Zentraler Punkt in der Argumentation der Staatsanwaltschaft war die Frage, ob Ecclestone gewusst habe, dass der Landesbanker Gribkowsky als Staatsdiener einzustufen sei. Dies habe dem Briten nicht nachgewiesen werden können. Doch nur dann hätte Ecclestones nach dem Gesetz wegen Bestechung eines Amtsträgers belangt werden können, wie es die Staatsanwaltschaft angestrebt hatte.
Grundsätzlich richtet sich die Höhe einer Geldauflage bei der Einstellung des Verfahrens nach der Vermögenslage des Angeklagten. Darum fällt sie bei Ecclestone mit umgerechnet fast 75 Millionen Euro deutlich höher aus als sonst üblich. Nach Durchsicht der Unterlagen äußerte sich Richter Noll überrascht. „Sie werden in der Öffentlichkeit als milliardenschwer bezeichnet. Aus den Unterlagen ergibt sich das nicht.“
Die BayernLB und die Formel 1
Es war der Höhepunkt der New Economy, als das Medienunternehmen EM.TV im Jahr 2000 bei der Formel 1 einstieg. Kurz zuvor hatte EM.TV um die Gebrüder Thomas und Florian Haffa in einem ähnlich spektakulären Deal die Rechte an der „Muppets Show“ erworben.
Mit im Boot bei der Formel 1 war auch damals schon Bernie Ecclestone, Zampano des PS-Spektakels, mit seiner Familienstiftung. Nur wenig später ging es mit EM.TV bergab. Die Kirch-Gruppe des damaligen Medienzaren Leo Kirch kam zu Hilfe, erhielt im Gegenzug den Anteil an dem Rennzirkus und stockte ihn noch auf. Dafür musste Kirch Kredite aufnehmen, unter anderem bei der BayernLB.
Die Kirch-Gruppe meldete dann 2002 Insolvenz an. Dadurch wurde die Landesbank aus München unerwartet zum Anteilseigner der Formel 1 und der damalige Risikovorstand Gerhard Gribkowsky zum Motorsport- Verantwortlichen. In der Folgezeit entwickelte sich ein Streit mit den Autokonzernen, denen die tonangebende - und profitable - Rolle Ecclestones und seiner Verbündeten ein Dorn im Auge war. Auch eine Übernahme der Formel 1 durch einen oder mehrere Hersteller oder eine Konkurrenzveranstaltung standen zur Debatte.
Vier Jahre später verkaufte Gribkowsky die BayernLB-Anteile an den Finanzinvestor CVC Capital Partners und die Wogen glätteten sich. Das Unternehmen zählt zu den weltweit größten der Private-Equity-Branche und hat europäische Wurzeln. Hauptsitze sind Luxemburg und London.
Der Finanzinvestor übernahm die Formel-1-Mehrheit durch den Erwerb der Anteile der BayernLB und von Ecclestone selbst beziehungsweise seiner Familie. Dies geschah indirekt über die neu gegründete CVC-Tochter Alpha Prema, an der Ecclestone wiederum auch selbst beteiligt ist. Der heute 82-Jährige blieb auch bei diesem Deal Chef der Formel 1. Gribkowsky rückte in den Aufsichtsrat von Alpha Prema.
Nach der Einstellung ist der 83-Jährige offiziell unschuldig, nicht vorbestraft und kann weiter an der Spitze der Formel 1 bleiben, die er zu einem Milliardengeschäft aufgebaut hat und bis heute beherrscht. Im Falle einer Verurteilung wäre er seinen Job dort los gewesen. Ansonsten wären wohl Konzerne wie Daimler mit ihrem derzeit dominierenden Mercedes-Team aus der Rennserie ausgestiegen: Ihre eigenen Compliance-Regeln verbieten Geschäfte mit verurteilten Verbrechern.
Zumal die Prozesse um die Bestechungsaffäre juristisch noch ein anderes „Geschmäckle“ haben. Ecclestone war angeklagt, den früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky vor acht Jahren mit 44 Millionen Dollar bestochen zu haben. Gribkowsky soll damals als Gegenleistung in der Bank durchgeboxt haben, dass sie ihren Formel-1-Anteil an den von Ecclestone gewünschten Investor CVC verkaufte. Der frühere Banker wurde wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung bereits zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Aus dem Gribkowsky-Urteil ergibt sich eine zwingende Schuld für Ecclestone, schließlich hat er den damaligen Landesbank-Vorstand bestochen. Doch ausgerechnet das soll sich im aktuellen Ecclestone-Prozess nicht mehr eindeutig beweisen lassen.
Ganz vorbei sind die Münchner Prozesse für Ecclestone damit noch nicht. Es läuft noch ein Zivilprozess gegen die BayernLB. Doch auch hier deutet sich eine außergerichtliche Einigung an: Dieses Mal müsste Ecclestone den Berichten zufolge „nur“ 25 Millionen Euro zahlen.