Boris Becker „Der Mann braucht derzeit offensichtlich jeden Cent“

Boris Becker bei der Pressekonferenz zu der geplanten „Boris Becker International Tennis Academy“. Quelle: REUTERS

Er tritt als Pokerspieler in einem Werbespot auf, beteiligt sich an der Gründung einer Tennis-Schule, dazu wurden gerade seine Insolvenzauflagen bis 2031 verlängert – der Marke Boris Becker droht die Erosion, fürchtet Gerd Nufer, Direktor des Instituts für Sportmarketing.

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WirtschaftsWoche: Boris Becker hat derzeit selbstironische Auftritte als Werbefigur für eine Hotel-Kette und für einen Elektronik-Markt – ist Becker damit gut beraten?
Gerd Nufer: Das möchte ich lieber nicht beurteilen, zumindest nicht aus Expertensicht. Als neutraler TV-Zuschauer denke ich mir jedoch: Der Mann braucht derzeit offensichtlich jeden Cent und ist sich für nichts zu schade...

Becker war als jüngster Wimbledon-Sieger aller Zeiten ein weltbekannter Sportstar. Verkauft er sich heute in der Werbung unter Wert?
Monetär betrachtet vermutlich eher nicht, inhaltlich gesehen dagegen schon. Selbstironie ist grundsätzlich nicht verkehrt. Aber Boris Becker muss aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Das heißt, in der Wahrnehmung der Zuschauer dürfen seine aktuellen finanziellen Probleme seine sportlichen Erfolge nicht überstrahlen, sonst wird sein Image auf Ersteres reduziert.

Wie beliebt ist Boris Becker in Deutschland überhaupt noch? Und warum?
Boris Becker hat in Deutschland auf alle Fälle immer noch einen riesigen Bekanntheitsgrad – nicht nur aufgrund seiner zurückliegenden sportlichen Verdienste, sondern auch dank seiner jahrzehntelangen Medienpräsenz im Boulevard.

Ist Becker nun – nicht zuletzt wegen seiner Steueraffäre – auf die Werbe-Rolle als gefallener Held festgelegt?
Das ist zu befürchten! Denn es gibt durchaus vergleichbare Beispiele: Lothar Matthäus hat als Spieler auch alles erreicht, aber später als Trainer nie wirklich Fuß gefasst, zumindest nicht in Deutschland. Aufgrund seiner sportlichen Expertise hätte er diese Chance eigentlich verdient gehabt. Aber offensichtlich hat sein Privatleben potenziell interessierte Vereine aus der Bundesliga abgeschreckt.

In welcher Rolle und für welche Produkte könnten Sie sich Boris Becker noch als Testimonial vorstellen?
Generell sehe ich Boris Becker eher als Testimonial für die Zielgruppe seiner Altersklasse und älter, nicht als Influencer von Jüngeren.

Wofür steht die „Marke Boris Becker“ überhaupt noch?
Gemäß meiner Wahrnehmung hat bei der „Marke Boris Becker“ eine Erosion stattgefunden, denn es gibt kein klares Bild mehr: Die ältere Generation erinnert sich an seine sportlichen Erfolge, die immer noch emotionalisieren. Die jüngere Generation kennt „The Boris Becker“ dagegen nicht als erfolgreichen Sportler, sondern eher als lustiges Social-Media-Phänomen, das finanzielle Probleme hat und sich von Oliver Pocher provozieren lässt.

Im Ausland, zumal in England, hat Becker einen guten Ruf als Tennisexperte, in Deutschland dagegen hat er es schwer. Trauen Sie ihm hierzulande noch einen Imagewechsel zu? Was müsste er dafür tun?
Auch hier denke ich wieder an Lothar Matthäus, dem es ähnlich ergangen ist. Grundsätzlich traue ich jedem ehemaligen Sporthelden einen Turnaround zu. Sportliche Erfolge als Trainer oder in einer anderen Funktionärsrolle im Tennis wären in seinem Fall am glaubwürdigsten.

Boris Becker oder Liverpool-Coach Jürgen Klopp, der unter anderem für eine Automarke wirbt: Wer könnte eher in die Fußstapfen von Franz Beckenbauer treten? Der „Kaiser“ ist während seiner langen Karriere ja dutzendfach in Werbekampagnen aufgetaucht.
Wenn die Qualifikation hierfür lauten würde, dass man Skandälchen und Skandale überstehen muss, wäre Boris Becker in der Tat der ideale Kandidat für die Nachfolge Beckenbauers als langjährige, deutsche Werbeikone. Aber darum geht es ja nicht. Für mich hat deshalb Jürgen Klopp im Vergleich die Nase in Sachen Werbung heute und auch zukünftig deutlich vorn.

Becker-Werbung für B&B-Hotels Quelle: PR

Und welcher noch aktive Sportler hat Ihrer Meinung nach das Zeug zum nächsten großen Werbehelden?
In Joshua Kimmich sehe ich viel Potenzial. Er gilt heute schon als meinungsstarker Junior-Chef, sowohl beim FC Bayern als auch in der deutschen Nationalmannschaft. Beide Teams könnte er auf und außerhalb des Platzes in den nächsten Jahren extrem prägen und mittelfristig sogar als Kapitän anführen. Wenn dann noch die sportlichen Erfolge wie ein Champions-League-Sieg mit dem Verein oder ein Titel mit der Nationalmannschaft dazukämen – was ich beides nicht außerhalb des Bereichs des Möglichen sehe – täte das sein Übriges.

Welcher Sportler hat derzeit den größten Werbewert – und warum?
Lewis Hamilton sehe ich weit vorne – vielleicht momentan noch nicht auf Platz 1, aber zukünftig. Denn meine Prognose lautet, dass er Michael Schumacher bei den gewonnenen WM-Titeln und Grand-Prix-Siegen überholen und damit zur Formel-1-Legende schlechthin aufsteigen wird. Formel 1 ist zudem eine globale Sportart. Und auch abseits des sportlichen Geschehens bringt er den für eine weltweite Werbeikone unabdingbaren Glamour-Faktor mit.

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