Betrug beim Glücksspiel? Glücksspielautomaten sollen manipuliert sein

Um das Innenleben von Spielautomaten ist ein Kampf entbrannt: Einige Spielhallenbetreiber fühlen sich durch angeblich manipulierte Automaten aus dem Markt gedrängt.

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Glücksspielautomat Quelle: WirtschaftsWoche

Das Glück besteht aus Äpfeln, Birnen und Kirschen. Wenn der Zufall es will, bleiben die gleichen Früchte in einer Reihe auf dem Bildschirm des Spielautomaten stehen, und es ertönt der Sound des Glücks: Euro-Münzen, die ins Ausgabefach scheppern.

Doch manche Betreiber von Spielhallen bezweifeln, dass das digitale Obst sich nur dem Zufall fügt. Roland Grüber, der bis vor Kurzem bundesweit zehn Spielhallen betrieb, hat das Vertrauen in die Daddelautomaten verloren. Seit 2011 will er beobachtet haben, dass immer weniger Geld in den Automaten bleibt und zugleich immer mehr Münzen ins Ausgabefach der Spieler fallen.

Sein Verdacht: Der Automatenhersteller Löwen Entertainment aus Bingen am Rhein, von dem er zahlreiche Automaten gemietet hat, würde in den Automaten gesetzeswidrige Software einsetzen, welche die Häufigkeit der Auszahlung manipuliert.

Grüber ist nicht der Einzige in der Branche, der dem prominenten Hersteller im Markt misstraut. Einige Aufsteller vermuten eine bewusste Taktik von Löwen: Demnach könne der Hersteller die Geräte so einstellen, dass sie in den eigenen rund 350 Spielhallen weniger und in den Lokalen fremder Aufsteller mehr Gewinn ausschütten würden. Damit, so der Vorwurf, würde Löwen die Unabhängigen bewusst aus dem Markt drängen. Löwen Entertainment weist die Vorwürfe zurück, nennt sie unzutreffend und glatt falsch.

Gauselmann-Gruppe und Löwen Entertainment dominieren

Die bundesweit mehr als 250.000 Daddelautomaten versprechen ein lukratives Geschäft: 4,5 Milliarden Euro spielen sie pro Jahr ein. Dominiert wird das Geschäft von der Gauselmann-Gruppe und Löwen Entertainment, einer Tochter des österreichischen Glücksspielriesen Novomatic. Sie haben jeweils mehr als 45 Prozent Marktanteil.

Daneben gibt es noch rund 5500 freie Unternehmer, die die Automaten der Branchengrößen mieten und in Spielhallen oder Gaststätten aufstellen. Ihre Zahl schwindet jedoch stetig. Können manipulierte Automaten mit schuld daran sein?

Das Geschäft mit dem Glücksspiel
Was ist Glücksspiel?Ein Spiel mit Geldeinsatz, dessen Ausgang überwiegend vom Zufall bestimmt ist. Neben den klassischen Spielbanken gibt es in Deutschland zum Beispiel Lotto und Toto, Pferdewetten sowie die Klassen- und Fernsehlotterie. Mit Abstand am beliebtesten aber sind Geldspielautomaten - vor allem in Gaststätten und Spielhallen. Quelle: dpa
Was bedeutet Spielsucht?Dabei geht es um Kontrollverlust. Ein Spieler schafft es nicht mehr, sich gegen ein Glücksspiel zu entscheiden - er braucht den Kick. Spielsüchtige erfinden oft Lügen und Ausreden, um zu verbergen, dass sie ihr Einkommen „verzocken“. Viele häufen einen Schuldenberg auf. Sie sind häufig auch nicht mehr in der Lage, Freundschaften und Beziehungen aufrecht zu erhalten. Die Selbstmordrate unter langjährigen Spielsüchtigen ist nach Angaben von Beratungsstellen hoch. Pathologisches Glücksspiel ist in Deutschland seit 2001 als eigenständige Krankheit anerkannt. Quelle: dpa
Wer ist gefährdet?Deutlich mehr Männer als Frauen. Besonders häufig verlieren in Deutschland junge Migranten und Arbeitslose die Kontrolle über ihre Spielleidenschaft - vor allem an Geldspielautomaten. Als sehr verführerisch gelten auch Sportwetten und Internet-Glücksspiele. Quelle: dpa
Was tut der Staat für mehr Spielerschutz?Im Zuge der Föderalismusreform haben die Länder vom Bund das Recht erhalten, Gesetze für Spielhallen zu erlassen. Im Mai 2011 hat Berlin als erstes Land gehandelt und zum Beispiel einen Mindestabstand von einer Spielhalle bis zur nächsten festgelegt. Begrenzt sind auch die Anzahl der Automaten und Öffnungszeiten. Ein Abstand zu Schulen muss gewahrt bleiben. Inzwischen haben fast alle Bundesländer nachgezogen, die Vorschriften unterscheiden sich aber. Weiter beim Bund liegt zum Beispiel das Recht, über die Technik der Automaten zu bestimmen. Die Länder fordern über den Bundesrat seit längerem mehr Spielerschutz, zum Beispiel Obergrenzen für Geldeinsätze an Automaten oder die Abschaffung von Automatiktasten. Ein Kuriosum bleibt, dass Geldspielautomaten außerhalb von Spielbanken rechtlich nicht als Glücksspiel gelten. Sie werden seit ihren Anfängen als „Unterhaltung“ eingestuft und fallen damit trotz hoher Einsätze lediglich unter das Gewerberecht. Kritiker sehen das als Fehlentwicklung und werten sie Ergebnis einer erfolgreichen Lobbyarbeit der Spielautomaten-Branche. Quelle: dpa
Was verdient die deutsche Glücksspiel-Branche?Die Umsätze steigen seit Jahren und liegen nach den jüngsten Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen für 2011 bei 32,5 Milliarden Euro. Der Löwenanteil mit rund 18 Milliarden Euro entfiel dabei auf Geldspielautomaten. 6,6 Milliarden Euro Umsatz machte die Lotto-Toto-Branche, 6,1 Milliarden Euro verdienten Spielbanken. Quelle: dpa
Was verdient der Staat am Glücksspiel?2011 waren das nach Angaben des jüngsten Jahrbuchs Sucht rund drei Milliarden Euro - unter anderem über Rennwett- und Lotteriesteuer und die Spielbankabgabe. Geldspielautomaten brachten den deutschen Kommunen über die Vergnügungssteuer rund 479 Millionen Euro ein. Quelle: dpa
Wer hilft Spielsüchtigen?Bundesweit gab es nach den jüngsten Zahlen für 2011 rund 1320 ambulante Beratungsstellen. Rund 16 800 Spielsüchtige haben in diesem Zeitraum dort Angebote genutzt. In den 161 stationären Einrichtungen wurden 2011 mehr als 2500 Menschen wegen „pathologischem Spielverhaltens“ behandelt. Die Zahl der Selbsthilfegruppen für Glücksspieler hat sich zwischen 2001 und 2011 auf rund 200 verdoppelt. Quelle: dpa

Roland Grüber befindet sich wegen dieses Verdachts seit Jahren im Rechtsstreit mit Löwen. Um rund 800.000 Euro fühlt er sich von dem Hersteller aus Bingen geschädigt. Um 20 Prozent, behauptet er, sei die Quote der an die Spieler ausbezahlten Gewinne von 2006 bis 2012 gestiegen, was gleichzeitig seinen Gewinn schrumpfen ließ. Ein vom Gericht bestellter Gutachter bestätigt diese Zahlen.

In dem Verfahren am Landgericht Nürnberg-Fürth geht es nun um die Frage, ob eine Softwarekomponente bei neun verschiedenen Geldspielgeräte-Bauarten von Löwen zu einer Steigerung der Auszahlungsquote geführt hätte. Bewiesen konnte das bislang nicht werden. Welches Programm in dem Löwen-Automaten für die mutmaßliche Manipulation verantwortlich sein soll, dazu forschen Grüber und sein Anwalt Max von Tempsky seit Jahren.

Ihr Verdacht: Die regelmäßig aufgespielten Software-Updates könnten die Quote ändern.

Nachträgliche Manipulation nicht ausschließbar

Löwen-Geschäftsführer Christian Arras und zwei Mitarbeiter empfangen die WirtschaftsWoche an einem langen Konferenztisch in der Zentrale in Bingen. Seit Jahren zieht sich der Prozess zwischen Löwen und einigen Spielhallenbetreibern wegen dieses Vorwurfs. Löwen nennt den Verdacht haltlos.

Das Unternehmen hat ein Gegengutachten von einem renommierten Institut zu den Manipulationsvorwürfen anfertigen lassen. Ergebnis: Nichts dran. Zudem verweist Löwen darauf, dass alle Geldspielgeräte Nachbaugeräte einer von der Behörde zugelassenen Bauart sind. Software und Gewinnwahrscheinlichkeit einer Bauart müssten daher zwangsläufig identisch sein.

Eben diese für die Zulassung zuständige Behörde, die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB), soll in dem Streitfall nun per Gutachten klären, was in den Automaten wirklich vor sich geht. Das Problem für Grüber und seine Kollegen ist nur: Die Bundesanstalt ist in der Glücksspielbranche nicht unumstritten.

Die größten Mythen vom Glück
1. Du bist deines eigenen Glückes Schmied......sagt jede Mutter gerne zu ihren Kindern. Dabei stimmt diese Predigt des individualistischen Glücks so nicht.  Der Mensch als soziales Wesen ist eingebunden in die Gesellschaft, deren Regeln, soziale Normen und Werte er beachten muss. Unbegrenzte Selbstverwirklichung und radikaler Individualismus sind schon deshalb nicht möglich. Zwar ist jeder selbst dafür verantwortlich, seine Träume zu verwirklichen, doch schafft dies niemand ohne die Hilfe oder die Unterstützung seiner Mitmenschen. Quelle: dpa
2. Kinder sind glücklicherSie sind unbeschwert, denken weniger nach und sind demnach glücklicher. Pustekuchen. Forscher des US-National Opinion Research Center in Ann Arbor haben herausgefunden, dass die glücklichsten Menschen die sogenannten „jungen Alten“ sind. Sie stellten die Frage: "Im Großen und Ganzen, was würden Sie sagen: Wie fühlen Sie sich zurzeit? Würden Sie sagen, Sie sind zurzeit: a) sehr glücklich, b) ziemlich glücklich oder c) nicht allzu glücklich?" Das Ergebnis: „Sehr glücklich“ sind vor allem Menschen zwischen 65 und 70 Jahren. Quelle: dpa
3. Ziele machen glücklichVorsicht, auch hier versteckt sich ein Mythos. Zielen können glücklich machen, aber nur, wenn man sie auf die richtige Weise angeht. Wenn Sie sich einreden, etwas tun zu müssen, um glücklich zu sein, laufen Sie mit dem Kopf gegen die Wand. Wer sagt „Ich muss....tun“, macht sich zum Opfer und setzt sich selber unter Druck. Keine gute Voraussetzung für Glück. Besser ist es, sich zu sagen „Ich möchte gerne...tun“. Damit zeigen Sie, dass Sie sich das Ziel freiwillig gesetzt haben. Quelle: dpa
4. Elternglück ist das schönste GlückSchlaflose Nächte, stinkende Windeln und die unvorhersehbaren Launen pubertierender Teenager: Kinder zu haben ist kein Zuckerschlecken. Vielleicht gerade deshalb reden sich viele Eltern ein, dass die lieben Kleinen ihr Leben bereichern und „sooooo glücklich“ machen. Psychologen haben jetzt herausgefunden, dass auch das Elternglück ein Mythos ist. Denn die frischgebackenen Eltern, so die Psychologen, reden sich ihr Leben mit Kind und Kegel schön, so wie Menschen, die einen Haus- oder Autokauf rationalisieren. Quelle: dpa
5. Geld macht glücklichViele Menschen machen große Augen, wenn Sie einen schicken Sportwagen sehen, das I-Phone 6 oder den neusten Schrei von Gucci.  Sie denken „Wenn ich DAS hätte, wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden.“ Falsch! Eine Studie der University of British Columbia hat bewiesen, dass viel Geld oder materieller Reichtum zwar weniger traurig macht, auf Dauer aber nicht glücklich. „Viel Geld und tägliches Glücksgefühl, da gab es keinerlei messbaren Zusammenhang“, so die Forscher. Quelle: dpa

Bereits 2009 warf der Rechtsanwalt Martin Reeckmann in einer Bestandsaufnahme der PTB vor, sich zu sehr auf die Angaben der Hersteller zu verlassen. Und Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht, beklagt die mangelnde Distanz der Behörde zu den Geprüften. So sei der frühere Leiter der Behörde sogar auf einer Geburtstagsparty eines Automatenherstellers gesichtet worden. „Das untergräbt doch den Respekt der Behörde“, sagt Füchtenschnieder. Die PTB schweigt zu den Vorwürfen.

Razzien in Spielhallen

Dass die Zulassung der PTB eine nachträgliche Manipulation von Glücksspielautomaten nicht ausschließen kann, zeigte sich dabei erst Ende Januar. In neun Bundesländern rückte die Polizei zu Razzien in Spielhallen aus und überführte eine mutmaßliche Bande aus Schleswig-Holstein. Sie soll quer durch die Republik Schadsoftware auf die Daddelautomaten gespielt und damit das Glück gefügig gemacht haben. Geschädigt fühlt sich auch Löwen Entertainment, dessen Automaten von der Manipulation teilweise betroffen sind. Löwen betont, dass ihre Geldspielgeräte mit dem aktuellen Softwarestand nicht betroffen sind.

Auswirkungen auf die Regulierung der Daddelbranche haben Razzien ohnehin selten. Kritiker vermuten: weil die Automatenhersteller gut vernetzt seien. Im Aufsichtsrat von Löwen sitzen etwa Österreichs Altbundeskanzler Alfred Gusenbauer und der ehemalige SPD-Spitzenpolitiker Günter Verheugen. Konkurrent Gauselmann pflegt beste Kontakte zu Parlamentariern aller Couleur.

Das half auch beim jüngsten Versuch der Politik, die Branche zu regulieren: Laut novellierter Spielverordnung müsste die PTB die Automaten genauer prüfen. Obwohl das Gesetz seit November 2014 in Kraft ist, müssen sich die Automatenhersteller derzeit noch nicht sorgen – bis 2018 gelten großzügige Ausnahmen für zahlreiche Altautomaten.

Und für das Verfahren von Grüber hat die geänderte Rechtslage ohnehin keine Auswirkung. Der Ausgang, der für Sommer avisiert ist, liegt maßgeblich in den Händen der PTB. Es scheint, als bräuchte Kläger Grüber vor Gericht das Glück, das er an seinen Automaten zuletzt nicht mehr hatte.

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