
Nach vier Jahrzehnten an der Spitze der Formel 1 ist Bernie Ecclestone als Geschäftsführer ersetzt worden. Der neue Eigentümer Liberty Media gab am Montag bekannt, der Amerikaner Chase Carey übernehme den Posten von dem Briten. Er sei Stolz auf das, was er erreicht habe, erklärte Ecclestone.
Was Sie zu Liberty Media wissen müssen
Der US-Unternehmer John Malone gilt als einer der weltweit wichtigsten Medienmogule. Er kontrolliert ein weit verzweigtes, international agierendes Firmenimperium, das vor allem in der Kabel- und Medienbranche tätig ist. Der 75-jährige Malone hält außerdem zahlreiche Beteiligungen an Unternehmen. Wegen seiner aggressiven Deals wird er auch „Cable Cowboy“ genannt. Malone gilt als einer der härtesten und abgebrühtesten Geschäftsmänner in den USA. Das US-Magazin „Forbes“, das sein Vermögen auf 7,1 Milliarden Dollar schätzt, bezeichnet ihn als „mächtigsten Mann im Kabelgeschäft“. Der frühere US-Vizepräsident Al Gore verpasste Malone wegen der kompromisslosen Art, mit der er seine Geschäftsinteressen verfolgt, den Spitznamen „Darth Vader“.
Quelle: dpa, Stand 8. September 2016
Malone wurde 1941 in Milford im US-Bundesstaat Connecticut als Sohn eines General-Electric-Managers geboren. Der Selfmade-Milliardär ist seit Anfang der Siebzigerjahre eine prägende Gestalt im Unterhaltungsmarkt, scheut jedoch selbst das Rampenlicht. Als eine Art graue Eminenz agiert der Liberty-Media-Boss lieber im Hintergrund.
Nach dem Studium der Elektrotechnik und Ökonomie an der Eliteuni Yale machte Malone seinen Master in Industrie-Management an der New Yorker John-Hopkins-Universität, wo er 1967 auch promovierte. Danach begann „Dr. Malone“ seine berufliche Karriere bei der Unternehmensberatung McKinsey, entschied sich jedoch schnell, sein Glück im damals noch in den Kinderschuhen steckenden Kabelfernsehgeschäft zu suchen.
Malones Aufstieg startete 1973 in Denver mit dem Aufbau der Firma TCI. Mit Hilfe zahlreicher Übernahmen formte er das Unternehmen zu einem Netzgiganten und verkaufte es 1999 für etwa 48 Milliarden Dollar an den US-Telekomkonzern AT&T. Fortan widmete sich Malone seinem zweiten Standbein Liberty Media, das nach dem Verkauf an AT&T von TCI abgetrennt wurde.
Malone ist zugleich der größte private Landbesitzer in den USA. Dem Finanzblatt „Fortune“ zufolge liefert er sich mit seinem Freund Ted Turner, ebenfalls ein bekannter Medien-Unternehmer, eine Art Privatduell und nennt inzwischen über 8900 Quadratkilometer an Wäldern, Ranches und Farmen sein Eigen.
Heute ist Malones Firmen-Reich nach etlichen weiteren Zukäufen und Abspaltungen ein weit verzweigtes Geflecht diverser, schwer durchschaubarer Beteiligungen. Im Zentrum steht noch immer Liberty Media; der Konzern hat unter anderem Anteile am Shopping-Sender QVC und am Baseball-Team der Atlanta Braves. Das internationale Geschäft wurde 2005 in die Gesellschaft Liberty Global ausgegliedert, die in Deutschland durch Unitymedia vertreten ist.
Zudem zieht Malone die Fäden beim US-Kabel- und Breitbandriesen Charter Communications, der erst vor kurzem für rund 55 Milliarden Dollar den Rivalen Time Warner Cable schluckte. Zum Imperium zählt darüber hinaus der Medienkonzern Discovery - zu dem wiederum der TV-Sender Eurosport gehört. Discovery hatte sich im vergangenen Sommer überraschend die TV-Rechte an den Olympischen Spielen für den europäischen Markt von 2018 bis 2024 gesichert und dafür 1,3 Milliarden Euro bezahlt.
In Deutschland kaufte Malone 2009 über den Konzern Liberty Global für rund 3,5 Milliarden Euro den zweitgrößten deutschen Kabelnetzbetreiber Unitymedia. 2011 folgte dann die nächste Milliardenübernahme: für 3,2 Milliarden Euro kaufte Liberty Kabel BW. Die beiden Kabelbetreiber sind heute unter dem Namen Unitymedia aktiv. Unitymedia ist nach Firmenangaben der größte Kabelnetzbetreiber in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg mit rund 7 Millionen Kunden. Auch an Kabel Deutschland war Malone interessiert, am Ende aber übernahm Vodafone das Unternehmen.
Ohne Aufsehen verließ Bernie Ecclestone schon so oft die Formel-1-Bühne. Noch vor Rennende wurde der Brite für gewöhnlich zum nächstgelegenen Flughafen chauffiert. Er, der einst selbst eine Rennfahrer-Karriere einschlagen wollte, aber frühzeitig erkannte, dass sein Geschäftssinn deutlich ausgeprägter war als es sein motorsportliches Talent.
Nur manchmal, da änderte Ecclestone seine (An)-Gewohnheiten, sich noch vor der Zielflagge zu verabschieden. Mit Wladimir Putin schaute sich Ecclestone auf der Tribüne in Sotschi ein Rennen auch schon mal bis zum Ende an. Putin, einer der großen Weltpolitik, ein Mächtiger ganz im Sinne Ecclestones. „Ich denke, mit Demokratie bringt man den Laden nicht zum Laufen“, formulierte er mal sein Geschäftsprinzip.
Teilen und herrschen - so regierte Ecclestone die Formel 1. Er widerstand allen Anfeindungen, Revolutionen verhinderte er, indem er die vermeintlich Verbündeten spaltete. Dem Traditionsrennstall Ferrari, als einziger seit WM-Beginn im Jahr 1950 dabei, brachte das lange Zeit eine bemerkenswerte Sonderstellung mit Vetorecht und Sonderzahlungen ein. Machtkämpfe gehörten für Ecclestone zum Tagesgeschäft.
Er legte sich als Chefvermarkter der Formel 1 mit Streckenbetreibern, Teamchefs, Rennställen, Präsidenten des Motorsportweltverbandes und vor wenigen Jahren sogar mit der Justiz an. Vermehrung von Geld und Vergrößerung von Macht waren die Spezialfächer von Bernard Charles Ecclestone, dem Sohn einer Arbeiterfamilie.
Schon als kleiner Junge handelte er mit praktisch allem, was er in die Finger bekam. Sein erstes großes Geld machte er als Gebrauchtwagenverkäufer. Jahrzehnte später saß Ecclestone mit Politikern am Verhandlungstisch und feilschte um Millionenbeträge. „Bernie ist unglaublich auf Zack“, lobte einst Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff den Briten, dessen wache Augen auch im hohen Alter immer noch schelmisch hinter seiner Nickelbrille hervor blitzten.
Er überstand lange sämtliche Krisen, er widersetzte sich allen Forderungen nach Konsequenzen, wenn er mal wieder mit politisch unkorrekten Aussagen für mehr als Kopfschütteln sorgte. Er machte seine eigenen Rennserie schlecht, nörgelte über leise Motoren und langweilige Weltmeister. „Wenn man 30 Jahre alt ist, muss man vorsichtig sein, was man tut und was man sagt, weil man noch viel Zeit vor sich hat. Wenn man älter ist, kann man die Dinge etwas leichter nehmen“, sagte Ecclestone einmal. Er nahm es oft sehr leicht.
Anzahl der WM-Titel nach Nationen
... Weltmeister-Titel gehen an Großbritannien.
... Titel gehen auf deutsche Fahrer zurück. Also auf Michael Schumacher (1994, 1995, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004), Sebastian Vettel (2010, 2011, 2012, 2013) und zuletzt Nico Rosberg (2016).
... Weltmeister-Titel gehen nach Brasilien. Der legendäre Ayrton Senna holte drei Titel.
... Mal stand ein Fahrer aus Argentinien am Ende der Saison ganz oben. "Ein Fahrer" ist wörtlich gemeint: Alle Titel gehen auf Juan Manuel Fangio zurück – in den Jahren 1951, 1954, 1955, 1956 und 1957.
... Fahrer-Titel haben mehrere Länder vorzuweisen: Australien (Jack Brabham 3x, Alan Jones), Finnland (Keke Rosberg, Mika Häkkinen 2x, Kimi Räikkönen), Österreich (Jochen Rindt, Niki Lauda 3x) und Frankreich (Alain Prost 4x).
... Titel gingen an italienische Fahrer. Der letzte Triumph ist aber schon eine Weile her: 1953 gewann mit Alberto Ascari zuletzt ein Italiener die WM. Im Jahr zuvor war es ebenfalls Ascari, 1950 gewann Giuseppe Farina.
... Mal triumphierten jeweils Fahrer aus Spanien (Fernando Alonso 2x) und den USA (Phil Hill, Mario Andretti).
Als Geschäftspartner gab es aber auch viel Lob und Anerkennung für Mister E. Man könne sich auf sein Wort verlassen, hieß es immer wieder. Wirklich negative Worte fielen im Fahrerlager praktisch nie. Alle wussten, Ecclestone hatte sich mehr oder weniger unabkömmlich gemacht. Dachte man immer.
So kam Ecclestone sogar aus dem weltweit beachteten Prozess in München zwar um 100 Millionen Dollar erleichtert raus - aber nicht verurteilt. Das Verfahren gegen ihn war gegen Zahlung dieser Rekordsumme eingestellt worden. „Der Richter hat einen ziemlich guten Job gemacht, dass ich so viel zahlen musste“, kommentierte er damals - typisch Ecclestones Humor. Ihm war vorgeworfen, beim Verkauf der Formel 1 einen hochrangigen deutschen Banker bestochen zu haben.
Damals war Ecclestone immer noch der Handelnde, ein ehemaliger Fahrer-Manager, der in seiner langen, langen Zeit in der Formel 1 auch schwere emotionale Rückschläge hinnehmen musste wie die tödlichen Unfälle von Stuart Lewis-Evans (1959) oder Jochen Rindt (1970). Er sah Weltmeister kommen und gehen - nun muss er selbst gehen. „Ich habe immer noch viele Freunde in der Formel 1. Und ich habe noch genug Geld, um mir den Besuch bei einem Rennen leisten zu können“, meinte er zum Abschied.