Billigflieger Die nächste Attacke von Ryanair

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O’Learys Ryanair-typische Hintergedanken

Doch O’Leary hat sicher auch ein paar Ryanair-typische Hintergedanken. Denn ein Markenzoo sorgt zunächst für etwas höhere Ausgaben, weil die Töchter bei aller Schlankheit ihrer Abläufe eben doch mehr kosten als eine Zentralverwaltung. Doch wird das dadurch wettgemacht, dass Ryanair bei den Untermarken wie in einem Labor leichter neue Dinge ausprobieren kann, die im Konzern nicht möglich sind: etwa eine schlankere und stärker computergestützte Verwaltung. Zudem kann Ryanair dank der Vielfalt leichter Druck auf Lieferanten ausüben – etwa mit der Drohung, zur Konkurrenz zu wechseln. Wie das geht, zeigte Konzernchef O’Leary bereits dem Flugzeughersteller Boeing. Denn der alpenländische Ableger nutzt Maschinen des europäischen Rivalen Airbus. „Eine schöne Erinnerung, dass wir jederzeit wechseln können“, so O’Leary.

Schließlich hilft die Vielfalt auch beim Image. Sie erlaubt ein paar höherwertige Marken für Kunden, die bei der irischen Hauptmarke mit ihrem lauten und gerade bei Arbeitnehmerrechten recht rüden Art aus Prinzip nicht buchen. Zudem lassen die Zukäufe die mit rund 140 Millionen Passagieren mit Abstand größte Flugmarke Europas weniger dominant wirken. „Damit kann Ryanair wie Lufthansa mit Austrian, Brussels, Eurowings und Swiss in von ihr dominierten Märkten kleiner wirken und den Anschein von Wettbewerb erwecken“, analysiert ein führender Manager eines Konkurrenten.

Wie wichtig das ist, erlebte Jacobs diese Woche. Denn erstmals tauchte Ryanair in der Liste der zehn größten Klimasünder in Europa auf. Und das allein wegen ihrer schieren Größe – und einer etwas merkwürdigen Zählweise, die weder die Effizienz noch den Ausstoß von Kohlendioxid auf Langstrecken berücksichtigt.

Der Aufstieg zu den größten Verschmutzern trifft Jacobs. Denn mehr noch als beim Geschäftsmodell ist sein Unternehmen im Umgang mit Kritikern über seinen Schatten gesprungen. Die Linie hat nicht nur mit den Gewerkschaften Frieden geschlossen. „Wir haben innerhalb von 15 Monaten in allen größeren Ländern Europas Tarifverträge mit Piloten und Flugbegleitern erreicht, und in Deutschland sogar mit Sozialplänen nach eurem Recht“, erzählt Jacobs. „Damit zeigen wir allen, dass wir ein guter und fairer Arbeitgeber sind.“ Das ist auch bitter nötig. Denn angesichts des starken Wachstums ist die Nachfrage bei Piloten bereits so groß, dass viele Flugzeugführer von Ryanair zu anderen Fluglinien gewechselt sind.

Fast noch erstaunlicher ist O‘Learys neuer Umgang mit Umweltschützern. Die beschimpfte er lange als „nutzlos“ und „ewiggestrig“. Nun versucht er, mit ihnen zu paktieren. Ryanair überweist nicht nur Geld an First Climate für Ausgleichsprojekte zur Klimabelastung und vermittelt auf ihrer Internetseite Überweisungen für Kunden, die das auch tun wollen, dem Vernehmen nach ohne die übliche Vermittlungsgebühr. Ryanair gibt auch Geld an andere Umweltprojekte. „Denn wir sind die umweltfreundlichste Airline Europas“, lautet O’Learys neues Credo.

Doch ob das viel ändert, bleibt abzuwarten. „Er überweist bislang noch deutlich weniger Geld, als es die großen Fluglinien tun“, ordnet ein führender Manager eines Konkurrenten ein. „Und mit seinen Rüpeleien hat O‘Leary bei Kunden und Kritikern viel verbrannte Erde hinterlassen.“

Mehr Wirkung hinterlassen dagegen die Veränderungen bei den neuen Serviceangeboten. Eher still haben die Iren ihre Version eines Treueangebots namens Ryanair Choice gestartet. Es verspricht Vielfliegern wie bei Easyjets „Plus“-Angebot gegen die Zahlung eines Jahresbeitrags dauerhaft besseren Service. Für 199 Euro oder gut ein Zehntel weniger als bei Easyjet dürfen Kunden ein Jahr lang ohne weitere Kosten einen Koffer aufgeben, den Sitz frei wählen und als erste einsteigen. „Die Resonanz ist gut“, sagt Jacobs. Ab September verspricht Ryanair zudem jedem, der seine Flugstrecke kurz nach der Buchung anderswo billiger bekommen hätte, die Differenz zu erstatten – plus fünf Euro aufs My-Ryanair-Konto.

Ob das reicht, bleibt abzuwarten. „Nachdem Ryanair bis vor fünf Jahren vor allem neue Ideen umsetzte, waren es zuletzt erprobte Ideen anderer Leute“, sagt ein führender Manager eines Konkurrenten. Das ist Jacobs offenbar bewusst. Denn er stellt klar, dass er sich trotz aller Veränderungen noch lange nicht am Ziel sieht. „Alles, was wir bisher getan haben, war nicht viel mehr als ein Anfang“, so Jacobs. „Ihr werdet uns in fünf Jahren kaum noch wiedererkennen.“

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