Baustellen-Pendelverkehr Fernbusse sind keine Alternative

Ein Flixbus auf der Autobahn Quelle: imago images

Auf einer wichtigen Schienenstrecke im Rheinland fallen wegen Bauarbeiten wochenlang Fern- und Nahverkehrszüge aus. Fernbusse sind keine Alternative. Denn noch immer bremst die Politik sie aus.

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Berufspendler im Rheinland müssen in den kommenden Wochen tapfer sein. Die Deutsche Bahn erneuert auf der verkehrsreichen Schienenstrecke zwischen Düsseldorf und Köln Weichen, Gleise und Schotter. Das ist im Prinzip ein gutes Zeichen, denn die Bahn bringt das Netz auf Vordermann.

Doch das Unternehmen sperrt dafür fast sechs Wochen lang eine 22 Kilometer lange Strecke zwischen den Rhein-Metropolen. Tausende von Arbeitnehmern, die pünktlich zur Arbeit kommen wollen, können statt ihrer herkömmlichen Züge entweder in die S-Bahn steigen oder müssen Regionalzüge mit Umleitungen in Kauf nehmen. Oder sie organisieren sich privat eine Alternative, um die Züge im Schneckentempo zu umgehen. Fakt ist: Alles dauert länger. Für sie beginnt eine Zeit der Entbehrung.

Viele Leidtragende fragen sich daher: Wo sind eigentlich die Fernbusse, die bundesweit mit Fahrgast-Explosionen für Furore sorgen, aber ausgerechnet zwischen Düsseldorf und Köln nicht fahren. Die Antwort ist so einfach wie frustrierend: Es gibt sie nicht.

Flixbus geht in die Offensive – auf der Schiene: Der Flixtrain startet noch im Frühjahr auf zwei Strecken. Die Deutsche Bahn bekommt damit den ersten ernsthaften Wettbewerber im Fernverkehr.
von Christian Schlesiger

Die Politik hat den Fernbusmarkt 2013 zwar liberalisiert, aber nur halbherzig. Die Folgen lassen sich ausgerechnet in diesen Tagen beobachten. Der Fernbus im Linienverkehr fällt als Zug-Ersatzverkehr weitestgehend aus. Zwar kann die Deutsche Bahn Busse chartern, um einen Ersatzverkehr zu organisieren, wenn sie dies für nötig hielte. So kostet ein gecharterter Fernbus mit Fahrer beim Marktführer Flixbus für die Strecke vom Hauptbahnhof Köln bis Hauptbahnhof Düsseldorf knapp 600 Euro für Hin- und Rückfahrt. Zwischenstopps entlang der Strecke gäbe es fast kostenlos als Dreingabe. Doch mit einem Bus wäre es ja nicht getan. Die Bahn bräuchte Dutzende, die Rechnung beliefe sich auf mehrere Tausende Euro pro Tag. Die Bahn verzichtet wohl auch deshalb darauf.

Stattdessen setzt das Unternehmen noch immer auf andere Züge, um die Pendler ans Ziel zu bringen – wenn auch mit erheblicher Verspätung. Mitunter fahren die Regionalexpresszüge auf einer Strecke von normalerweise 30 Minuten einen Umweg von zusätzlichen 20 bis 30 Minuten. Die Fahrtzeit verdoppelt sich also. Der Bahn ist im Prinzip kein Vorwurf zu machen. Gebaut werden muss halt irgendwann mal auf der Strecke.

Fernbusse könnten zumindest für einige Pendler Linderung versprechen. Doch Linienverkehre zwischen den Städten Köln und Düsseldorf gibt es nicht und sie wird es auch in Zukunft nicht geben. Denn die Städte teilen das Schicksal, das einige andere Orte in Deutschland miteinander teilen. Die Distanz zwischen ihren Zentren ist weniger als 50 Kilometer entfernt. Für die Verkehrspolitiker gehören solche Strecken zum Nahverkehr. Und Fernbusse haben dort nichts zu suchen.

Die Regelung ist ein Überbleibsel der harten Lobby-Kämpfe, die in den Jahren 2011 und 2012 ausgetragen wurden. Der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wollte den Fernbusmarkt liberalisieren. Bis dahin gab es nur vereinzelt Fernbusse in Deutschland. Die wurden nur dann von Behörden genehmigt, wenn auf der gleichen Strecke gar kein Zug fuhr oder eine Zugreise nur mit unzumutbar vielen Umstiegen möglich gewesen wäre. Fuhr ansonsten die Deutsche Bahn mit einem ICE, Intercity oder Regionalzug zwischen zwei Städten, waren Fernbusse verboten. Das Personenbeförderungsgesetz aus den Dreißigern des vergangenen Jahrhunderts wollte es so. Die Politik wollte die deutsche Eisenbahn schützen.

Die Eisenbahnlobby hat sich daher gegen eine weitgehende Liberalisierung des Marktes gewehrt. Zwar verlor die Deutsche Bahn ihren Marktschutz im Fernverkehr. Doch der Nahverkehr konnte ihre Grenzen verteidigen. Nicht zuletzt, weil der Bund jedes Jahr acht Milliarden Euro in den Regionalverkehr auf der Schiene steckt. Die Regierung wollte damals dem öffentlich finanzierten Nahverkehr keinen Wettbewerber an die Seite stellen.

So kam es zu einem Gesetz, das bis heute Bestand hat und den Nahverkehr vor den Fernbussen weitestgehend schützt. Demnach dürfen Fernbusse im Linienverkehr nur fahren, wenn sie per Definition dem Fernverkehr zuzuordnen sind. Ausgeschlossen sind also Fernbus-Verbindungen, die dem öffentlichen Nahverkehr Konkurrenz machen würden. Und das „ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt“. So steht es im Personenbeförderungsgesetz.

Im Klartext: Fernbusse durch das Rheinland und weiter durch das Ruhrgebiet sind nur in Ausnahmefällen möglich. Der Fernbusanbieter Flixbus wünscht sich daher „Ausnahmen“, um Städte zu verbinden, die näher als 50 Kilometer entfernt sind. Davon würden dann auch Reisenden zwischen Köln nach Düsseldorf profitieren. Doch die Masse an Pendlern würden auch die Fernbusse nicht aufnehmen können. Die Zahl der Zugreisenden geht jeden Tag in die Tausende.

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