
Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn stehen immer noch die meisten Signale auf Rot. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG lehnte am Mittwoch in der fünften Verhandlungsrunde einen Teilabschluss für das bereits abgelaufene Tarifjahr 2014 ab. Die Bahn hatte nach eigenen Angaben eine Einmalzahlung angeboten, um dann unbelastet über die kompliziertere Materie des Tarifvertrags 2015 sprechen zu können.
Die EVG lehnte den Vorschlag nach Angaben eines Sprechers ab, weil man für alle Berufsgruppen eine einheitliche Einmalzahlung erreichen wolle. Die Bahn hat nach eigenen Angaben 510 Euro angeboten, wie sie es bereits im Dezember mit der konkurrierenden Lokführergewerkschaft GDL vereinbart hat. Rund 17.500 Beschäftigte einiger Dienstleistungsbereiche sollten für eine kürzere Periode 340 Euro erhalten.
Was die GDL erreichen will
Wie immer geht es zwischen Arbeitgeber und den Gewerkschaften um Einkommen, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen. Das Besondere an diesem Tarifkonflikt ist jedoch, dass zusätzlich die GDL (34 000 Mitglieder) mit der viel größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG (210 000 Mitglieder) um die Vertretungsmacht bei einem Teil der Belegschaft konkurriert. Die Bahn wiederum will Tarifkonkurrenz vermeiden. Für eine Berufsgruppe soll ihrer Meinung nach nur ein Tarifvertrag gelten.
Die GDL will die Verhandlungsmacht auch für rund 8800 Zubegleiter, 2500 Gastronomen in den Speisewagen, 3100 Lokrangierführer sowie 2700 Instruktoren, Trainer und Zugdisponenten. Das macht zusammen 17 100 Mitarbeiter. Mit den rund 20 000 Lokführern bildet die GDL daraus die Gruppe „Zugpersonal“ mit 37 000 Mitarbeitern. In dieser Gruppe habe sie die Mehrheit der Mitglieder. Die EVG hält von der GDL vorgenommene Zusammenführung für willkürlich und bezweifelt deren Zahlenangaben.
Das ist der heikle Punkt, weil die Gewerkschaften aus dem Organisationsgrad ihr Verhandlungsmandat für die jeweiligen Berufsgruppen ableiten. Wer stärker ist, soll in Tarifverhandlungen das Sagen haben. Die Frage ist jedoch, welche Organisationseinheit man dabei betrachtet: Einen Betrieb, ein Unternehmen im Konzern, eine Berufsgruppe? Je nach dem kann die Mehrheit mal bei der einen, mal bei der anderen Gewerkschaft liegen.
Bei den Lokführern ist die Sache klar: 20.000 sind bei der Bahn beschäftigt. Die GDL reklamiert 78 Prozent von ihnen als ihre Mitglieder, das wären etwa 15.500. Die EVG gibt ihre Mitgliederzahl unter den Lokführern mit 5000 an, davon seien 2000 Beamte. Das geht nicht ganz auf, selbst wenn alle Lokführer gewerkschaftlich organisiert wären. Aber: Das Kräfteverhältnis ist eindeutig, drei zu eins für die GDL. Schwieriger und umstritten ist es bei den übrigen rund 17.000 Mitarbeitern, die nach GDL-Definition zum Zugpersonal zählen. Die EVG sagt, 65 Prozent der Zugbegleiter und 75 Prozent der Lokrangierführer seien bei ihr organisiert. Das wären zusammen allein bei diesen beiden Berufsgruppen 9860 Beschäftigte. Die GDL macht eine andere Rechnung auf: 37.000 Beschäftigte (inklusive Lokführer) gehörten zum Zugpersonal. Davon seien 19.000 GDL-Mitglieder, das sei eine Mehrheit von 51 Prozent.
Für die GDL ist das sehr bedeutsam. Denn ein solches Gesetz könnte ihre Handlungsmöglichkeit einschränken. Möglicherweise verlöre sie in bestimmten Ausgangslagen das Streikrecht. Damit wäre die GDL wie andere Berufsgewerkschaften in ihrer Existenz bedroht. Die GDL hat bereits angekündigt, dass sie ein solches Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen würde.
Streiks in rascher Folge, Lähmung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft sollen erschwert werden. Die Diskussion hatte durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes schon vor vier Jahren an Fahrt gewonnen. Die Richter stärkten die Tarifvertrags-Vielfalt und die Konkurrenz unter großen und kleinen Gewerkschaften. Der Grundsatz „Ein Betrieb - ein Tarifvertrag“ wurde damals hinfällig.
Die Verhandlung soll am 23. Januar in Frankfurt fortgesetzt werden. Danach will die EVG, die noch weitere neue Forderungen auf den Tisch gelegt hat, über mögliche Streiks beraten.
Die Deutsche Bahn verfolgt das Ziel, mit den konkurrierenden Gewerkschaften GDL und EVG jeweils deckungsgleiche Abschlüsse auch für die Folgezeit hinzubekommen. Mit der streikfreudigen GDL soll das nächste Mal am kommenden Montag (19. Januar) in Berlin gesprochen werden. Die Lokführer hatten im vergangenen Jahr mehrfach den Schienenverkehr lahmgelegt. Die EVG hat hingegen noch nicht gestreikt.