führen musste. Insofern ist die Einstellung der „Financial Times Deutschland“ nach fast 13 Jahren ohne schwarze Zahlen, nüchtern betrachtet, nur folgerichtig. Natürlich ist eine Zeitung keine Schraubenfabrik. Aber ganz ehrlich: Brächte der Vorstandschef oder Geschäftsführer eines Unternehmens, über das die „Financial Times Deutschland“ wie auch alle anderen Wirtschaftstitel für gewöhnlich berichten, eine vergleichbare Geduld mit einem darbenden Geschäftszweig auf, dann würde es ihm nicht viel anders ergehen als einem glücklosen Fußballtrainer wie Felix Magath beim VfL Wolfsburg: Erst würde er massiv kritisiert und am Ende den Job verlieren.
Insofern kann man Gruner + Jahr als dem Verlag der „Financial Times Deutschland“ nicht den Vorwurf machen, zu wenig Geduld, Mühe und vor allem Geld aufgebracht zu haben, um diese bislang letzte große Neugründung einer Tageszeitung in Deutschland doch noch zu einem Erfolg zu machen. Nach Verlusten von mehr als 250 Millionen Euro werden aber auch Hardcore-Fans einsehen: Da war nix zu machen.
Fakten zur Financial Times Deutschland
Der Start der "Financial Times Deutschland" im Februar 2000 war ein mutiges Projekt: Es war die erste Gründung einer überregionalen Zeitung in Deutschland seit der "taz". Zunächst teilten sich der Verlag Gruner + Jahr und die britische "Financial Times"-Mutter Pearson die Verantwortung, 2008 übernahmen die Hamburger das Blatt komplett.
Bei der Gründung half Andrew Gowers vom Mutterblatt "Financial Times" als Chefredakteur. Ihm folgten im Oktober 2001 Christoph Keese (inzwischen eine Art Cheflobbyist beim Axel-Springer-Verlag) und Wolfgang Münchau (heute Kolumnist für die „Financial Times“). Seit Mitte 2004 steht Steffen Klusmann an der Spitze der Redaktion.
Die Zeitung auf dem rosa Papier brachte frischen Wind in die deutsche Presselandschaft, hatte aber in den vergangenen Jahren mit Absatzproblemen zu kämpfen. Zwar blieb die Gesamtauflage mit etwas mehr als 100.000 Exemplaren relativ stabil, aber die sogenannte harte Auflage aus Abonnements und Einzelverkauf sank seit 2006 auf zuletzt 46.300.
Das Wirtschaftsblatt hat in seiner gesamten Geschichte keine schwarzen Zahlen geschrieben. Insgesamt sind laut Medienberichten Verluste von 250 Millionen Euro aufgelaufen.
Eine erste harte Sparrunde läutete Gruner + Jahr bereits 2008 ein: Der Verlag gründete für seine Wirtschaftsmedien "FTD", "Börse online" und "Capital" eine Gemeinschaftsredaktion in Hamburg. Dort arbeiten 350 Mitarbeiter, davon 250 Redakteure.
Mitarbeiter der G+J Wirtschaftsmedien haben in den vergangenen Tagen eine beeindruckende Liste zusammen gestellt. Darin sind alle Journalisten- und Gestaltungspreise aufgeführt, die in den vergangenen vier Jahren von den Titeln eingeheimst wurden. Dazu zählen etwa die Auszeichnung "Wirtschaftsredaktion des Jahres" im Jahr 2012, der Herbet Quandt Medienpreis und der Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik.
Man kann es sich aber auch schwerer machen. Und dann wird es sehr schnell komplexer. Denn man kann jetzt viel schreiben über die Probleme der Medienbranche und vor allem der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, mit den sich sehr schnell immer wieder verändernden Rahmenbedingungen der Online-Welt zurande zu kommen, sie zu nutzen oder unter ihnen zu leiden. Man kann viel schreiben über den Blödsinn, völlig unterschiedlich getaktete und temperierte Redaktionen zusammenzulegen, als wäre es total egal, in welchem intellektuellen Klima etwa eine Zeitung oder ein Magazin erscheint, und zu verfahren, als würde man schlicht aus zwei Fließbändern ein einziges machen. Man kann das Aus der „Financial Times Deutschland“ auch einbetten in die Welt- und Wirtschaftsgeschichte der vergangenen fast 13 Jahre, seit das Blatt am 21. Februar 2000 erstmals erschienen ist, in die Zeiten von Ruck-Rede und Börsen-Hype, Twin Towers und Lehman-Pleite. Das kann man machen, und das haben in den vergangenen Tagen auch schon viele getan.
Noch schwerer ist es allerdings, wenn es persönlich wird. Denn natürlich war die „Financial Times Deutschland“ ein Konkurrent, sie stand im täglichen Wettbewerb mit unserem Schwesterblatt Handelsblatt und der WirtschaftsWoche um exklusive Nachrichten und Geschichten, um Leser und Abonnenten, um Anzeigenkunden und Media-Entscheider. Klar haben wir uns hier gar nicht mal so selten darüber geärgert, wenn die Kollegen aus Hamburg mit einer Geschichte vor uns erschienen.
Klar ist aber auch: Diese Branche ist nicht so groß. Jeder Redakteur hier bei der WirtschaftsWoche kennt mindestens sein Pendant bei der FTD, denjenigen, der über die gleichen Unternehmen und Branchen berichtet. Jeder Redakteur hier kennt auch Kollegen, die nach Hamburg gewechselt sind. Und jeder hier hat Respekt vor der Leistung der Redaktion der „Financial Times Deutschland“. Deshalb am Schluss nur eins: Ich habe sie täglich gern gelesen, und ich werde sie vermissen, ihre klugen Analysen, coolen Überschriften und ihre Geschichten.
PS: Und wenn mir vielleicht noch bei Gelegenheit jemand sagen könnte, wo ich in Zukunft „Alex“ wiederfinde, fände ich das übrigens auch sehr nett.