Henrich Blase hat alle erdenkliche Geduld aufgebracht. Er ist am Montag vergangener Woche von München nach Berlin gereist und hat sich in Begleitung von Branchenkollegen mit Spitzenvertretern der Verbraucherzentralen an einen Tisch gesetzt. Stundenlang hat er dann diskutiert, denn die Verbraucherschützer nehmen den 49-Jährigen seit Wochen schwer unter Beschuss.
Das Onlinevergleichsportal Check24, das Blase leitet, liefere dem Nutzer längst nicht immer wie behauptet die günstigste Kfz-Versicherung oder den preiswertesten Handytarif. Stattdessen sei es für den Verbraucher oftmals sogar günstiger, nicht über Check24 Verträge und Policen abzuschließen, sondern beim Anbieter direkt.
Das zumindest sei das Ergebnis einer Untersuchung namens „Marktwächter Digitale Welt“, die die Verbraucherzentralen unlängst angestellt haben. Vergeblich versuchte Blase, die Verbraucherschützer von den methodischen Schwächen und Fehlern ihrer Studie zu überzeugen: Zum Beispiel trug er vor, dass diese mit unrealistischen Preisen arbeiteten, indem sie Bonuszahlungen einrechneten und Gebühren wegließen. Doch es hatte keinen Sinn. Am Nachmittag gingen beide Parteien auseinander, einigten sich nur darauf, dass sie sich nicht einigen können. Die Fronten bleiben verhärtet.
Check24 ist mit Abstand das größte Vergleichsportal im Internet in Deutschland. Konkurrent Verivox kommt nur auf ein Viertel, Unister nicht einmal auf ein Sechstel des Check24-Jahresumsatzes von 330 Millionen Euro im Jahr 2014. Das Geschäft brummt. 2015 sei der Umsatz erneut im zweistelligen Prozentbereich gewachsen, heißt es aus dem Unternehmen.
Kritiker bemängeln Transparenz
Kein Wunder, dass da vor allem Unternehmenschef Blase seinen Kopf hinhalten muss, auch wenn sich die Kritik nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen die Mitbewerber richtet:
- So wollen neben den Verbraucherzentralen auch die Bundesländer Check24 und seinen Wettbewerbern ans Leder und stärker vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben. Zu undurchsichtig, zu wenig transparent seien die Vergleiche, lautet die Kritik.
- Gleichzeitig klagt der Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK), der rund 13 000 unabhängige Makler vertritt, gegen Check24. Das Münchner Unternehmen verletze seine Informations- und Beratungspflichten gegenüber den Kunden, so der Vorwurf. Am Mittwoch trafen sich beide Parteien erneut vor dem Münchner Landgericht. Sehr viel weiter gekommen sind sie nicht. Bis die Richterin ein Urteil spricht, dürfte es dauern.
Vordergründig richtet sich die Kritik der Verbraucherschützer wie der Bewerteten gegen durchaus angreifbare Elemente im Geschäftsmodell von Check24 und Co. So leben der Marktführer und seine Wettbewerber weniger vom Preis- und Konditionsvergleich als von Provisionen, etwa für Versicherungspolicen oder Reisen, die Nutzer der Portale bei den gelisteten Anbietern kaufen. Das weckt den Argwohn, ob es bei den Vergleichen immer nur nach Preis und Leistung geht – oder nicht auch danach, wer den Portalen die attraktivsten Provisionen zahlt.
Doch dies erklärt die aktuellen Attacken auf die Portale nur zum Teil. Die Betreiber der Portale argwöhnen, dass Check24, Verivox und Unister auch angegriffen werden, weil sie das Geschäftsmodell der Verbraucherzentralen bedrohen.
Was Sie bei der Preisjagd auf Vergleichsportalen beachten sollten
Die Stiftung Warentest rät Verbrauchern, immer mehrere Suchmaschinen zu benutzen, um den gesamten Markt abzubilden. Vor der Eingabe persönlicher Daten sollten Kunden sich in den Geschäftsbedingungen vergewissern, dass diese nicht an Dritte weitergegeben werden.
Wer günstig fliegen möchte, sollte bei Portalen suchen, die reine Preisvergleiche anbieten. Die Stiftung Warentest empfiehlt die Google-Flugsuche oder Swoodoo im Gegensatz zu den digitalen Reisebüros expedia.de oder opodo.de, die eine Provision für die Vermittlung nehmen. Verbraucher sollten den gefundenen Preis dann mit dem Angebot vergleichen, das der jeweilige Reiseanbieter auf seiner Internet-Seite direkt macht. Zusätzlich sollten Kunden darauf achten, welche Leistungen genau im Preis enthalten sind.
Bei der Suche nach dem günstigsten Tarif ist bereits bei den Voreinstellungen der Portale Vorsicht geboten, warnt die Verbraucherzentrale NRW: Die seien oft so gewählt, dass bei den vordersten Suchergebnissen Lockangebote landeten von Anbietern, welche für die Vermittlung eine Provision an das Portal zahlen. Um günstige und faire Angebote zu finden, sollten Verbraucher die Häkchen bei den Einstellungen selbst setzen und etwa „Alle Boni und Rabatte in die Gesamtkosten einrechnen“ anklicken und „Alle Tarife“ anzeigen lassen, um den wahren Endpreis zu sehen. Oft stünden wirklich günstige Tarife erst an vierter bis zehnter Stelle. Bei verivox.de etwa werden bei den Suchergebnissen ganz oben Anzeigen von Unternehmen geschaltet, die oft teurer sind als andere Anbieter. Immerhin bietet Verivox aber bei den Voreinstellungen eine „Stiftung-Warentest-Empfehlung“ an. Bei Vorkasse-Tarifen droht bei einer Anbieterpleite Geldverlust.
Bei der Suche nach Tagesgeldzinsen ist wichtig, sich die Konditionen anzuschauen, rät die Verbraucherzentrale NRW: Wie hoch ist die Einlagensicherung? Wann werden die Zinsen gezahlt? Ist die Service-Hotline auf Deutsch und kostenlos? Dies kann bei den Sucheinstellungen berücksichtigt werden.
Die Portale machen den traditionellen, staatlich bestellten Verbraucherschützern immer mehr Kunden abspenstig. Wer unter Google Trends die Begriffe „Verbraucherzentrale“ und „Stiftung Warentest“ eingibt, stellt fest, dass die Zahl der einschlägigen Suchanfragen seit etwa zehn Jahren stark sinkt. Die Zahl der Suchbefehle für Check24 steigt dagegen kontinuierlich. Irgendwann vor drei Jahren haben sich die Kurven gekreuzt. Die Aussichten der Kritiker, die Portale mit neuen Vorschriften und Prozessen kleinzukriegen, sind eher bescheiden. Denn jeder Hieb gegen die ungeliebte Konkurrenz im Netz trifft fast immer auch diejenigen, die sich von einer Beschränkung der Portale einen Vorteil versprechen: Makler, Reisebüros, Versicherungsvertriebe etwa.
„Die Verbände müssen ihrem Qualitätsanspruch gerecht werden.“
So fordern die Verbraucherschutzminister der Bundesländer, Check24 solle seine Provisionen offenlegen. Zwar stimmt es, dass die Münchner für jeden Strom- oder Handyvertrag, für jeden Kredit oder Mietwagen, den ein Nutzer über das Vergleichsportal bucht, eine Provision kassieren und diese nicht offenlegen. Bei einer Kfz-Versicherung sollen dies etwa 100 Euro sein.
Aber die Intransparenz gilt genauso für diejenigen, denen Check24 über das Vehikel der zusätzlichen Preisvergleiche Geschäft wegnimmt: die Tourismusbranche und die Assekuranz. „Reisebüros oder Versicherungsmakler nennen dem Kunden ja auch nicht die Provisionen, die sie kassieren“, sagt Check24-Chef Blase. Zugleich versichert er, die Höhe der Provisionen hätte keinen Einfluss auf das Vergleichsergebnis.
Um dem Nachdruck zu verleihen, erwägt Blase sogar, Check24-Kunden künftig eine Liste mit Anbietern zu präsentieren, die sich nicht auf den Portalen listen lassen. Einen Kandidaten hat Blase schon: den Autoversicherer Huk Coburg, der bisher den Check und den Verkauf seiner Policen auf Check24 ablehnt.
Ähnlich stichelt Blase gegen den Versicherungskaufleute-Verband BVK. Der wirft Check24 unlauteren Wettbewerb vor. So sei das Onlineportal, obwohl es so arbeite, kein Makler. Denn Check24 händige dem Kunden beim ersten Zusammentreffen nicht wie vorgeschrieben ein Papier mit wichtigen Informationen aus, unter anderem über die Tätigkeit als Makler. Das stimmt natürlich. Gleichwohl präsentiert Check24 auf der Homepage einen Link zu einem PDF-Dokument mit eben diesen Informationen.
Check24 rächte sich prompt mit einer Retourkutsche gegen BVK-Präsident Michael Heinz. Ausgerechnet auf dessen Homepage fehlten nämlich Informationen zu seinem Status als Makler in der vorgeschriebenen Form. Die Angaben hatte Heinz bis vor wenigen Tagen hinter dem Impressum geparkt. Auf die Entdeckung von Check24 hin hat der Cheflobbyist der Versicherungsvertreter seinen Fehler inzwischen korrigiert. Zumindest angreifbar sind die Verbraucherschützer mit ihrer Untersuchung „Marktwächter Digitale Welt“ . Denn bei ihren Alternativrechnungen, die Ergebnisse der Portale anzweifelten, begingen sie teilweise offenkundige Fehler. So legten sie ihrem Vergleich verschiedener Telekommunikationstarife die Lockvogelangebote der Anbieter zugrunde, also etwa Vergünstigungen nur für die ersten zwölf Monate der Vertragslaufzeit.
Dies sei ein „Vergleichsverhalten“, heißt es aus der Verbraucherzentrale Bayern, „das für Verbraucher als realistisch anzunehmen“ sei. Aufklärung über die tatsächlichen Kosten sieht jedoch anders aus. Check24 berechnet deshalb den Preis über die gesamte Vertragslaufzeit und vergleicht so die tatsächlichen Kosten der Angebote.
Auch bei Flugreisen schluderten die Verbraucherschützer offensichtlich. So vergaßen sie, einzelne Gebühren, etwa für Kartenzahlung, einzurechnen, und kamen dadurch nicht auf die echten Preise, auch weil sie die Reise nicht wirklich buchten. Check24 vergleicht Echtpreise.
„Die mussten mal eine Kanonenkugel abfeuern, um zu zeigen, dass sie da sind“, ätzt Check24-Chef Blase über die Studie der Verbraucherzentralen und fordert: „Die Verbände müssen ihrem Qualitätsanspruch gerecht werden.“ Tatsächlich verriet Ende März ein anonymer Verbraucherschützer der Wochenzeitung „Die Zeit“, dass 90 Prozent dessen, was ordentliche Vergleichsrechner in den Portalen leisteten, im Sinne des Verbrauchers sei. Manche Verbraucherzentralen benutzen bei ihren Kundenberatungen inzwischen sogar die privaten Vergleichsportale.
Die Chancen, dass Check24 und Co. für ihr Wirken sogar eine richterliche Bestätigung erhalten, stehen nicht schlecht. Im Prozess, den die Versicherungskaufleute vom BVK gerade gegen das Portal führen, signalisierte die Richterin nach dem ersten Verhandlungstag Ende Februar: Selbst die individuelle Beratung, an der es laut BVK bei Check24 fehle, sei kein Problem. Die sei durch die Eingabemasken und die darauf basierenden Vergleichsergebnisse gewährleistet.