Baukonzern Hochtief plant Abbau von 700 Arbeitsplätzen

Bei Hochtief sollen 700 Arbeitsplätze wegfallen - hauptsächlich in Deutschland. ACS-Manager Marcelino Fernández Verdes sollte schon im Frühjahr Konzernchef Frank Stieler ablösen. Das erfuhr die WirtschaftsWoche exklusiv.

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Die Schwächen von Hochtief
Schwäche - Die unerwarteten Entscheidungen des GroßinvestorsACS-Präsident Florentino Perez hatte die Übernahmeschlacht eingeleitet. Ende März 2007 sagte der damalige Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel noch: „ACS hat zugesagt, seine Beteiligung von 25,08 Prozent nicht aufzustocken. Wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln.“ Kurz zuvor war ACS beim deutschen Unternehmen eingestiegen - zur Erleichterung vieler. Das Bekenntnis von ACS sorgte für Ruhe. Wochenlang hatten Spekulationen über den Einstieg eines Finanzinvestors den Baukonzern gelähmt. ... Quelle: dpa
... Die Zusage hielt nicht lange. Im September 2010 stockte ACS auf, erst auf über 30 Prozent, schließlich auf über 50 Prozent. Und nun wollen die Spanier die ganze Macht. Das Problem: Der vermeintlich starke Ankeraktionär ist nicht stark. Er leidet unter hoher Verschuldung, schreibt rote Zahlen. Der spanische Heimatmarkt kollabiert. Nun ist die Unruhe des Jahres 2007 wieder da, Mitarbeiter fürchten die Zerschlagung. Ganz anders sieht die Situation bei Bilfinger aus. Zwar ist auch dort ein Großaktionär an Bord. Vor gut einem Jahr kaufte Cevian Capital 12,6 Prozent der Papiere. Doch bisher bleibt es ruhig. Konzernchef Roland Koch gelingt es offenbar gut, Cevian zufriedenzustellen. Quelle: dapd
Schwäche - Zu starker Fokus auf dem reinen BaugeschäftFür Außenstehende mutet es auf den ersten Blick skurril an, wenn Spezialisten eines Baukonzerns anrücken, um beispielsweise die Pumpen in einer chemischen Anlage zu warten. Schließlich hat das mit Bauen wenig zu tun. Doch Hochtief-Konkurrent Bilfinger macht genau das schon seit Jahren und mit wachsendem Erfolg. 80 Prozent der Konzernleistung von zuletzt 8,5 Milliarden Euro stammen mittlerweile aus Dienstleistungen - wie dem Betrieb von Gebäuden oder der Instandhaltung von Industrieanlagen. Beim Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) liegt der Anteil sogar bei gut 90 Prozent. ... Quelle: dapd
... Zwar drängt auch Hochtief in diese Geschäfte vor. Doch anders als bei Bilfinger sind es bislang vor allem Dienstleistungen im direkten Umfeld des Bauens - etwa der Betrieb von Gebäuden wie Flughäfen. Wohl auch deshalb weisen die Essener ihren Service-Umsatz nicht separat aus. Damit ist Hochtief immer noch weitaus stärker von der allgemeinen Baukonjunktur abhängig als Konkurrent Bilfinger, der konstante Umsätze durch langfristige Service-Verträge erreicht. Quelle: dapd
Schwäche - Unzuverlässigkeit des AuslandsgeschäftsDas Auslandsgeschäft von Hochtief zeichnet sich seit Jahren durch extreme Schwankungen aus. Das gilt vor allem für die australische Tochter Leighton. Die schockte im April 2011 mit einer Gewinnwarnung und massiven Problemen. Der Bau einer Entsalzungsanlage verzögerte sich, das Wetter setzte den Australiern zu und ein Flughafenzubringer wurde viel zu teuer. Mehr als ein Jahr später sieht die Welt in "Down Under" zwar wieder besser aus. Die Zahlen für das dritte Quartal 2012 sind auch deshalb so gut, weil Leighthon derzeit brummt. Quelle: dpa
... Doch die hohen Schwankungen im Geschäft der Baukonzerne werden bleiben. Konkurrent Bilfinger hat daraus bereits Konsequenzen gezogen. Der Mannheimer Baukonzern verkaufte im Dezember sein Australiengeschäft. Nicht nur das Risiko wurde damit reduziert. Der Deal sorgte darüber hinaus für einen zusätzlichen Gewinn von 160 Millionen Euro. Auch von Teilen des zyklischen US-Geschäfts hat sich Bilfinger mittlerweile getrennt - und ist damit konsequenter als Hochtief.Das Bild zeigt Wirtschaftsminister Philipp Rösler beim Besuch einer Baustelle am Ground Zero in New York. Die Hochtief-Tochtergesellschaft Turner ist an dem Projekt beteiligt.
Schwäche - Die Schulden und die RenditeEine Milliarde Euro Verlust hat Spaniens Bauriese ACS in den ersten neun Monaten erwirtschaftet. An der deutschen Tochter Hochtief hat es nicht gelegen. Sie verbuchte einen Gewinn von 92 Millionen Euro. Aber: Die Verluste der Mutter und die Querelen um die Integration färben auf die Bilanz von Hochtief ab. Gegenüber dem Krisenjahr 2009, als ACS noch willkommener Ankeraktionär war, hat sich der Nettogewinn von 192 auf 176 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr verringert. Konkurrent Bilfinger konnte im selben Zeitraum seinen Nettogewinn auf 270 Millionen Euro verdoppeln. ... Quelle: dpa

Der Essener Baukonzern Hochtief plant den Abbau von rund 700 Arbeitsplätzen – überwiegend in Deutschland. Dies erfuhr die WirtschaftsWoche aus Konzernkreisen. Ein entsprechender Jobverlust in der Europa- und Bausparte Hochtief Solutions soll 2013 umgesetzt werden. Gründe sind angeblich unter anderem der schwache Auftragseingang im Bereich Projektentwicklung und die Schwierigkeiten beim Verkauf der Hochtief-Immobilientochter Aurelis. Hochtief-Niederlassungen in Hamburg, Berlin, München und im Rhein-Main-Gebiet wären voraussichtlich von den Stellenstreichungen betroffen.

Hochtief teilt auf Anfrage zu den geplanten personellen Einschnitten mit, die laufende Analyse des Europageschäfts sei „noch nicht abgeschlossen“, es gebe „keine Beschlüsse in irgendeine Richtung“. Eindeutig kein Dementi.

Die Abbaumaßnahme soll in den vergangenen Wochen im Vorstand diskutiert worden sein, sind aber zwischen dem deutschen Management und dem spanischen Hochtief-Eigentümer ACS angeblich umstritten. Am Samstag war bekannt geworden, dass Hochtief-Solutions-Vorstandschef Rainer Eichholz in der morgigen Aufsichtsratssitzung ebenso von seinen Aufgaben entbunden wird wie Hochtief-Konzernvorstandschef Frank Stieler, der zudem Aufsichtsratschef der Sparte Hochtief Solutions ist. Stieler kam 2009 von Siemens Oil & Gas zu Hochtief. Erst seit eineinhalb Jahren ist er Konzernchef. Vor ihm musste Herbert Lütkestratkötter, der nach dem verlorenen Abwehrkampf gegen ACS seinen Chefsessel räumen.

Verdes sollte bereits im Frühjahr kommen

Frank Stieler, Vorstandsvorsitzender der Hochtief AG, und Marcelino Fernandez Verdes, Vorstandsmitglied bei der Hochtief AG. Quelle: dpa

Nun gibt es also einen erneuten Wechsel an der Spitze – und er scheint vor langer Hand geplant. Dass Konzernchef Stieler am Dienstag  durch den ACS-Manager Marcelino Fernández Verdes ersetzt wird, hatte der Hochtief-Aufsichtsrat nach WirtschaftsWoche-Informationen im Frühjahr noch verhindert.

Verdes, ein langjähriger ACS-Manager, ist erst seit April 2012 im Vorstand des Baukonzerns und bislang verantwortlich für das Amerika-Geschäft. Manfred Wennemer, Noch-Aufsichtsratsvorsitzender von Hochtief und ehemaliger Conti-Chef, hatte Verdes in einem Zeitungsinterview gute Kontakte zu ACS-Chef Florentino Pérez bescheinigt.

Da das von ACS dominierte Gremium – wie am Samstag bekannt wurde - die Personalie Stieler/Verdes bei der Sitzung am Dienstag nun doch beschließen will, soll entscheidend zur überraschenden Entscheidung von Wennemer beigetragen haben, sein Mandat beim größten deutschen Baukonzern zum Jahresende niederzulegen. Am Wochenende hieß es noch, er scheide „aus persönlichen Gründen“ aus.

Der Weggang von Wennemer, Stieler und Eichholz bilden den bisherigen Höhepunkte des Manager-Exodus bei Hochtief. Eingeläutet durch den Einstieg von ACS hat eine ganze Reihe von Top-Leuten den Konzern verlassen.

Wer Hochtief bereits verlassen hat

Warum Stieler nun seinen Hut nehmen muss, ist Gegenstand vieler Spekulationen. Insider vermuten, er müsse möglicherweise gehen, weil ACS-Chef Florentino Perez selbst unter Druck stehe und zeigen müsse, dass das Investment in Hochtief sich lohne - und wer in Essen das Sagen habe. Durch Personalwechsel lasse sich dies nach außen zeigen. ACS wollte sich auch am Montag nicht äußern. Andere glauben, ACS wolle nicht länger warten, bis Stieler die Probleme im Konzern gelöst habe. Hochtief versucht seit Jahren seine Flughafenbeteiligungen zu verkaufen – bisher ohne Erfolg.

Die bis zu 1,5 Milliarden Euro, die Stieler dem Vernehmen nach aus dem Verkauf erwartet, braucht Hochtief unter anderem für Investitionen in sein neues Geschäftsfeld, den Bau von Offshore-Windkraftwerken. Der Verkauf scheiterte aber – vor allem an den Problemen der Airports Budapest und Athen. Trotzdem peilte Stieler für 2012 zuletzt einen Vorsteuergewinn von knapp 550 Millionen und ein Nettoergebnis von 180 Millionen Euro an. Vor zwei Wochen erst setzte er aber selber ein Fragezeichen hinter die Zahlen: „Nach den Vorsorgen, die wir in Europa im ersten Halbjahr getroffen haben, wird es deutlich anspruchsvoller sein, diese Ziele zu erreichen.“

Was Stieler vorzuwerfen ist


Die größten Baukonzerne Europas
Bauarbeiter arbeiten auf einem Gerüst Quelle: AP
Bauarbeiter arbeiten auf einer Baustelle des Konzerns Strabag Quelle: dpa
Platz 8: COLAS SADer französische Konzern hat sich auf Straßen- und Schienenbau spezialisiert. Der Name des Konzerns, für den 73.600 Menschen arbeiten, setzt sich aus den englischen Wörtern "cold" und "asphalt" zusammen.Umsatz 2012: 13 Milliarden Euro Quelle: dpa
Baukräne unter grauem Himmel Quelle: AP
Ein Bauarbeiter erhitzt auf einer Baustelle Rohre Quelle: APN
Bauarbeiter in einem neu gebauten U-Bahn-Schacht Quelle: dpa/dpaweb
Ein Arbeiter des Bauunternehmens Hochtief weist einen Container ein Quelle: dpa

2011 machte Hochtief Verlust und zahlte keine Dividende, mit der ACS aber gerechnet hatte. Die früher glänzende Hochtief-Ertragsperle, der australische Bauriese Leighton, gab in diesem Frühjahr wie schon 2011 eine Gewinnwarnung heraus. Die Verluste der Australier ließen den gesamten Konzern 2011 in die roten Zahlen rutschen. Eine Selbstanzeige des Leighton-Konzerns wegen Korruption im Irak verunsichert die Investoren zusätzlich. Mittlerweile aber hat Leighton seine wichtigsten Problemprojekte fertiggestellt. Mit 258 Millionen Euro Vorsteuergewinn im bisherigen Jahresverlauf haben die Australier den Dreh in die schwarzen Zahlen geschafft. Die Neuaufträge nahmen sogar um 61 Prozent zu. Stieler kann also durchaus Erfolge verbuchen.

Gemeinsam mit dem starken Geschäft in Nordamerika (21 Prozent mehr Aufträge) lässt sich der Rückgang in Europa (13 Prozent weniger Aufträge) abfedern. Im gesamten Konzern hat Hochtief derzeit mit 50 Milliarden Euro das größte Auftragspolster seiner Geschichte.

Zu optimistisch gewesen

Zu den Problemkinder zählt noch die zum Verkauf stehende Immobilientochter Aurelis, die sich nach wie vor nicht zu Geld machen lässt. Und dann drücken da noch die Rückstellungen, die Hochtief wegen der Verzögerungen am Bau der Elbphilharmonie, bilden musste. Stieler hat weder das Australien- noch das Airport-Problem verursacht – beide aber auch nicht gelöst. Der 52-Jährige tauschte in Sydney das Leighton-Management aus und rief eine monatlich tagende Achter-Runde ins Leben, die die internationale Abstimmung verbessern soll.

Der blamable Streit um Preisexplosion und Verzögerungen beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie ist zum geringsten Teil dem locker auftretenden Juristen anzulasten. Was die Spanier Stieler vorwerfen können, ist, dass er von Beginn an zu früh die Lösung der Probleme angekündigt hat – und später zurückrudern musste.  

Welche Gründe ACS – offiziell oder inoffiziell – für den Managerwechsel anführen wird, Analysten und Aktionärsvertreter erhalten den Eindruck, dass die mit 9,2 Milliarden Euro verschuldete  ACS-Gruppe, auf eine Zerschlagung von Hochtief hinarbeitet. Die Spanier brauchen dringend Geld und das könnte durch Verkäufe der Töchter in den USA oder der australische Beteiligung Leighton in die Kassen kommen. Im Juli hatte ACS  schon 30,22 Prozent der Hochtief-Anteile an die spanische Großbank BBVA verpfänden müssen. Verkaufserlöse und damit verbundene Sonderdividenden aus Essen könnten nun helfen, den Schuldenberg abzutragen und die Aktien wieder auszulösen.

Die Aktie startete am Montag zu einem regelrechten Höhenflug. Das Papier legte an der Börse um knapp fünf Prozent zu. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler warnte davor, eine Strategie über die Köpfe der freien Aktionäre hinweg zu führen. Analyst Marc Nettelbeck von der DZ Bank verwies auf eine anhaltende Unsicherheit über die künftige Strategie des vorgeschlagenen neuen Hochtief-Chefs.

Eine Zerschlagung des Baukonzerns sei allerdings schwierig, da sie vermutlich Vereinbarungen brechen würde. Diese habe Hochtief Ende 2010 mit circa 160 Banken geschlossen. Da ihre Verletzung eine Neuverhandlung der gesamten Konzernfinanzierung nach sich ziehen würde, stellten sie eine starke Schutzmaßnahme dar.

Mit Material von dpa und Reuters

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