




Eine Brandenburgerin wollte es wissen. Sie pochte auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit und klagte sich bis in die letzte Instanz. Die Montagearbeiterin wurde nach Angaben ihres Anwalts Kai-Uwe Zänker am Mittwoch eher unfreiwillig vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt zu einem der Präzedenzfälle für Tausende Zeitarbeiter, deren Arbeitgeber Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (CGZP) Tarifverträge geschlossen hatten. „Meine Mandantin ist froh, dass sie wieder Arbeit hat“, sagt der Anwalt.
Letztlich scheiterte die Frau mit ihrer Klage auf Zahlung der Lohndifferenz von 16 285,05 zur Stammbelegschaft. Nicht weil sie ihr aus Sicht der Bundesarbeitsrichter mit ihrem damaligen Stundenlohn von ehemals 6,15 Euro nicht zustehen würde, sondern wegen Firsten. Nach ihrem Arbeitsvertrag mit der Verleihfirma musste sie Lohnansprüche spätestens nach drei Monaten geltend machen. Diese First wurde nicht eingehalten, begründet die Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts, Inken Gallner, die Entscheidung.
Die in vielen, aber nicht allen Arbeitsverträgen eingebaute Verfallsfrist wurde von den Bundesrichtern ebenso wie die Verjährungsfrist von drei Jahren nicht infrage gestellt. Sie seien die Krux nicht nur bei der Arbeiterin aus Brandenburg, sagt der Chefjurist beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt, Thomas Klebe. Zeitarbeiter müssten nach der Entscheidung der Bundesrichter alle drei Monate ihre Ansprüche während eines möglicherweise noch laufenden Arbeitsverhältnisses geltend machen. „Das sind harte Anforderungen an normale Arbeitnehmer“, findet Klebe.





Die CGZP-Verträge, die nach Schätzungen des Arbeitsrechtlers Peter Schüren von der Universität Münster für bis zu 200.000 Menschen galten, hatte das Bundesarbeitsgericht in Grundsatzurteilen 2010 und 2012 für nichtig erklärt. Doch nur vergleichsweise wenige Zeitarbeiter klagten die ihnen danach zustehende gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaften (Equal-Pay-Prinzip) ein. Von den DGB-Gewerkschaften wurden nach deren Angaben bundesweit bisher rund 1500 Gerichtsverfahren von Zeitarbeitern betreut, die Nachzahlungen verlangen. „Es geht in diesen Fällen um ein Volumen von fünf Millionen Euro“, sagt Klebe.
Ihre Erfolgsaussichten dürften sich nach der Verhandlung des Bundesarbeitsgerichts vom Mittwoch nicht grundlegend gebessert haben. Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht für mehr Klarheit gesorgt. Bisher haben Arbeitsgerichte in Sachsen und Bayern, Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen sehr unterschiedlich geurteilt.
„Die, die abgewartet haben, bis das Bundesarbeitsgericht die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt hat, haben verloren, wenn ihre Arbeitgeber so clever waren, wirksame Verfallsfristen in die Arbeitsverträge einzubauen“, sagt der Arbeitsrechtsprofessor Schüren.
Die Entscheidung der Bundesrichter fällt in eine Zeit, in der in Deutschland über die Kluft zwischen Arm und Reich und einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro gestritten wird.
Es wirft aber auch ein Schlaglicht auf eine Branche mit derzeit nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit knapp 800.000 Beschäftigten, die immer wieder in der Kritik steht. Obwohl es inzwischen für die Zeit- und Leiharbeit Lohnuntergrenzen - derzeit im Westen 8,19 Euro pro Stunde und im Osten bei 7,50 Euro - gibt, muss sie gegen ihr schlechtes Image ankämpfen. Jüngst sorgten Arbeitsbedingungen von Zeitarbeitern beim Internet-Versandhändler Amazon für Diskussionen.
Für den Anwalt der Brandenburgerin sind gleiche Löhne für gleiche Arbeit ein „hoher Grundsatz“. Zänker sieht dabei weniger die Arbeitsgericht, sondern die Politik in der Pflicht.