Der Essener Baukonzern Hochtief plant den Abbau von rund 700 Arbeitsplätzen – überwiegend in Deutschland. Dies erfuhr die WirtschaftsWoche aus Konzernkreisen. Ein entsprechender Jobverlust in der Europa- und Bausparte Hochtief Solutions soll 2013 umgesetzt werden. Gründe sind angeblich unter anderem der schwache Auftragseingang im Bereich Projektentwicklung und die Schwierigkeiten beim Verkauf der Hochtief-Immobilientochter Aurelis. Hochtief-Niederlassungen in Hamburg, Berlin, München und im Rhein-Main-Gebiet wären voraussichtlich von den Stellenstreichungen betroffen.
Hochtief teilt auf Anfrage zu den geplanten personellen Einschnitten mit, die laufende Analyse des Europageschäfts sei „noch nicht abgeschlossen“, es gebe „keine Beschlüsse in irgendeine Richtung“. Eindeutig kein Dementi.
Die Abbaumaßnahme soll in den vergangenen Wochen im Vorstand diskutiert worden sein, sind aber zwischen dem deutschen Management und dem spanischen Hochtief-Eigentümer ACS angeblich umstritten. Am Samstag war bekannt geworden, dass Hochtief-Solutions-Vorstandschef Rainer Eichholz in der morgigen Aufsichtsratssitzung ebenso von seinen Aufgaben entbunden wird wie Hochtief-Konzernvorstandschef Frank Stieler, der zudem Aufsichtsratschef der Sparte Hochtief Solutions ist. Stieler kam 2009 von Siemens Oil & Gas zu Hochtief. Erst seit eineinhalb Jahren ist er Konzernchef. Vor ihm musste Herbert Lütkestratkötter, der nach dem verlorenen Abwehrkampf gegen ACS seinen Chefsessel räumen.
Verdes sollte bereits im Frühjahr kommen
Nun gibt es also einen erneuten Wechsel an der Spitze – und er scheint vor langer Hand geplant. Dass Konzernchef Stieler am Dienstag durch den ACS-Manager Marcelino Fernández Verdes ersetzt wird, hatte der Hochtief-Aufsichtsrat nach WirtschaftsWoche-Informationen im Frühjahr noch verhindert.
Verdes, ein langjähriger ACS-Manager, ist erst seit April 2012 im Vorstand des Baukonzerns und bislang verantwortlich für das Amerika-Geschäft. Manfred Wennemer, Noch-Aufsichtsratsvorsitzender von Hochtief und ehemaliger Conti-Chef, hatte Verdes in einem Zeitungsinterview gute Kontakte zu ACS-Chef Florentino Pérez bescheinigt.
Da das von ACS dominierte Gremium – wie am Samstag bekannt wurde - die Personalie Stieler/Verdes bei der Sitzung am Dienstag nun doch beschließen will, soll entscheidend zur überraschenden Entscheidung von Wennemer beigetragen haben, sein Mandat beim größten deutschen Baukonzern zum Jahresende niederzulegen. Am Wochenende hieß es noch, er scheide „aus persönlichen Gründen“ aus.
Der Weggang von Wennemer, Stieler und Eichholz bilden den bisherigen Höhepunkte des Manager-Exodus bei Hochtief. Eingeläutet durch den Einstieg von ACS hat eine ganze Reihe von Top-Leuten den Konzern verlassen.
Wer Hochtief bereits verlassen hat
Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Vorstandschef Marcelino Fernández den Geschäftsführer der Hochtief-Solutions-Sparte Energie und Infrastruktur, Stephan Hebgen, von seinen Aufgaben freigestellt. Ende Oktober 2013 verabschiedete sich Hebgen, der zudem Mitglied im Solutions-Aufsichtsrat war und dort die Leitenden Angestellten vertrat, in einer E-Mail von den Mitarbeitern.
Die spanische Mutter ACS setzt Hochtief-Chef Frank Stieler Ende November 2011 vor die Tür. Er hatte sein Amt erst im Mai 2011 angetreten. Insider vermuten, Stieler haben den Spaniern die Probleme der Tochter nicht schnell genug gelöst und Verkaufspläne nicht entschieden genug vorangetrieben.
Schränkler, 48, leitet als Vorstandsvorsitzender die Sparte Concessions und war Chef der Flughafensparte. Die Sparte hat Chef Stieler zum Teil schon auf andere Manager übertragen, die Flughafensparte steht zum Verkauf. Schränkler muss sich "neuen beruflichen Herausforderungen stellen". Seine Aufgaben übernehmen die beiden verbliebenen Geschäftsführer Holger Linkweiler und Gerhard Schroeder.
Im September 2011 wird Personalchef Gerhard Peters entmachtet. Brisant ist die Entmachtung, weil Peters im Hochtief-Aufsichtsrat sitzt und dort zu den Gegnern der Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS zählte.
Auch Bernward Kulle, Vorstand der Tochter Concessions und Spezialist fürs Geschäft mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), reichte kurz nach der Übernahme die Kündigung ein.
Rocksien, 49, Cheflobbyist in Berlin und Leiter der Abteilung Politik und Verbände der Hochtief AG, verkündete Mitte Dezember 2011 seinen Abschied. Rocksien hatte seit September 2010 vergebens versucht, Bundesregierung und Abgeordnete zu einer schnellen Änderung des Wertpapierübernahmegesetzes zu bewegen, um die feindliche Übernahme von Hochtief durch ACS zu verhindern.
Rohr verlässt den Konzern Ende Dezember 2011. Er war 15 Jahre im Konzern und leitete das Amerika-Geschäft und die Flughafensparte. Rohr war der letzte Konzernvorstands der Lütkestratkötter-Ära und zu diesem Zeitpunkt der achte Top-Abgang seit Stielers Amtsantritt.
Die Leiterin der Konzernkommunikation, Jutta Hobbiebrunken, verlässt ebenfalls nach der verlorenen Übernahmeschlacht Mitte Mai 2011 das Unternehmen. Hobbiebrunken galt als enge Vertraute des früheren Vorstandschefs Herbert Lütkestratkötter. Sie war seit 1994 bei Hochtief und baute die Konzernkommunikation im In- und Ausland auf.
Vorstandsmitglied Peter Noé wollte nach dem Einstieg der Spanier nicht länger für Hochtief tätig sein, er verabschiedete sich kurz nach der feindlichen Übernahme im Mai 2011.
Finanzvorstand Burkhard Lohr tritt kurz nach der Übernahme durch ACS ab. Lohr mochte sich nicht mit dem neuen Mehrheitseigner abfinden. Er wird durch vom ehemaligen Ferrostaal-Manager Peter Sassenfeld ersetzt.
Ende Oktober 2011 wirft der Vorstandschef der Bausparte Hochtief Solutions, Henner Mahlstedt, den Bettel hin.
Der Finanzvorstand der Sparte Solutions, Heiner Helbig, 54, wirft im Herbst 2011 das Handtuch, gemeinsam mit seinem Kollegen Henner Mahlstedt.
Warum Stieler nun seinen Hut nehmen muss, ist Gegenstand vieler Spekulationen. Insider vermuten, er müsse möglicherweise gehen, weil ACS-Chef Florentino Perez selbst unter Druck stehe und zeigen müsse, dass das Investment in Hochtief sich lohne - und wer in Essen das Sagen habe. Durch Personalwechsel lasse sich dies nach außen zeigen. ACS wollte sich auch am Montag nicht äußern. Andere glauben, ACS wolle nicht länger warten, bis Stieler die Probleme im Konzern gelöst habe. Hochtief versucht seit Jahren seine Flughafenbeteiligungen zu verkaufen – bisher ohne Erfolg.
Die bis zu 1,5 Milliarden Euro, die Stieler dem Vernehmen nach aus dem Verkauf erwartet, braucht Hochtief unter anderem für Investitionen in sein neues Geschäftsfeld, den Bau von Offshore-Windkraftwerken. Der Verkauf scheiterte aber – vor allem an den Problemen der Airports Budapest und Athen. Trotzdem peilte Stieler für 2012 zuletzt einen Vorsteuergewinn von knapp 550 Millionen und ein Nettoergebnis von 180 Millionen Euro an. Vor zwei Wochen erst setzte er aber selber ein Fragezeichen hinter die Zahlen: „Nach den Vorsorgen, die wir in Europa im ersten Halbjahr getroffen haben, wird es deutlich anspruchsvoller sein, diese Ziele zu erreichen.“
Was Stieler vorzuwerfen ist
2011 machte Hochtief Verlust und zahlte keine Dividende, mit der ACS aber gerechnet hatte. Die früher glänzende Hochtief-Ertragsperle, der australische Bauriese Leighton, gab in diesem Frühjahr wie schon 2011 eine Gewinnwarnung heraus. Die Verluste der Australier ließen den gesamten Konzern 2011 in die roten Zahlen rutschen. Eine Selbstanzeige des Leighton-Konzerns wegen Korruption im Irak verunsichert die Investoren zusätzlich. Mittlerweile aber hat Leighton seine wichtigsten Problemprojekte fertiggestellt. Mit 258 Millionen Euro Vorsteuergewinn im bisherigen Jahresverlauf haben die Australier den Dreh in die schwarzen Zahlen geschafft. Die Neuaufträge nahmen sogar um 61 Prozent zu. Stieler kann also durchaus Erfolge verbuchen.
Gemeinsam mit dem starken Geschäft in Nordamerika (21 Prozent mehr Aufträge) lässt sich der Rückgang in Europa (13 Prozent weniger Aufträge) abfedern. Im gesamten Konzern hat Hochtief derzeit mit 50 Milliarden Euro das größte Auftragspolster seiner Geschichte.
Zu optimistisch gewesen
Zu den Problemkinder zählt noch die zum Verkauf stehende Immobilientochter Aurelis, die sich nach wie vor nicht zu Geld machen lässt. Und dann drücken da noch die Rückstellungen, die Hochtief wegen der Verzögerungen am Bau der Elbphilharmonie, bilden musste. Stieler hat weder das Australien- noch das Airport-Problem verursacht – beide aber auch nicht gelöst. Der 52-Jährige tauschte in Sydney das Leighton-Management aus und rief eine monatlich tagende Achter-Runde ins Leben, die die internationale Abstimmung verbessern soll.
Der blamable Streit um Preisexplosion und Verzögerungen beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie ist zum geringsten Teil dem locker auftretenden Juristen anzulasten. Was die Spanier Stieler vorwerfen können, ist, dass er von Beginn an zu früh die Lösung der Probleme angekündigt hat – und später zurückrudern musste.
Welche Gründe ACS – offiziell oder inoffiziell – für den Managerwechsel anführen wird, Analysten und Aktionärsvertreter erhalten den Eindruck, dass die mit 9,2 Milliarden Euro verschuldete ACS-Gruppe, auf eine Zerschlagung von Hochtief hinarbeitet. Die Spanier brauchen dringend Geld und das könnte durch Verkäufe der Töchter in den USA oder der australische Beteiligung Leighton in die Kassen kommen. Im Juli hatte ACS schon 30,22 Prozent der Hochtief-Anteile an die spanische Großbank BBVA verpfänden müssen. Verkaufserlöse und damit verbundene Sonderdividenden aus Essen könnten nun helfen, den Schuldenberg abzutragen und die Aktien wieder auszulösen.
Die Aktie startete am Montag zu einem regelrechten Höhenflug. Das Papier legte an der Börse um knapp fünf Prozent zu. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler warnte davor, eine Strategie über die Köpfe der freien Aktionäre hinweg zu führen. Analyst Marc Nettelbeck von der DZ Bank verwies auf eine anhaltende Unsicherheit über die künftige Strategie des vorgeschlagenen neuen Hochtief-Chefs.
Eine Zerschlagung des Baukonzerns sei allerdings schwierig, da sie vermutlich Vereinbarungen brechen würde. Diese habe Hochtief Ende 2010 mit circa 160 Banken geschlossen. Da ihre Verletzung eine Neuverhandlung der gesamten Konzernfinanzierung nach sich ziehen würde, stellten sie eine starke Schutzmaßnahme dar.
Mit Material von dpa und Reuters