Bain & Company "Das nächste Google könnte aus Deutschland kommen"

In der Beraterszene reichen bloße Empfehlungen an Unternehmen nicht mehr aus. Der Welt- und der Deutschlandchef der Beratung Bain über ihre Wachstumspläne und wie sich das Silicon Valley einholen lässt.

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Bain & Company im Interview Quelle: Pressebild, Montage

WirtschaftsWoche: Herr Bechek, Herr Sinn, die Unternehmen haben sehr viel Wissen aufgebaut und besitzen oft große eigene Strategieabteilungen. Wofür brauchen sie noch Berater?
Bob Bechek: Die Kunden werden immer anspruchsvoller. Sie fordern, dass wir Mehrwert abliefern und nicht nur Empfehlungen. Wir helfen ihnen, unsere Konzepte auch umzusetzen – und das in bis zu 20 Ländern gleichzeitig.
Walter Sinn: Anspruchsvolle Kunden sind für uns auch ein Vorteil. Für viele globale Projekte kommen oft nur wirklich global agierende Beratungen in Frage. Kleineren Häusern fehlen die Ressourcen und das Netzwerk. An der Spitze wird die Konkurrenz dünner.

Zur Person

Was beschäftigt Ihre Kunden besonders?
Bechek: Dominierendes Thema ist die Suche nach profitablem Wachstum. Auch in schwächeren Volkswirtschaften verdienen die Unternehmen gut und können investieren. Angesichts des mageren Wachstums in Europa orientieren sich deutsche Unternehmen noch mehr in andere Länder. Zweites großes Thema ist die Digitalisierung, die alle Branchen grundlegend verändert.

Bain-Weltchef Bob Bechek (links) und Deutschlandchef Walter Sinn. Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Warum brauchen Unternehmen dafür Berater?
Sinn: Die Königsdisziplin sind komplexe Transformationen. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel seine Lieferketten in China umstellt, muss es auch wissen, wie es sein geistiges Eigentum schützt und das Managementteam umbaut. Wenn ein Konsumgüterhersteller sein Angebot global neu ausrichtet, kann das zu Verkäufen einzelner Marken führen. Dafür braucht man eine Beratung, die weltweit Erfahrungen in diesen Branchen aufweist. Oder nehmen Sie die Banken, die ihre Geschäftsmodelle weltweit an die verschärfte Regulierung anpassen müssen. Dafür fehlen ihnen allein oft die Ressourcen, eine Beratung mit internationaler Präsenz und Expertise kann sie da unterstützen.

Bei kleineren Projekten gibt es deutlich mehr Wettbewerb. Die großen Wirtschaftsprüfer rüsten auf und viele Konzerne haben interne Beratungen aufgebaut.
Bechek: Unternehmensberatung ist weltweit ein sehr fragmentiertes und umkämpftes Geschäft. Die Wirtschaftsprüfer investieren seit Jahren viel Geld, um aufzuschließen. Sie werben Berater ab oder übernehmen kleinere Gesellschaften. Aber die Zahl der Projekte, bei denen sie mit uns konkurrieren, hat kaum zugenommen.

So erkennen Sie gute Berater

Sinn: Die internen Beratungen sind für uns keine echten Wettbewerber. Im Gegenteil: Wir arbeiten oft eng mit ihnen zusammen. Die Welt ist so komplex und turbulent, dass die Unternehmen nicht für alle Herausforderungen interne Spezialisten vorhalten können. Da brauchen sie Hilfe von außen.

Wird Ihr Geschäft dadurch schwieriger, dass Unternehmen wie Google und Apple oder auch Startups für die besten Absolventen attraktiver sind als Beratungen?
Bechek: Wir haben kaum Probleme, die richtigen Leute für uns zu finden, weil wir eine starke Marke haben und etwa die Anziehungskraft der Finanzbranche abgenommen hat. Aber natürlich sind Startups heute eine interessante Option, solange Börsengänge so gut funktionieren wie derzeit. Wenn einer unserer Berater selbst gründet, begrüßen wir das. Wir bilden unsere Leute dazu aus, unternehmerisch zu denken.
Sinn: Ich glaube, dass die Lernkurve nirgendwo so groß ist wie in einer globalen Unternehmensberatung. Wir haben Jahrzehnte daran gearbeitet, unsere Personalentwicklung weiter zu verbessern. Das ist in einem Startup schwierig. Die Arbeit dort wird gerne auch romantisiert.

Die Digitalisierung verändert das Geschäft

Die Digitalisierung verändert auch Ihr Geschäft, Daten sind für Ihre Kunden deutlich leichter verfügbar. Wie reagieren Sie?
Bechek: Wir haben eine weltweite Expertengruppe zur fortgeschrittenen Analyse von Daten aufgebaut. Sie arbeitet zum Beispiel eng mit den Fachleuten für Handel und Telekom zusammen, um auf Grundlage der enorm gewachsenen Datenmenge bessere Voraussagen zum Verhalten der Kunden zu treffen. Daten zu haben allein reicht nicht, man muss auch wissen, wie man sie nutzt.
Sinn: Für das Beratungsgeschäft bietet die Digitalisierung enorme Chancen, weil sie Unternehmen aller Branchen an vielen Stellen gleichzeitig betrifft. Das reicht von der Kundenansprache bis zur Fabrik der Zukunft. Ohne das Thema Digitalisierung können Unternehmen heute keine Strategie entwickeln.

Deutschland ist ein von der Industrie dominiertes Land. Die digitale Revolution findet in den USA statt. Werden deutsche Unternehmen international abgehängt?
Sinn: Deutsche Manager unterschätzen teilweise noch, wie viele wertvolle Informationen es in ihrer Wertschöpfungskette gibt und welche Veränderungen mit der heutigen Technologie bei der Ansprache von Kunden, beim Service und in der Produktion möglich sind. Wenn sie die Chancen nutzen, können sie auch künftig Marktführer sein. Das gilt besonders auch für den deutschen Mittelstand und den Kern unserer Industrieunternehmen.
Bechek: Tatsächlich sind es zurzeit vor allem US-Unternehmen, die wichtige Technologien von Halbleitern bis zur Software entwickeln und bereitstellen. Das heißt aber nicht, dass sie künftig die Welt dominieren, im Gegenteil. Produzierende Unternehmen wie Autokonzerne oder Maschinen- und Anlagenbauer haben bessere Chancen, die neue Technologie für sich und ihre Kunden zu nutzen als deren Hersteller. Diese Unternehmen können und dürfen nicht so weit gehen, dass sie ihre physischen Aktivitäten aufgeben und sich nur noch auf das Digitalgeschäft konzentrieren. Sie müssen beides vorantreiben.

Trotzdem finden die großen digitalen Erfolgsgeschichten in den USA statt.
Sinn: In Deutschland fehlt es nicht an Ideen, aber mitunter an der Vermarktung und am Kapital. Einige der wichtigsten US-Investoren haben sich aber erst kürzlich an interessanten deutschen Digital-Startups beteiligt. Der Trend wird sich fortsetzen, aber wir müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen verbessern.
Bechek: Um das Silicon Valley ist mit einem einzigartigen Netz aus Universitäten, Unternehmern, Arbeitskräften und Kapitalgebern ein Kreislauf der Innovation entstanden. Der setzt sich immer weiter fort. Ähnliche Bedingungen gibt es heute aber auch an anderen Orten, etwa in Indien, Tel Aviv, Schanghai und Berlin. Das nächste Google könnte aus Deutschland kommen.

Dennoch sieht es derzeit so aus, dass die USA Europa abhängen. Was sind die Folgen?
Bechek: Die aktuellen Bewertungen an den Börsen legen diesen Schluss nahe. Die Wirtschaft läuft gut, vor allem Technologieunternehmen verdienen blendend. Ich warne aber vor zu viel Optimismus. Die USA müssen Antworten auf fundamentale Probleme bei Infrastruktur und Bildung finden. Europa steht schwächer da und hat mit Belastungen wie hoher Verschuldung und alternder Bevölkerung zu kämpfen. Es bleibt aber ein sehr großer und wohlhabender Markt. Wir investieren weiter in den Ausbau unseres Geschäfts, vor allem in Deutschland.
Sinn: Wir rechnen hier mit einer robusten Entwicklung, die deutschen Unternehmen profitieren auch vom schwachen Euro. Jeder Aufschwung bleibt aber fragil, solange die Probleme der Währungsunion nicht gelöst sind.

Welche Ziele hat Bain in diesem Jahr?
Bechek: Unser Geschäft ist bisher weltweit deutlich zweistellig gewachsen, Treiber ist vor allem die Nachfrage in Asien und den USA, aber auch in Europa läuft es gut. Wir liegen gut im Plan, am Ende des Jahres ein zweistelliges Plus erreicht zu haben.

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