Der Terror trifft den Tourismus mehr als jede andere Branche. "Unsere Gedanken sind mit allen Betroffenen des tragischen Vorfalls in Berlin", schreibt etwa das Team des noblen Waldorf Astoria Berlin auf seiner Buchungsseite. "Bitte beachten Sie, dass das Waldorf Astoria Berlin derzeit weiterhin geöffnet ist." Mittlerweile ist der Hinweis schon wieder verschwunden. Aber auch andere Hotels drücken auf ihren Homepages und in den sozialen Netzwerken ihre Trauer aus.
Dabei halten sich die Auswirkungen wenige Tage nach dem Ereignis noch in Grenzen, sagt Burkhard Kieker, Chef von "Visit Berlin" und damit oberster Repräsentant vom Urlaubsziel Berlin in der Welt. "Wenn so etwas passiert, dann reisen die Besucher ab oder sie stornieren. Aber beides ist bisher nicht passiert", sagt er.
Das bedeutet der Anschlag von Berlin für die Sicherheit in Deutschland
Sicherheitsexperten glauben: Nein. Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sagt, die Gefährdungseinschätzung habe sich nicht verändert. „Wir haben schon vor der Tat gesagt, dass wir in Deutschland eine ernst zu nehmende Bedrohungslage haben. Dass der islamistische Terrorismus ganz maßgeblich die Sicherheitslage in Deutschland prägt“, betont er. Mit dem Attentat von Berlin habe sich die Gefährdungseinschätzung quasi realisiert. Deswegen geht Münch nun nicht von einer anderen Gefährdungslage aus.
Generalbundesanwalt Frank sagt, man müsse von einem terroristischen Hintergrund ausgehen. Dafür spricht nach seinen Angaben, dass ein Lkw benutzt wurde und der Anschlag in der deutschen Hauptstadt damit an das Attentat von Nizza vom 14. Juli erinnert. Am französischen Nationalfeiertag war ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gerast und hatte 86 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt.
Hinzu komme das prominente und symbolträchtige Anschlagsziel Weihnachtsmarkt, sagt Frank. Außerdem führt er die Vorgehensweise des Attentäters an, den „Modus operandi“. Der ist schon länger in Aufrufen dschihadistischer Terrororganisationen zu finden. Aber es gebe kein Bekennervideo - und deswegen seien endgültige und abschließende Aussagen zum Hintergrund des Anschlags nicht möglich, sagt Frank. Die Polizei ermittele nach wie vor in alle Richtungen.
Grundsätzlich ja und seit längerem. Aber: Noch gibt es keinen Beleg, das der Islamische Staat (IS) tatsächlich hinter der Attacke steckt. Den Sicherheitsbehörden lagen zunächst kein Bekennerschreiben und kein Bekennervideo vor. Grundsätzlich sind Deutschland genau wie Frankreich, Großbritannien, Spanien oder andere europäische Staaten quasi seit Jahren im Visier islamistischer Terroristen.
Auch hier gilt, was Experten seit langem sagen: Absolute Sicherheit gibt es nicht. Zwar haben die Behörden in vielen Bundesländern die Sicherheitsmaßnahmen für Weihnachtsmärkte erhöht, zusätzliche Polizisten abgestellt und auch mehr Videoüberwachung installiert. Doch auch Betonpoller oder andere Schutzmaßnahmen dürften einen zu allem entschlossenen Attentäter kaum aufhalten.
Ja und Nein. Bis Montagabend war Deutschland von einem größeren Anschlag mit zahlreichen Toten und islamistischem Hintergrund verschont geblieben. Das hatte oft mit Glück, aber auch mit der Ermittlungsarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden zu tun. Viele islamistische Heimkehrer aus den IS-Kriegsgebieten in Syrien und dem Irak sind als Gefährder bekannt und werden überwacht. Geholfen haben öfters auch die Kontakte zu befreundeten Geheimdiensten etwa wie dem umstrittenen US-Dienst National Security Agency (NSA). Die deutschen Geheimdienste haben in der Vergangenheit häufiger Tipps von ihren internationalen Kollegen erhalten.
Allerdings war das Geschäft in Berlin ohnehin schon schwächer als in den Vorjahren. "Silvester ist dieses Jahr nicht gut gebucht", sagt Alex Elsohn. Er ist Präsident des Verbandes für Incoming Agenturen, die Urlaubsreisen für ausländische Touristen organisieren. "Wir haben zwar nicht viele Stornierungen bekommen", sagt er. Aber es gäbe auch keine neuen Buchungen.
Auch München mit Einbußen
Das liegt auch daran, dass die Reiselust in Deutschland und im Ausland ohnehin gebremst ist. Viele Touristen sind verunsichert, vor allem Fernreisen scheuen sie deshalb. Zu spüren bekommt das die Türkei, Tunesien oder Ägypten. Die ehemals geliebten Reiseziele der Deutschen sind durch die politischen Spannungen in Verruf geraten.
Ähnlich ist das Bild von Europa in Asien. Die Terroranschläge und die Flüchtlingskrise verunsichern die Urlauber dort. Aus der Ferne fällt es schwer, die Gefahr tatsächlich einzuschätzen. Und viele Chinesen, Japaner und Araber nehmen Europa auch nicht als einzelne Länder, sondern ein großes Reiseziel wahr.
Besonders zu spüren bekam das in diesem Jahr auch München: Nach Angaben des Landesamts für Statistik sanken die Zahl der Übernachtungen von Januar bis Oktober in Hotels und Herbergen um 0,6 Prozent. Und das, obwohl die Münchener Hoteliers in all den Jahren zuvor starke Wachstum vermelden konnte.
Berlin allerdings hat einen Vorteil: Den hohen Anteil von Geschäftsreisen. Alleine dreißig Prozent der Gäste reisen für Kongresse an, insgesamt liege der Anteil der Geschäftsreisenden bei über 40 Prozent, schätzt Kiemker von Visit Berlin. Und wer beruflich reist, kommt auch dann, wenn die Urlauber schon zuhause bleiben.
Hinzu kommt: In Paris gehören seit den Anschlägen im vergangenen Jahr bewaffnete Soldaten zum Straßenbild. Auch in Berlin sind die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden. Doch Maschinengewehre gehören dort noch lange nicht zum Stadtbild. "Berlin hat sich nicht aus dem Takt bringen lassen," sagt Burkhard Kieker von Visit Berlin. "Das merken auch die Urlauber."