Bahnchef im Homeoffice „Es funktioniert! Und zwar besser als gedacht“

Bahnchef Richard Lutz im Homeoffice. Quelle: Privat

Richard Lutz hat die Deutsche Bahn mehrere Tage lang von zu Hause aus geführt. Im Interview beschreibt er, wie er die Mitarbeiter beisammen gehalten hat, warum er künftig mehr Videoschalten einführen will und wo für ihn die Grenzen digitaler Kommunikation sind.

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WirtschaftsWoche: Herr Lutz, Sie waren nach Kontakt mit einer infizierten Person mehrere Tage lang in häuslicher Quarantäne und haben die Deutsche Bahn aus der Ferne geführt. Wie haben Sie sich zu Hause eingerichtet?
Richard Lutz: An meinem Tagesablauf habe ich nichts verändert, außer dass natürlich die räumliche Trennung zwischen 'Home' und 'Office' weggefallen ist. Aber nachdem unsere drei Kinder schon aus dem Haus sind, war das kein großes Problem. Übrigens: Ich bewundere alle, die jetzt zu Hause noch Kinder um sich herum haben, die sonst im Kindergarten oder in der Schule sind. Da braucht es beim Homeoffice starke Nerven, und wenn Sehnsucht nach dem 'Zufluchtsort Büro' aufkäme, würde mich das nicht wundern.

Wie hat denn die Videotelefonie Ihr Management verändert?
Als Konferenzsysteme haben wir unsere bestehenden Systeme und Strukturen genutzt, denn Telefon- und Videokonferenzen gab es natürlich auch vorher schon. Was mir wichtig war? Die kurzen Zwischendurch-Absprachen mit meinem Büro, der schnelle Zuruf 'zwischen Tür und Angel' ist faktisch weggefallen. Das haben wir schnell durch feste Update-Calls ersetzt. Und man merkt, dass beim Homeoffice der persönliche Kontakt und die nonverbale Kommunikation leidet. Deshalb habe ich in Telefon- und Videokonferenzen zuweilen explizit Stimmen und Stimmungen abgefragt. Und ich habe noch nie so viele bilaterale Telefonate und SMS ausgetauscht wie in dieser Zeit!

Welche besonderen Erfahrungen nehmen Sie mit?
Positiv ist auf jeden Fall die Erkenntnis: Es funktioniert! Und zwar besser als gedacht. Gott sei Dank hat unsere IT frühzeitig aufgerüstet, um die zusätzliche Last auf den Systemen und die hohe Anzahl an Homeoffice-Zugriffen abzusichern.

Gab es ein Highlight in dieser Zeit?
Highlight in dieser Hinsicht war sicherlich, dass wir die Hauptversammlung, unsere Aufsichtsratssitzung und die ganzen vorgelagerten Ausschuss-Sitzungen und Vorbesprechungen alle als Web-Konferenzen organisiert haben – mit hoher Interaktion zwischen ganz vielen Beteiligten und alles ohne technische Probleme. Und: Durch meine häusliche Quarantäne habe ich daran von Zuhause aus teilgenommen – das erste und vermutlich auch letzte Mal in Jeans.

Was war schwierig?
Eine wirkliche Herausforderung fand ich die beiden Personalgespräche, die ich in dieser Zeit über Web-Konferenz gemacht habe. Das würde ich in Zukunft nur machen, wenn’s gar nicht anders geht. Gerade da ist ein persönliches Gespräch durch nichts zu ersetzen.

Die Deutsche Bahn hält 75 Prozent ihres Fahrplans im Fernverkehr aufrecht, im Nahverkehr immerhin noch zu zwei Dritteln. Zeigt sich die Bahn gerade von ihrer stärksten Seite?
Ich bin unglaublich stolz und dankbar, Teil dieser Eisenbahnerfamilie zu sein, die auch und gerade in schwierigen Zeiten zusammenhält und einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft, für die Mobilität der Menschen und die Versorgung der Wirtschaft leistet. Danke natürlich auch an alle anderen Heldinnen und Helden in der Krise!

Welche Lehren ziehen Sie aus Ihrer Homeoffice-Zeit? Was nehmen Sie mit in die Zeit nach Corona?
Nicht nur ich, sondern ganz viele Führungskräfte und Mitarbeitende erleben ja gerade einen digitalen Schub in Sachen 'Arbeit und Zusammenarbeit 4.0'. Ich bin überzeugt, dass wir uns ganz viel davon auch in der Zeit nach Corona erhalten werden. Einfach weil es funktioniert und weil es effektiv und effizient ist. Um das zu unterstützen, werden wir technisch an einigen Stellen bei Konferenzsystemen und Videoanlagen nachrüsten – erste Aufträge sind schon ausgelöst. Aber die wichtigste Lehre für mich ist eigentlich eine andere und betrifft nicht das, was ich gemacht, sondern das, was ich vermisst habe.

Nämlich?
Der persönliche Kontakt mit den Menschen, das informelle Austauschen kurz vor oder nach den Meetings und die zufälligen Treffen, wo man auch mal über 'dies und das' plaudert. Und bei allem 4.0-Hype ist das doch eine schöne Erkenntnis: Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen einander, auch und gerade im persönlichen Austausch. Und das wollen und werden wir uns auch in einer digitalisierten Welt erhalten.

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