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Bahnstreik Das riskante Spiel der Lokführer

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) legt das Land eine Arbeitswoche lang lahm. Dabei geht es nicht einmal um Geld, sondern darum, eine kleine Gruppe von Lokrangierführern vertreten zu dürfen.

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Die wichtigsten Rechte von Fahr- und Fluggästen
Fluggesellschaften dürfen für aufgegebenes Gepäck Zusatzgebühren verlangen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am 18. September entschieden. Eine spanische Regelung, die solche Aufschläge zumindest für den ersten Koffer verbietet, sei nicht mit EU-Recht vereinbar, urteilten die Richter (Rechtssache C-487/12). Für Handgepäck oder am Flughafen gekaufte Waren dürfen indes keine Zusatzkosten anfallen, unterstrichen die Richter - vorausgesetzt, normale Maße werden nicht überschritten. Das Geschäftsmodell insbesondere von Billigflug-Anbietern bestehe darin, die Flüge selbst zu niedrigen Preisen anzubieten und für ergänzende Dienstleistungen zusätzliches Geld zu verlangen, so der EuGH. Dabei sei es „nicht auszuschließen, dass einige Fluggäste es vorziehen, ohne aufgegebenes Gepäck zu reisen, wenn dies den Preis ihres Flugtickets verringert.“ Allerdings müssten die Kosten bei der Buchung klar vorherzusehen sein. Ob dies der Fall ist, müssten bei Bedarf nationale Behörden prüfen. Quelle: dpa
Reiseveranstalter müssen in einer Reisebestätigung nicht die genaue Uhrzeit von Hin- und Rückflug angeben. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe und wies damit eine Klage von Verbraucherschützern zurück (Az: X ZR 1/14). Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und der Verbraucherverbände wollte erreichen, dass ein Reiseveranstalter den Abschluss ein Vertrages nicht ohne genaue Uhrzeiten der Flüge bestätigen darf. In den Vorinstanzen waren die Verbraucherschützer gescheitert; auch die BGH-Richter folgten dem nicht. Die Angabe „Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt“ sei nicht zu beanstanden, urteilten sie. Wenn beim Abschluss des Vertrags lediglich das Datum vereinbart worden sei, müsse auch die Bestätigung keine genaueren Angaben enthalten. Quelle: dpa
Ein Flugzeug ist erst bei Öffnung einer Tür wirklich angekommen - und dieser Zeitpunkt ist maßgeblich für die Bestimmung von Flugverspätungen. Das hat der Europäische Gerichtshof am 4. September 2014 in Luxemburg klargestellt (Rechtssache C-452/13). Denn solange die Türen geschlossen sind, könnten Reisende nur eingeschränkt mit der Außenwelt kommunizieren. Dies ende erst, wenn Reisende den Flieger verlassen könnten. Hintergrund war ein Streit zwischen Germanwings und einem Passagier. Bei einer Verspätung von über drei Stunden steht Reisenden gemäß einem früheren Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Ausgleichszahlung von 250 Euro zu. Quelle: AP
Billig-Fluggesellschaften dürfen aller Voraussicht nach auch künftig eine gesonderte Gebühr für den Transport von Gepäckstücken verlangen. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) kommt in einem am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten Gutachten zu dem Schluss, diese Art der Preis-Zusammensetzung dürfe in der EU nicht verboten werden. Die Unternehmen dürften selbst entscheiden, ob sie die Gepäckkosten gleich in den Grundpreis des Flugscheins einrechnen oder aber dafür eine Zusatzgebühr verlangen. Das höchste EU-Gericht folgt meist, aber nicht immer dem Gutachten seines Generalanwalts. Das Urteil des EuGH wird erst in einigen Monaten erwartet. Das Gericht muss zu einem Fall aus Spanien Stellung nehmen: Dort sind Zusatzkosten für Gepäck untersagt. Dagegen hatte sich die Billig-Fluggesellschaft Vueling gewendet, die von einer Kundin wegen 40 Euro verklagt worden war. Quelle: dpa
Annullierte Flüge, beschädigte Koffer: Flugreisende beschweren sich in Massen über Ärger mit den Airlines. Innerhalb von nur zehn Wochen sind bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Nahverkehr (SöP) in Berlin knapp 700 Anträge auf Schlichtung eingegangen. Bei zwei Dritteln der Beschwerden sei es um Verspätungen oder gestrichene Verbindungen gegangen, sagte SöP-Geschäftsführer Heinz Klewe. Die Zahl der Anträge überrascht. Flugreisende können sich erst seit November an die Schiedsstelle wenden, sofern ihre Klagen bei den Fluglinien zuvor erfolglos blieben. Schätzungen gehen nun von jährlich 30.000 Anträgen auf Schlichtungen im Flugverkehr aus. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr hatten 3000 Bahnkunden die SöP um Hilfe gebeten. Quelle: dpa
Geld zurück bei VerspätungenOb Unwetter oder Streik: Bahnreisende haben auch bei höherer Gewalt Anspruch auf Entschädigung für Verspätungen. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am Donnerstag entschieden. Reisende haben laut EU-Gesetz bei Verspätungen von ein bis zwei Stunden ein Recht auf Erstattung von mindestens einem Viertel des Preises der Fahrkarte. Ab zwei Stunden muss das Bahnunternehmen mindestens die Hälfte des Preises erstatten. Diese Regelung steht im Einklang mit internationalem Recht, entschied das Gericht nun zu einem Fall aus Österreich. Quelle: dpa
Schäden durch VögelFluggäste müssen Verspätungen wegen Vogelschlags ohne Entschädigung hinnehmen. Wenn Vögel das Triebwerk ihrer Maschine beschädigen, haben die Passagiere kein Anrecht auf eine Ausgleichszahlung von etwa 600 Euro, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe. Juristisch betrachtet gehöre Vogelschlag zu den „außergewöhnlichen Umständen“, die von den Fluggesellschaften nicht beeinflusst werden können. Deshalb seien sie auch nicht dafür verantwortlich zu machen. Der BGH schloss sich mit seinem Urteil den Vorinstanzen an. Verhandelt wurden zwei Fälle von Touristen, die im afrikanischen Gambia und in Fuerteventura festsaßen, weil Vögel in das Triebwerk der Flieger geraten waren. In Fuerteventura geschah dies beim Start, der daraufhin abgebrochen werden musste. Die Kläger wurden auf eine andere Fluggesellschaft gebucht und nach Hamburg statt nach Hannover geflogen. Sie erreichten ihr Zuhause mit einem Tag Verspätung. In Gambia wurde das Triebwerk des Flugzeuges beim Landeanflug von Vögeln so stark zerstört, dass ein Rückflug ausgeschlossen war. Es musste ein neues Flugzeug aus Europa angefordert werden, das erst nach mehreren Stunden eintraf. Diesen Fall wiesen die BGH-Richter nochmals ans Landgericht zurück, um Detailfragen zu klären. Den Hinweis der Kläger, dass solche Unfälle mit sogenannten Vergrämungsaktionen für Vögel mit Falken oder Böllern verhindert werden könnten, hielt der Vorsitzende BGH-Richter Peter Meier-Beck nicht für relevant. Solche Aktionen lägen nicht in der Verantwortung der Fluggesellschaften sondern der Airports. „Zudem können Vögel ja auch außerhalb des Geländes ins Triebwerk geraten.“ Auch die Forderung der Kläger, die Fluggesellschaften hätten für schnelleren Ersatz zu sorgen, hielt Meier-Beck nicht für umsetzbar. Die Fluggesellschaften könnten nicht an jedem Airport Ersatzflieger samt Mannschaft vorhalten. Dies sei nicht zu finanzieren. Quelle: dpa

Es ist diese eine Frage, die Claus Weselsky sichtbar nervt. Wie viele Mitglieder die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bei den Lokrangierführern denn nun vertrete, wollte eine Journalistin wissen. Weselsky werde diese Frage nicht mehr beantworten, weil er es schon so oft getan habe. Später spricht er von 30 Prozent der rund 2500 Lokrangierführer bei der Deutschen Bahn, die GDL-Mitglieder seien. An anderer Stelle spricht er von einer „signifikanten“ Zahl von Mitgliedern. Doch ohnehin sei das ja völlig egal, denn es gehe ums Prinzip: „Wenn wir nur ein einziges Mitglied bei den Lokrangierführern haben, ist es unser Recht, für ihn einen Tarifvertrag abzuschließen.“

Fahrgastrechte während des Bahnstreiks

Dieser Satz dürfte Deutschland noch lange beschäftigen in den nächsten Tagen. Ab heute Nachmittag streikt die GDL zunächst im Güterverkehr, ab Mitternacht dann noch im Personenverkehr. Bis Samstag wollen die Lokführer den Zugverkehr in Deutschland lahmlegen. Es ist der längste Bahnstreik in der Geschichte der deutschen Eisenbahn. Und viele Kunden verstehen nicht mehr, worum es bei diesem Streik eigentlich geht.

Im Kern sind es gerade mal 2500 Lokrangierführer, bei denen die Forderungen von Arbeitgeber und Gewerkschaft auseinanderdriften. Dazu muss man wissen, dass Lokführer nicht gleich Lokführer ist. Die meisten Lokführer sitzen in den Regional-und Fernverkehrszügen und fahren tagein tagaus Passagiere durch die Gegend. Die Deutsche Bahn beschäftigt rund 11.000 Lokführer von ihnen.

Um die geht es aktuell aber gar nicht so richtig. Ein Minderheit fährt nämlich Züge auf dem Bahnhofsgelände, kuppelt die Wagen und stellt ganze Züge zusammen. Diese rund 3100 Lokrangierführer werden derzeit von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten. Sie sind in der Regel geringer qualifiziert und verdienen deshalb auch ein bisschen weniger.

Die GDL will künftig aber auch diese Beschäftigten vertreten. Insgesamt arbeiten rund 3100 Lokrangierführer für die Deutsche Bahn. 2500 von ihnen fahren die Züge aber dann nicht nur ausschließlich auf dem Bahnhofsgelände, sondern auch mal zwischen den Bahnhöfen, etwa um einzelne Wagen oder einen Teilzug zur Werkstatt zu fahren. Die Lokrangierführer legen also eindeutig „Strecke“ zurück – und sollen deshalb auch genau so viel verdienen wie die ganz normalen Streckenlokführer. "Diese Lokrangierführer fahren in aller erster Linie Züge", sagt Weselsky. Und deshalb sollte es für sie die gleichen Bedingungen geben.

Im Kern hat Weselsky damit recht. Denn die Einteilung der Lokführer in jene, die viele Tausend Kilometer pro Woche durch Deutschland unterwegs sind, und jene, die innerhalb eines Betriebsbahnhofs und zwischen Stationen und Werkstätten hin und her fahren, hat sich historisch ergeben. In den früheren Tarifvereinbarungen zwischen Deutsche Bahn, GDL und EVG hatte man sich auf sechs Tarifgruppen geeinigt, von denen die Gruppe der Lokführer in die Zuständigkeit der GDL fiel – mit Ausnahmen dieser kleinen Gruppe von Lokrangierführern. Die gehörte einer der fünf anderen Beschäftigtengruppen an.

Die GDL will diese Beschäftigtengruppe nun ebenfalls tarifieren, so wie sie auch Zugbegleiter und die Mitarbeiter in den Bordrestaurants in ihren Vertretungsbereich übernehmen will. Das ist ihr gutes Recht, nachdem die obersten Gerichte mit Verweis auf die Verfassung geurteilt haben, dass Gewerkschaften für all ihre Mitglieder Tarifverträge abschließen können. Eine Schlichtung lehnt Weselsky kategorisch ab. "Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten."

Doch Weselsky und seine GDL gehen damit ein Risiko ein. Bislang hatte er die Richter auf seiner Seite. Die Versuche der Deutschen Bahn, die bisherigen sieben Streiks als unverhältnismäßig verbieten zu lassen, liefen ins Leere. Doch möglicherweise urteilen die Richter dieses Mal anders. Wenn ganz Deutschland still steht, um für die Löhne von ein paar Dutzend Beschäftigten zu streiken, dann dürften auch die Richter die Streiks nicht mehr ohne weiteres als verhältnismäßig durchwinken.

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