
Immer dann, wenn die Lokführer in den vergangenen Jahren die Deutsche Bahn bestreikten, erreichten den Konzern wütende Briefe und Fragen von mitunter genervten Journalisten: Ob autonom fahrende Züge denn in Zukunft eine Alternative seien. Die Deutsche Bahn winkte stets ab: „Kein Thema“.
Doch die Haltung des Konzernmanagements hat sich inzwischen um 180 Grad gedreht. „Ja, wir können uns vorstellen, dass in Zügen irgendwann keine Lokführer sitzen“, sagte Bahnchef Rüdiger Grube am Mittwoch auf einem Termin in Berlin. Das werde nicht morgen sein. „Aber wir wollen nicht erst nach der Automobilindustrie autonom fahren, sondern vorher."
Die wichtigsten Baustellen der Bahn 2015
Von Mitte Januar bis Anfang Mai wird auf der Nord-Süd-Verbindung der Oberbau, die Leit- und Sicherungstechnik und der Tunnel unter die Lupe genommen. In dieser Zeit ist die Strecke zwischen Gesundbrunnen und Yorkstraße gesperrt. Von Ende August bis Ende November wird außerdem eine Brückenkonstruktion am erst 2006 eröffneten Berliner Hauptbahnhof saniert. Fernzüge halten dann im unteren Teil des Kreuzungsbahnhofs.
Mitte Mai sollen auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwölf Weichen erneuert werden. Während der Bauzeit wird die Strecke gesperrt. Der Fernverkehr wird von Hannover über die alte Strecke nach Göttingen umgeleitet. Das dauert 30 Minuten länger.
Von Mitte April bis Mitte Mai werden auf der ICE-Strecke 44 Kilometer Schienenstrang ausgewechselt. Dazu wird die Strecke durch den Westerwald an vier Wochenenden gesperrt. Die Züge werden dann am Rhein entlang fahren. Die Fahrzeit verlängert sich um 60 Minuten.
Die Strecke bekommt von Ende Juni bis Mitte August auf 22 Kilometern neue Gleise. Fernzüge fahren einen Umweg über Venlo und brauchen dafür 45 Minuten länger. Auf der Route Köln-Siegen werden im gleichen Zeitraum 35 Kilometer Gleise renoviert. Davon sind in der Bauzeit 77 Nahverkehrszüge betroffen, die durch Busse ersetzt werden.
Von Mitte September bis Ende Oktober werden auf der Schnelltrasse Gleise und Weichen ausgetauscht. Dafür wird die Strecke zwischen Kraichtal und Stuttgart-Zuffenhausen zeitweise gesperrt. Die Umleitung über die alte Strecke kostet 40 Minuten Fahrzeit.
Von Anfang März bis April wird ein zehn Kilometer langer Streckenabschnitt saniert. Zeitweise ist eine Sperrung nötig. Die Fernzüge der Linie Nürnberg-Karlsruhe werden über Treuchtlingen umgeleitet. Das dauert 40 Minuten länger als sonst.
Auf dieser Route wird voraussichtlich noch bis August 2015 die Schienentechnik erneuert, damit Züge künftig dort mit Tempo 200 fahren können. Dabei muss ein alter Damm saniert, Gleise erneuert und neue Signalkabel verlegt werden. Ein Teil der Fernzüge muss über Augsburg umgeleitet werden. Das führt zu einer 30 Minuten längeren Fahrzeit.
Grube erhöht damit den Druck im Konzern, die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, und riskiert damit hausinternen Krach mit den beiden Bahn-Gewerkschaften EVG und GDL, die Lokführer in ihren Reihen vertreten und autonom fahrende Züge wegen Sicherheitsbedenken ablehnen.
Die Bahn hat sogar erste konkrete Pilotprojekte in Angriff genommen. So werden autonome Systeme bei der Erzgebirgsbahn getestet. Zudem sollen ab 2016 im Güterverkehr Streckenloks mit entsprechender Technik ausgerüstet werden. Ein weiteres Feld seien automatische Rangierloks, betonte Grube in Berlin. „Wir arbeiten völlig ergebnisoffen“, so der Bahnchef, im Klartext: alles ist möglich.
In vielen Städten gibt es schon autonome Bahnen
Autonome Bahnsysteme gehören in vielen Städten bereits zur Realität, beispielsweise U- und S-Bahnen in Lille, Vancouver und London. In Kopenhagen fahren Züge ohne Fahrer vom Flughafen in die Innenstadt. Auch die Metros in Dubai, Rom und Wien funktionieren teils ohne Steuermann. Auch in Nürnberg fährt die U-Bahn-Line 3 seit 2008 ohne Fahrer. München hat ein paar U-Bahn-Strecken immerhin vorgerüstet.





Doch anders als bei der U- und S-Bahn will die Deutsche Bahn autonome Züge auch auf das deutsche Schienennetz setzen, das durch Mischverkehr geprägt ist. Dort kreuzen sich Güterbahnen, Nahverkehrsbahnen und ICE-Züge. Das macht die technischen Voraussetzungen komplexer als bei geschlossenen Systemen wie einer U-Bahn.
Der Staatskonzern hat mit den Pilotprojekten eine neue Ära eingeläutet. Grube will die Möglichkeiten der Digitalisierung konsequent nutzen. Das gilt auch für die Daten im Schienennetz. Lange Zeit bekämpfte die Bahn Unternehmen und Start-ups, die auf Verkehrsdaten des Konzerns zugreifen wollten, um damit etwa neue Apps zu entwickeln. Nicht einmal die Daten aus den öffentlich in Schaufenstern ausgehängten Fahrplänen wollte die Bahn rausgeben. „Wir stellen Infrastrukturdaten neuerdings ins Netz“, so Grube, „da waren wir früher sehr zurückhaltend“.
Ideen für neue Apps und nützliche Anwendungsmöglichkeiten will die Bahn nun auch von ihren Kunden einholen. Die Bahn hat deshalb eine Plattform unter dem Namen Ideenschmiede gestartet. Bahnreisende können dort eintragen, wo und wie die Bahn besser werden müsste. Im Rahmen eines Wettbewerbs werden die Projektideen analysiert, ausgewertet und im besten Fall auch umgesetzt.
Wie so ein Projekt aussehen könnte: Künftig wolle die Bahn rund 3300 Aufzüge und Rolltreppen mit Sensoren ausrüsten, die Live-Daten dann ins Internet übertragen, so Grube. Ein App werde zudem demnächst anzeigen, ob sie funktionieren.
Wer das allerdings wirklich braucht, hat Grube nicht verraten.