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Elon Musk ist ein Totengräber der Aktionärsdemokratie

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Der reichste Mann der Welt will Twitter transparenter machen. Doch indem er die Firma von der Börse nimmt, beweist er das Gegenteil – und verstärkt einen fatalen Trend.

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Zu seinen beliebtesten Tatorten gehören auch Toiletten. Elon Musk bricht gerne Tabus. Er kifft im Radiostudio, terrorisiert Mitarbeiter mit unpopulärem Mikromanagement – und kommuniziert offen, dass er auf dem stillen Örtchen die lautesten Tweets ausscheidet. Der Tesla-Gründer leidet an Twitterö und macht daraus kein Geheimnis. Ganz im Gegenteil. Er will mit der Plattform weltweit das Recht auf Free Speech sichern. Und so kauft sich der reichste Mann der Welt für 44 Milliarden Dollar ein Trophy-Asset, mit dem er in der Liga der Superreichen alle aussticht. Villen und Yachten waren gestern, Medienunternehmen sind es heute. Einen Machtfaktor zu besitzen, krönt das Ego. Mr. Amazon Jeff Bezos machte es mit der „Washington Post“ vor.

Künftig sollen laut Musk Algorithmen offengelegt, Filter abgeschafft und politisch überkorrekte Kontosperrungen verhindert werden. Endlich Transparenz und Meinungsfreiheit, freuen sich die einen. Das bedeutet Feuer frei für Donald Trump, Verschwörer und Co., befürchten die anderen.

Tatsächlich lässt sich darüber streiten, ob ein verhaltensauffälliges Genie nicht besser weiter E-Autos bauen sollte, statt eine demokratierelevante Informationsmaschine zu beherrschen. Aber eines scheint jetzt schon klar: Elon Musk löst sein Versprechen für mehr Transparenz nur zur Hälfte ein. Indem er Twitter (und laut einem früheren Tweet vielleicht auch Tesla) von der Börse nehmen will, gehört er zu den Totengräbern der Aktionärsdemokratie und letztlich der modernen Marktwirtschaft, in der freier Informationsfluss für eine effiziente Zuteilung der Ressourcen sorgt.

Wer mit der demokratischen Meinungsfreiheit Geld verdient, sollte auch die Möglichkeit der Teilhabe am Profit demokratisieren. Stattdessen flüchtet sich Musk mit seinem Going Private in einen Blackbox-Status. Damit stützt er den fatalen Trend zur Entmachtung der Börse. Die Schwemme billigen Geldes verschaffte immer mehr Superreichen und Private-Equity-Fonds die Möglichkeit, Firmen von der Börse zu nehmen – mit der offiziellen Begründung, nicht mehr unter der investitionshemmenden Kurzfristigkeit leiden zu müssen.

Inoffiziell suchen sie die Befreiung von lästigen Kontrollen und kritischen Aktionären. Am Ende interessieren sich noch weniger Wähler für eine wirtschaftsfreundliche Politik, weil sie das Eigeninteresse an einem positiven Umfeld für Aktiengesellschaften verlieren. Vielleicht sollte Musk noch mal in sich gehen. Er weiß ja, wo.

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