Brooks-Chef Jim Weber "Warren Buffett wusste nicht, was er da gekauft hat"

Der amerikanische Sportartikel-Hersteller Brooks konzentriert sich auf die Sportart Laufen. Sehr zur Freude seines Eigners, Investor Warren Buffett. CEO Jim Weber über die Zusammenarbeit mit der Investorenlegende und die Zukunft des Laufsports.

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Apple und andere Stars im Portfolio

WirtschaftsWoche: Herr Weber, Adidas ist börsennotiert, ebenso Nike und der japanische Konzern Asics. Sie berichten als CEO des Laufschuh-Herstellers Brooks an ihren Eigentümer Warren Buffett und seinen Fonds Berkshire Hathaway. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Jim Weber: Das war ein interessanter Weg, den wir hinter uns haben. Seit 2001, als ich anfing, hatten wir vier verschiedene Besitzer. Es war eine wirklich einzigartige Situation vor vier Jahren, als wir bei dem jährlichen Treffen der Shareholder unsere Firma präsentierten. Buffett hat uns eine Weile beobachtet.

Wir waren schließlich zu Beginn Teil der Gruppe Fruit of the Loom, die er übernommen hatte. Er hat sich jeden Monat unsere Zahlen angeschaut und war wohl zufrieden, so dass wir 2011 als eigenständige Einheit ausgegliedert wurden. Seither sind wir eines von 70 Unternehmen, die direkt an Buffett berichten.

Zur Person

Ein Vorteil?

Ich hatte unterschätzt, welchen Einfluss das auf unsere Geschäfte haben würde. Es hat unserer Marke enorm geholfen. Berkshire Hathaway ist einzigartig. Es geht immer um die gleichen Dinge: bessere Zahlen, bessere Profitabilität. Das ist die Erwartung an die CEOs von Berkshire Hathaway: dass sie Wert schaffen. Buffett schätzt zeitgleich den Markenwert. Da liegt der langfristige Erfolg. Wir passen auf, dass unsere Finanzen in Ordnung sind. Wir müssen jeden Tag neu überlegen, wie wir neue Kunden bekommen. Wir können Menschen nicht zu Läufern machen. Aber die, die sich entschließen zu laufen, wollen wir mit unserer Marke gewinnen. Diese Strategie verfolgen wir nun seit 15 Jahren und der Erfolg gibt uns Recht. Aber wir denken, dass es noch viel Potential gibt.

Kein Wachstum und Warren Buffett ist nicht mehr so happy?

Er betrachtet es als langfristiges Investment. Aber wir sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen, auch in Krisenzeiten. Eines unserer Probleme, mit dem wir umgehen müssen, sind Währungsschwankungen. Buffetts Rat an uns ist: ‚Konzentriert euch auf den Kunden. Konzentriert euch auf die Läufer. Ihr könnt Währungen nicht beeinflussen. Aber wie ihr euch im Markt bewegt.‘ Wir werden nicht auf Quartalsbasis gemanagt, es gibt keine Budgets bei Berkshire Hathaway. Das ist ein riesengroßer Vorteil für uns. Buffett erwartet, dass wir unser Business beherrschen und das Unternehmen so führen, als gehöre es uns. Natürlich berichten wir regelmäßig im Quartal und jährlich – fast wie ein Aktienunternehmen. Diese Disziplin hatten wir aber schon seit 2001. Deswegen bringt Buffett uns das Vertrauen entgegen.

Größte Sportartikelhersteller der Welt

Dabei wusste er zu Beginn nicht mal so richtig, was Brooks eigentlich macht?

Wir wurden als Teil eines Pakets mit an Berkshire verkauft. Buffett wusste nicht, was er da mitgekauft hatte. Ich fuhr dann zu ihm und erklärte, woher wir kommen und was unsere Pläne sind. Wir waren ein kleiner Teil in dem Drei-Milliarden-Bekleidungshersteller-Paket Fruit of the loom. Wir waren dieser Laufschuhspezialist aus Seattle. Buffett hatte zwei Mitarbeiter, die ihm helfen, das Portfolio zu managen. Und beide sind fanatische Läufer. Beiden war Brooks gut bekannt, einer von beiden war ein Fan. Das hat sicher nicht geschadet. Buffett erkannte das Potential der Marke.

Sie setzen im Vertrieb auf den klassischen Fachhandel. Ist das noch zeitgemäß?

Wir müssen die Marke bewahren. Das geht am besten über den Handel, wo die Mitarbeiter geschult sind. Selbstverständlich verkaufen wir unsere Schuhe auch im Internet. Aber die meisten Kunden wollen Beratung. Und der beste Ort dafür bleibt das Fachgeschäft. Wir haben ein neues Verfahren entwickelt, bei dem der Bewegungsablauf knieabwärts im Geschäft gefilmt wird. Wir mehr darüber erfahren, wie das Knie oder der Fuß sich verhält. Danach kann der Kunde nach seinen Wünschen an Komfort oder Kontrolle einen Schuh wählen, um noch im Geschäft überprüfen, wie es seinen Bewegungsablauf beeinflusst. Aber wir wissen über Läufer aus aller Welt: 75 Prozent informieren sich vor dem Kauf im Internet über den Schuh. Sie kommen so gut informiert ins Geschäft wie nie zuvor.

Der 3D-Druck ist noch zu langsam und zu teuer

Event-Läufe lösen die klassischen Sportwettbewerbe bei den Teilnehmerzahlen ab. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Unsere Marke ist seit jeher für alle Arten von Läufer da. Nicht ausschließlich die Leistungsorientierten. Menschen laufen, um in sich selbst zu investieren. Sie laufen, um sich besser zu fühlen, sie laufen, um fit zu bleiben, sie laufen, um gesünder zu bleiben. Sie laufen aus zahlreichen Gründen, bis auf einen: um zu gewinnen. Der Sport wird mehr zu einer Frage von Fitness denn als eine von Wettkampf gegen einen anderen. Unser Geschäft ist nicht der Wettkampf, unser Geschäft ist das Laufen – auch wenn sich viele Menschen nicht als Läufer sehen.

Es bleibt das Risiko, dass die Kunden eines Tages wieder abspringen.

Ja. Laufen ist oft eine Episode im Leben der Menschen. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich in den USA die Trends ändern. Die Wettbewerbe von Tough Mudder, bei der sich die Teilnehmer durch einen Hindernisparcours ackern, waren ein enormer Erfolg. Das gleiche gilt für die Color-Runs, bei denen die Läufer mit farbigem Pulver bestreut werden. Vergangenes Jahr sind beide Gattungen um 15 Prozent geschrumpft. Die Menschen probieren ständig verschiedene Sachen aus. Trail-Running wächst derzeit sagenhaft in den USA. Laufband-Training boomt. Aber alle diese Dinge gehen rauf und runter. Ich denke, dass in den kommenden drei Jahren vieles davon schon wieder Schnee von gestern ist und neue Sachen die Menschen bewegen. Aber eines bleibt konstant in diesen Entwicklungen: Die Menschen bewegen sich. Und von allen Trends – egal ob kurz- oder langlebig – ist Laufen ein wichtiger Bestandteil.

Die Menschheit läuft seit Jahrtausenden. Die Schuhmode ändert sich dennoch regelmäßig. Wieso?

Es kommen neue Erkenntnisse über die Biomechanik ins Spiel. Aber vieles ist auch getrieben von dem Wunsch, etwas Neues zu probieren, ein anderes Laufgefühl zu haben. Nach Jahren der Konzentration auf extreme Dämpfung, kam der Trend zu minimalistischen Schuhen auf. Bei uns machten die Verkäufe von Schuhen mit wenig Dämpfung und flachen Sohlen eine Zeit lang 25 Prozent des Absatzes aus. Das ist wieder gesunken auf unter 10 Prozent. Diese Wünsche müssen wir als Unternehmen bedienen. Und im Mittelpunkt steht der Hobbysportler, der viel läuft, der die höchsten Ansprüche an sein Material stellt. Wenn der zufrieden ist, dann ist das ein Signal an diejenigen, die weniger Kilometer im Jahr laufen.

Das Wachstum für den Laufartikelmarkt entsteht aber andernorts.

Wir konzentrieren uns aufs Laufen. Wir sind nicht böse, wenn jemand unsere Schuhe im Café trägt. Aber unser Fokus liegt auf dem Kunden, der damit Sport betreiben möchte. Als der Jogging-Boom in den 70er Jahren in den USA begann, waren wir bereits da. Die Schwierigkeiten, die unser Unternehmen in den 90ern hatte, hatten wenig mit dem Sport als solches zu tun. Bevor ich 2001 als CEO begann, hatte das Unternehmen binnen weniger Jahre vier CEOs. Mitarbeiter schlossen Wetten darauf ab, wie lange ich wohl bleiben würde. Zu dem Zeitpunkt hatten wir zwar einen Schwerpunkt auf Laufschuhe für Leistungssport, aber daneben ein komplettes Portfolio an Schuhen für zig andere Sportarten. Das haben wir alles abgeschafft. Wir haben die Brücken hinter uns abgebrannt. Wir hatten keine andere Wahl.

Marken wie New Balance sind aber sehr erfolgreich damit, ihre Marke auch bei Sneakern einzusetzen.

Ich habe mein Berufsleben in Unternehmen verbracht, die Ausrüstung für Bergsteigen und andere Outdooraktivitäten produzieren. Und so betrachten wir unsere Schuhe. Sie sind ein Stück Ausrüstung. Nicht jeder muss in unseren Schuhen 50 Kilometer am Stück laufen wollen. Aber wenn man es möchte, dann soll man unserem Material vertrauen können. Das gilt für alle Produkte von der Socke bis zum Sport-BH. Wenn Sie sich die großen Erfolgsgeschichten von Marken anschauen. Sie lassen sich immer auf ein Produkt zurückverfolgen.

Ist es nicht wichtiger für einen Spezialisten, die innovativste Technik anzubieten? Was zum Beispiel ist mit individualisierten Schuhen aus dem 3D-Drucker?

Wir werden bei den Olympischen Spielen Athleten sehen, die Schuhe aus dem 3D-Drucker tragen. Aber bis es im Massenmarkt angekommen ist, wird es sicher noch eine Weile dauern. Wir schauen uns die Technik an. Noch ist sie zu teuer und zu langsam. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Kunde hat in aller Regel zwei unterschiedliche Füße – das können wir heutzutage nicht auffangen. Und mit dem 3D-Druck wird es möglich sein, die Schuhe zu produzieren, die an den Fuß exakt angepasst sind. Das bedeutet nur nicht zwingend, dass sie auch beim Laufen ideal sind. Denn es ist eine dynamische Bewegung. Wir wissen, dass es im Design eines Laufschuhs reicht, ihn an einer Stelle um einen Millimeter zu verändern, um ihn zu zerstören. Denn die Füße ändern sich und nach 30 Kilometern ist der Fuß nicht mehr der gleiche. Sie werden bluten, im wahrsten Sinne des Wortes, wenn der Schuh das nicht berücksichtigt. Die Zehen brauchen Platz, je länger das Rennen, desto mehr. Füße spreizen sich.

Aber der Kunde könnte sich eine Farbe wählen, wie es ihm gefällt.

Ja, und diese Auswahl ist cool. Aber gute Laufschuhe erkennt man eben nicht am Design – sondern am Komfort. Wie fühlt sich der Schuh im Geschäft an? Wie fühlt er sich nach zehn Kilometern an? Und wie nach 42 Kilometern? Diese Fragen stellen wir und suchen Antworten. Wettbewerbe können schmerzhafte Erfahrungen sein für die Füße. Und eigentlich sind wir erst am Anfang. Es kommt mittlerweile eine so große Fülle an Daten an, von der wir vor Jahren noch geträumt haben. Die Selbstoptimierung und die neuen Geräte liefern zahllose Informationen, wie viel jemand läuft, wie er läuft, wie sich sein Laufstil verändert über die Distanz. Wir lernen schneller, alle Marken lernen schneller, wir lernen schneller als in all den Jahren zuvor. Dennoch entscheidet für uns der Moment des Läufers. Wir verkaufen keine Daten, wir verkaufen keine Sensoren. Wir verkaufen Ausrüstung, in der Menschen laufen.

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