Bombardier CSeries Der Jet, der Bombardier fast gekillt hätte

Flugzeugbauer Bombardier wollte mit der neuen CSeries das Duopol von Airbus und Boeing aushebeln und hat sich dabei fast umgebracht. Auch wenn jetzt die Lufthansa-Tochter Swiss den Jungfernflug startet: die wohl dramatischste Geschichte der Luftfahrt ist noch lange nicht vorbei.

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Bombardiers CSeries patzt bei Airlines, Passagieren und Pannenstatistiken. Quelle: Presse

Im Moment sollte Alain Bellemare bester Laune sein. Der Bombardier-Chef hat gerade offiziell das erste Exemplar seines wichtigsten Zukunftsprojekts an die Lufthansa-Tochter Swiss übergeben. Damit sorgt der CSeries genannte Mittelstreckenjet nach fast drei Jahren Verspätung und sechs Milliarden Dollar Kosten endlich für Umsatz.

Doch der 55-jährige Manager wirkte auf dem offiziellen Festakt selbst für seine Verhältnisse angespannt. „Wir sollten jetzt erstmal auf das Erreichte stolz sein“, knurrte der Kanadier während der Veranstaltung. Die Anspannung ist verständlich.

Wenn der erste C-Series-Jet Freitag den ersten Linienflug macht, kommt nicht nur das neueste und technisch aufregendste Projekt der Zivilflugbranche. Die als C100 für bis zu 130 Passagiere sowie als C300 für bis zu 160 Sitze angebotene Maschine ist auch das mit Abstand riskanteste. Die Maschine wäre fast zum Konzernkiller geworden. Bombardier - mit seinen gut 18 Milliarden Dollar Umsatz aus dem Bau von Flugzeugen und Transportsystemen wie Zügen - musste zittern. Und Sorgen bleiben.

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„Die Belastungen haben nicht nur fast den gesamten Konzern in die Knie gezwungen“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. „Auch heute ist Bombardier weit davon entfernt, mit der Maschine Geld zu verdienen.“ Laut Branchenkennern haben die Kanadier die meisten ihrer derzeit rund 600 Bestellungen zu Preisen verkauft, die unter den Herstellungskosten liegen.

Dabei war der Bau der CSerie für Bombardier bei der Entscheidung vor dem Jahr 2000 aus mindestens drei Gründen eine gute, ja überfällige Idee.

1. Hoher Bedarf

Die Kanadier brauchten dringend eine neue Jetfamilie. Zwar verdiente die in der Nähe von Montreal ansässige Gruppe in den Neunzigerjahren gutes Geld mit ihren CRJ genannten Regionaljets. Die Airlines rissen sich um die Flieger für 50 bis 70 Passagiere. Mit ihnen konnten sie Städte an ihre Drehkreuze anbinden, in denen sie die größeren Flieger nicht voll bekamen.

Die dramatische Geschichte der Bombardier CSeries
5. Februar 1996: Erste Pläne eines 100-sitzigen JetsBombardier beginnt Verhandlungen zur Übernahme des niederländischen Flugzeugherstellers Fokker als der Eigentümer Daimler-Benz die Gesellschaft fallen lässt. Bombardier interessiert das 100-sitzige Modell Fokker 100. Doch wegen der technischen Probleme und der nötigen Investitionen wollen die Kanadier lieber ein eigenes Modell bauen. Quelle: dpa
08. September 1998: Erste ProgrammideeNach zwei Jahren Arbeit präsentiert Bombardier das Modell BRJ-X – Kurzform für "Bombardier Regional Jet eXpansion". Mit bis zu 110 Plätzen war der Entwurf kleiner als die heutigen C-Serie. Sie hatte aber bereits einen breiteren Rumpf mit fünf Sitzen pro Reihe. Die Treibwerke waren unter dem Flügel statt wie bei CRJ-Regionalfliegern am Heck. Die ersten Linienflüge sollten 2003 stattfinden. Doch am Ende waren Bombardier die Entwicklungskosten von einer Milliarde Dollar zu hoch. Und so streckte das Unternehmen lieber seine alten CRJ-Regionaljets auf bis zu gut 100 Sitze. Quelle: REUTERS
15. März 2005: Offizieller ProgrammstartWeil den Airlines die alten CRJ-Flieger angesichts steigender Spritpreise zu teuer fliegen, entstaubt Bombardier die Idee für ein größeres Flugzeug. Nachdem der Konzern 2004 den ehemaligen Boeing-Manager Gary Scott (links) engagiert hat, gibt der Aufsichtsrat grünes Licht für Verhandlungen mit Fluglinien. Doch nach zwei Jahren erfolglosem Klinkenputzen legt Bombardier das Projekt 2006 wieder auf Eis. Quelle: AP
13. Juli 2008: Erster AuftragNach langen Verhandlungen bekundet Lufthansa auf der Luftfahrtmesse im englischen Farnborough als erste Fluglinie ernsthaftes Interesse an der CSeries. Mit einer Absichtserklärung zum Kauf von bis zu 60 Maschinen – je zur Hälfte für die C100 mit 130 Sitzen und für die C300 für bis zu 160 Plätzen - rettet die Lufthansa das Programm. Die ersten Flüge mit zahlenden Passagieren sollen 2013 bei der Tochter Swiss starten. Quelle: AP
07. November 2012: Erste VerspätungNach Beginn der Serienfertigung tauchen die ersten Probleme auf. Also verschiebt Bombardier den Termin für die Übergabe an Lufthansa ins Jahr 2014. Vier weitere Verzögerungen folgen. Doch mit zwei Jahren und neun Monaten sind die Verspätungen am Ende nicht ungewöhnlich für die Branche. Quelle: REUTERS
16. September 2013: ErstflugBei strahlendem Wetter hebt die C-Series erstmals am Werksflughafen in Mirabel ab. Die Flugtestes laufen vielversprechend - bis am 29. Mai 2014 während des Testprogramms am Boden eines der neuen Triebwerke explodiert. Die Fehlersuche dauert am Ende gut ein halbes Jahr. Quelle: REUTERS
18. August 2014: FührungswechselNach weiteren Pannen wirft Bombardier schrittweise die Führung raus. Zuerst sind es die Leiter des Linienfluggeschäfts, dann die Manager an der Spitze der Flugsparte. Am Ende drängen die Investoren darauf, dass auch Unternehmenschef Pierre Beaudoin als Vertreter der Eigentümerfamilie geht. Sein Nachfolger wird Alain Bellemare, der zuvor das Fluggeschäft des US-Technologiekonzerns United Technologies leitete. Quelle: REUTERS

Doch die CRJs waren allmählich veraltet, weil Bombardier die in den Achtzigerjahren von den Businessjets der Gruppe übernommene Technik kaum weiterentwickelt hatte. So drohte der Konzern den Markt an Neulinge wie Embraer aus Brasilien zu verlieren. Deren neue E-Jets flogen nicht nur billiger, sie waren auch bequemer für die Passagiere.

2. Wandel in der Flugbranche

Der Ende der Neunzigerjahre auf zunächst bis zu 100 Plätze ausgelegte erste Versuch namens Bombardier Regional Jet eXpansion (BRJ-X) passte bestens zum Strukturwandel der Flugbranche.

Im Kampf gegen die Billigflieger wollten die Fluglinien Maschinen mit etwas mehr Sitzen. Damit konnten die Airlines auf jedem Flug ein paar zusätzliche Schnäppchentickets anbieten und neben den neuen Preisbrechern weniger teuer wirken. Doch sie mussten nicht gleich den halben Platz ihrer 150-Sitzer-Jet verschleudern.

Wo Bombardiers CSeries stark ist

3. Keine Konkurrenz

Bombardier hatte beim Schritt in die Klasse der 100-Sitzer mit einem neuen Jet zunächst wenig Wettbewerb zu fürchten. Zwar gab es auch den A318 oder die Boeing 737-600 für maximal 110 Plätze. Doch die wollte fast keine Airline haben. Denn die Flieger waren nicht nur technisch Kinder der Achtzigerjahre. Sie waren im Vergleich neuen Jets teuer im Betrieb.

Gute Chancen also für Bombardier. Und auch beim Entwurf der CSeries machten die routinierten Kanadier technisch alles richtig. Bei der Umsetzung ließen sie hingegen keine Falle aus. Bombardier machte fast alle klassischen Fehler eines Marktführers.

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