Das Landgericht München hat dem Preisvergleichsportal Check24 größere Transparenz für seine Nutzer verordnet. Das Münchner Internet-Unternehmen muss seine Kunden künftig bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen deutlich darüber informieren, dass es als Versicherungsmakler agiert - und somit auch Provisionen von den Firmen kassiert, deren Produkte Check24 vertreibt. Die Vorsitzende Richterin Barbara Clementi verkündete das Urteil nach einem mehrmonatigen Zivilprozess am Mittwoch.
Geklagt hatte der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute, der 11 000 Versicherungsmakler vertritt und Check24 unlauteren Wettbewerb vorwarf. Verbandspräsident Michael Heinz erklärte das Urteil anschließend zum „Sieg für den Verbraucherschutz“. Kern des ganzen Prozesses war der Vorwurf der Versicherungsmakler, dass Check24 unter falscher Flagge segle: Das Unternehmen tritt auf seiner Webseite bislang wie ein neutraler Dienstleister auf, der die billigsten Preise heraussucht.
Die Information, dass Check24 als Online-Makler tätig ist und ebenso wie ein normaler Vertreter Provisionen kassiert, können bislang aber nur Nutzer finden, die aktiv auf der Webseite suchen.
Fragen und Antworten zur Klage gegen Check24
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskauflaute wirft dem Unternehmen Irreführung der Verbraucher vor: Check24 tarne sich als Preisvergleichsportal - arbeite aber genau wie ein Makler. Auf den ersten Blick könnten die Kunden das nicht erkennen. Der Verband wirft Check24 unlauteren Wettbewerb vor und erhofft sich ein Urteil mit Vorbildcharakter für weitere Vergleichsportale.
Die Vorsitzende Richterin Barbara Clementi sagte schon im Laufe des Prozesses, dass Check24 nach ihrer Ansicht die Besucher der Webseite keineswegs ausreichend über die Maklerrolle informiert.
Nach Ansicht der klagenden Versicherungsvertreter sind die Informationen auf Check24 auch in dieser Hinsicht unzureichend: Wer nur schlechte Deutsche-Kenntnisse habe, könne aus Versehen schon mal eine Gebäude-Versicherung abschließen statt einer Hausrat-Versicherung, argumentierte ein Anwalt. Die Richterin sah das anders: Sie geht davon aus, dass die Kunden durchaus wissen, was sie tun. Bei einzelnen Versicherungsprodukten aber muss Check24 voraussichtlich nachbessern - und zum Beispiel in der Hausratversicherung abfragen, ob auch ein Fahrrad zum Haushalt gehört.
Die Portale haben meist Verträge mit den Unternehmen abgeschlossen, deren Produkte sie anbieten. Für jeden Kunden, den ein Portal vermittelt, müssen diese Firmen dann Provision zahlen. Die Provision liegt etwa bei der Kfz-Haftpflicht nach Angaben aus Versicherungskreisen bei rund 50 bis 100 Euro pro Vertrag. Das ist ein lukratives Geschäft: Allein in der letzten Wechselrunde für die Kfz-Haftlichtversicherung vermittelte Check24 rund 950 000 Verträge.
Wie hoch die Provisionen genau sind, bleibt Betriebsgeheimnis: Firmengründer Henrich Blase wehrt sich gegen Forderungen aus der Politik, die Portale zur Offenlegung ihrer Gewinnbeteiligung zu verpflichten. Im Geschäftsleben sei das völlig untypisch. „Kein Autohändler oder kein Reisebüro macht das.“
Nein. Eine Studie mehrerer Verbraucherzentralen kam zu einem deutlichen Ergebnis: „Der Nutzen von Online-Buchungs- und Vergleichsportalen ist für Verbraucher eingeschränkt, da einige Portale häufig nicht den günstigsten Preis anzeigen.“ Zum Teil fanden die Verbraucherschützer auf den Internetseiten der einzelnen Anbieter günstigere Preise als über die Portale.
Das gilt besonders für Handy- und Online-Tarife: Dort waren 50 Prozent der angezeigten Preise auf den Portalen höher als bei den Telekommunikationsfirmen selbst. Auch bei Flugpreisen schnitten die Portale schlecht ab. Check24 warf dann seinerseits den Verbraucherzentralen methodische Mängel vor: Teilweise seien Äpfel mit Birnen verglichen worden.
„Das ist ein Stück Irreführung, das muss man in aller Deutlichkeit sagen“, klagte Verbandspräsident Heinz. „Es muss jedem Verbraucher klar sein: Hier ist kein Gutmenschentum, sondern es ist ein Versicherungsmakler.“ Nach Angaben des Verbands sind die Provisionen, die die Portale kassieren, sogar höher als die Vergütung eines traditionellen Versicherungsvertreters.
Und auch die 37. Zivilkammer des Landgerichts sieht darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Mitteilungspflichten. Die Informationen müssten dem Nutzer so präsentiert werden, „dass er nicht erst danach suchen muss“, schrieb Richterin Clementi in ihrer Pressemitteilung zu dem Fall. Die Versicherungskaufleute erwarten nun, dass auch die restlichen Vergleichsportale die Vorgaben des Urteils umsetzen. Doch gaben die Richter den Klägern keineswegs in allen Punkten recht. Die Versicherungsvertreter hatten so scharfe Vorgaben für die Online-Beratung gefordert, dass das Internet-Geschäft mit Versicherungen bei einem vollständigen Sieg sehr erschwert worden wäre.
"Das Gericht hat die Anforderungen an die Vermittlung von Versicherungsverträgen im digitalen Bereich mit Augenmaß konkretisiert", sagt Anne Fischer, Rechtsanwältin für Versicherungsunternehmensrecht bei der Kanzlei Allen & Overy. Zu beachten sei, dass die Verpflichtung des Gerichts nicht nur Vergleichsportale treffe, sondern auch sämtliche Versicherungsvermittler, die im digitalen Umfeld agierten. Diese müssten ihre Webseiten entsprechend anpassen. Es sei aber begrüßenswert, so Fischer, dass das Landgericht München bei seinem Urteil davon ausgehe, dass "Beratung in der digitalen Welt anders als in der analogen Welt ausgestaltet ist", so Fischer. Wer online einen Versicherungsvertrag abschließe wüsste in der Regel, dass er keine umfassende mündliche Beratung erhalten wird.
Insgesamt stimmte die Kammer nur drei so genannten Nebenanträgen zu und ordnete an, dass Check24 bei der Vermittlung von Kfz-, Hausrat- oder Haftpflichtversicherungen in einzelnen Punkten besser informieren muss. Dementsprechend ist auch Check24 zufrieden. Das Geschäftsmodell sei nicht gefährdet, sagte Geschäftsführer Christoph Röttele. „Mit dem heutigen Urteil sind wir zufrieden.“ Das Unternehmen schaffe konsequente Transparenz und sei auf echten Kundennutzen fokussiert. Beide Seiten wollen aber in den kommenden Wochen prüfen, ob sie gegebenenfalls in Berufung gehen.