BASF-Rückzug KWS Saat bleibt bei grüner Gentechnik

Nach dem Rückzug von BASF ist der Saatgutspezialist KWS-Saat das einzige Unternehmen, das in Deutschland noch auf grüne Gentechnik setzt.

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Mais für die Welt - Die KWS-Saat geht auf Quelle: AP

Am Stadtrand von Einbeck im südlichen Niedersachsen tüfteln Forscher in roten Backsteingebäuden an etwas, woran sich kein anderes Unternehmen in Deutschland mehr wagt. Sie arbeiten an gentechnisch veränderten Pflanzen, die Schädlinge abhalten oder Bauern höhere Erträge bringen sollen. Hinter den Laborräumen, in denen Forscher mit Pflanzgut in Petrischalen experimentieren, liegen die Gewächshäuser. Der Pflanzenzüchter KWS ist auf die Forschung an Zuckerrüben, Mais und Getreide spezialisiert. In der Eingangshalle ist auf einem Schriftband ein Goethe-Zitat zu lesen: „Mit dem Wissen wächst der Zweifel.“

Bislang ist Einbeck eher für sein Bier und seine Fachwerkhäuser bekannt. Künftig wird das in der Nähe von Göttingen gelegene 26.000-Einwohner-Städtchen zum Zentrum der grünen Gentechnik in Deutschland. Die 1856 als Kleinwanzlebener Saatzucht gegründete KWS Saat AG mit mehr als 3.500 Mitarbeitern ist bald das einzige Unternehmen, das in Deutschland noch auf Genpflanzen setzt. Das KWS-Geschäft mit dem Saatgut brummt – dank Forschungsstärke, hoher Qualität und Kontinuität durch die Familieneigentümer.

Mangelnde Akzeptanz

Bayer hat die Forschung an grüner Gentechnik schon vor Jahren ins Ausland verlagert. Das holt nun auch BASF nach, wie die WirtschaftsWoche kürzlich exklusiv meldete. Vergangene Woche bestätigte der Konzern die Abzugspläne in die USA. Nur eine Dependance in Berlin bleibt in Deutschland erhalten. Vorstand Stefan Marcinowski klagte über die mangelnde Akzeptanz der Zukunftstechnologie in Deutschland und Europa. So habe die EU die Hürden für Freilandversuche noch einmal heraufgesetzt.

Die BASF-Entscheidung schlug Wellen: Während Greenpeace, das Risiken für Mensch und Natur befürchtet, frohlockte, sorgten sich viele CDU- und FDP-Politiker um den Innovationsstandort Deutschland. „Es ist ein harter Rückschlag, wenn so etwas bei uns nicht mehr möglich ist und nur noch auf anderen Kontinenten gemacht werden kann“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle.

Wettbewerbsvorteil nutzen

Protest gegen den Genmais - Während Greenpeace Risiken für Mensch und Natur befürchtet, sorgen sich viele Politiker um den Innovationsstandort Deutschland. Quelle: REUTERS

Auch KWS-Vorstandschef Philip von dem Bussche, der schon mal im roten Pullover und in heller Cordhose über die Gänge läuft, ärgert sich über die mangelnde Akzeptanz in Deutschland und Europa. Trotzdem will er mit seiner grünen Gentechnik in der Heimat bleiben. Die kurzen Wege zwischen Forschern und Marktexperten in Einbeck sieht von dem Bussche als Wettbewerbsvorteil gegenüber bürokratischeren Konzernen. Hinter den Riesen Monsanto, DuPont (beide USA) und der Schweizer Syngenta ist KWS der viertgrößte Saatguthersteller.

Gute Mischung

KWS setzt nicht nur auf grüne Gentechnik: Mehr als zwei Drittel des Jahresumsatzes von 855 Millionen Euro stammen aus konventionell gezüchtetem Saatgut, das vor allem in Europa verkauft wird. In den USA vertreiben die Niedersachsen etwa Saatgut für einen gentechnisch veränderten Mais, der gegen die Angriffe des Schädlings Maiszünsler gefeit ist.

In rund 70 Ländern der Welt sind die Einbecker aktiv: Sein Zuckerrübensaatgut vermehrt KWS etwa in Südwestfrankreich und Norditalien. In Einbeck wird das Saatgut dann aufbereitet und verpackt.

Mit der Mischung aus klassischem und gentechnisch verändertem Saatgut fährt KWS gut: Die Einbecker haben Umsatz und Gewinn in den vergangenen zehn Jahren um jeweils etwa zehn Prozent steigern können. Für die Profitabilität sorgt die hohe Qualität, für die KWS in der Agrarbranche bekannt ist und die gute Preise ermöglicht. Die Qualität wiederum hat ihre Wurzeln in der Forschungsstärke: Gut 15 Prozent des Umsatzes investiert KWS dafür.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die stabile Aktionärsstruktur: Neben den Gründerfamilien Büchting und Giesecke zählen die Unternehmer Arend Oetker (Schwartau) und Hans-Joachim Tessner (Roller Möbel) zum Inhaberkreis. Etwa 30 Prozent der Aktien befinden sich im Streubesitz. Die Mehrheit halten die Familiengesellschafter – und können dadurch auch in schwierigen Zeiten die Kontinuität sichern.

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