Bund beteiligt sich mit 700 Millionen Die TUI-Hilfe ist ein gutes Geschäft – für den Staat

Beim weltgrößten Reiseanbieter ist noch mehr Unterstützung des Bundes nötig: Nach zwei Hilfspaketen in Milliardenhöhe muss TUI mit weiterem öffentlichen Geld stabilisiert werden. Quelle: dpa

Die 700 Millionen Euro schwere Beteiligung des Bundes am angeschlagenen Reisekonzern TUI wirkt unverständlich. Doch ist sie in der gegenwärtigen Lage unvermeidlich – und dürfte sich am Ende für den Staat auszahlen.

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Bereits zwei Mal hat die TUI in diesem Jahr einen Milliardenkredit vom Staat erhalten. Und nach den bisher rund drei Milliarden bekommt der Reisekonzern von der Bundesregierung jetzt sogar noch eine dritte Hilfe? Und das nicht nur über einen Kredit. Wie bei der Lufthansa beteiligt sich der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit stillen Einlagen von insgesamt 700 Millionen Euro am Eigenkapital. Damit gehört dem Staat künftig ein Viertel des Unternehmens. Das muss alle anderen Firmen und Selbstständige erzürnen, die nach neun Monaten Krise und dem zweiten Lockdown noch immer auf ihre erste Hilfe warten.

Doch die am Mittwoch verkündete Hilfe ist derzeit fast unvermeidlich. Zum einen ist sie nach Lage der Dinge die einzig mögliche Überbrückung bis der Konzern wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Denn so sehr das Reisegeschäft auch danieder liegt und die TUI in die roten Zahlen drückt: Die Buchungen dürften dank der nahen Zulassung der ersten Coronaimpfstoffe im Lauf des Frühjahrs wieder anspringen.

Im kommenden Sommer könnte der Umsatz vor allem dank eines starken Geschäfts mit Deutschlandreisen und Kreuzfahrten immerhin wieder halb so hoch sein wie im vergangenen Jahr. In dem Fall sollte die TUI nach den beschlossenen Sparmaßnahmen ihren Betrieb zumindest operativ allein finanzieren können. Da kann der Staat kaum einen weiteren Kredit verweigern und TUI vorher noch in die Insolvenz schicken, inklusive mehrerer zehntausend Jobs beim Unternehmen, den davon abhängigen Reisebüros und in vielen Urlaubsregionen.

Die Notlage der vor der Krise profitablen TUI liegt zudem nicht an Missmanagement. Dem Reiseriesen drohte vor allem deshalb spätestens Anfang 2021 das Geld auszugehen, weil die Politik ihm wie allen Urlaubsunternehmen zur Eindämmung des Coronavirus seit November erneut eine Art komplettes Betriebsverbot auferlegt hat. Dafür sorgen etwa das strikte Übernachtungsverbot für Privatreisende im Inland und die strengen Vorgaben wie die Quarantänepflicht für Reiserückkehrer, selbst wenn deren Urlaubsregion im Verhältnis weniger Coronafälle hatte als deren Heimatort in Deutschland.

Die Unsicherheit, wie schnell die Regeln auch nach Beginn der Impfungen fallen, hat viele davon abgehalten ihren Urlaub für den kommenden Sommer wie gewohnt zur Jahreswende zu buchen. Dabei haben die Kunden der Reiseveranstalter nach Lage der Dinge fast keine erkennbare Schuld an der aktuellen zweiten Welle der Ansteckungen.


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Zudem gibt es einen wichtigen Unterschied zur ähnlich gestalteten Lufthansahilfe. Das dritte TUI-Paket schultert anders als bei seinen Vorläufern nicht allein der Steuerzahler. Neben dem WSF und der staatlichen KfW-Bank beteiligt sich auch der wichtigste private Aktionär an der Rettung. Der russische Milliardär Alexej Mordashow will die geplante Kapitalerhöhung nicht nur mitgehen. Er will seinen Anteil an der TUI wenn möglich erhöhen, von heute rund einem Viertel auf zumindest 30 Prozent.

Und wenn ihn die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin davon befreit, im Rahmen des eigentlich vorgeschriebenen Pflichtangebots notfalls allen anderen Anteilseignern die Aktien abkaufen zu müssen, könnten es sogar 36 Prozent werden. Dabei könnte ein weiterer Betrag in Höhe von bis zu einer halbe Milliarde Euro fließen.

Was aber vor allem Ordnungspolitiker beruhigen dürfte: Überlebt die TUI, sind die Hilfen wie bei der Lufthansa ein gutes Geschäft für den Staat. Der Konzern muss den Kredit dann nicht nur tilgen. Er zahlt auf das Darlehen auch ordentlich Zinsen. Für die Lufthansa lag der Satz bei bis zu 9,5 Prozent im Jahr. Das ist deutlich mehr als fast jedes andere einigermaßen solide Investment derzeit bringt.

Mehr zum Thema: Impfstoff-Hoffnungen beflügeln die TUI-Aktie. Ist das eine Investmentchance oder Bullenfalle? Eine Analyse.

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