Der General Manager des Sunrise, Brice Péan, ist ein gepflegter Herr, der akzentfrei Deutsch spricht und schon Hotels in Thailand, Australien und auf den Fidschi-Inseln geleitet hat. „Ich nenne das Sunrise eine Destination“, sagt Péan. „Denn es ist ja viel mehr als nur ein Hotel.“ Zum futuristischen Bau, dessen Fassade mit 10 000 Glasscheiben verkleidet ist, gehören noch ein Konferenzzentrum und ein paar separate Hotels, die etwas abseits liegen.
Péan braust mit seinem Audi A8 zu einem der Neben-Hotels, Richtung Villa 11, und überholt einen betrunkenen Chinesen, der mit seinem weißen Buick im Tunnel Schlangenlinien fährt – macht nichts, es ist ja sonst niemand auf der Straße. Die Villa 11 ist eines von zwölf Boutique-Hotels, die mehr oder weniger von traditioneller chinesischer Architektur beeinflusst sind. Boutique-Hotel – das ist der Name für kleine, feine Luxusbetriebe mit mehreren Zimmern. Die zwölf Villen sind zwischen 6000 und 9000 Quadratmeter groß. Sie verfügen jeweils über ein eigenes Restaurant, ein Heimkino und einen Spa-Bereich mit 25 Meter langem Pool. Ihre Botschaft: Viel Exklusivität für noch mehr Geld.
Péan schreitet einen Gang aus Marmor und Holz ab, der etwas Staub angesetzt hat. Es folgt ihm ein Wachmann. Er gähnt. Der Besuch des Chefs hat ihn aus seinem Mittagsschlaf gerissen. Am Ende des Gangs liegt das Wohnzimmer der Presidential Suite: Zu ihr gehören eine Tafel mit einem Dutzend Stühlen, eine Couchlandschaft und ein Panoramafenster mit Blick auf die hauseigene Yacht. Daneben befindet sich „His Bedroom“ und „Her Bedroom“ – zwei gewaltige Schlafzimmer, das Bad jeweils mit frei stehender Wanne und finnischer Sauna. Die Presidential Suite misst 1087 Quadratmeter. Und all die übrigen Zimmer entlang des Gangs? „Sind für das Personal“, sagt Péan. Klar, irgendwo müssen sie ja schlafen, die Fahrer, Butler und Privatsekretäre der neuen Superreichen. Mieten kann man die Villa 11 nur als Ganzes. Kosten: 300 000 Yuan pro Nacht, etwas über 40 000 Euro.
„Für Board Meetings internationaler Firmen ist das nicht uninteressant“, sagt Péan – fügt dann aber hinzu: „Man muss diesen Markt allerdings erst kreieren.“
So ähnlich läuft es im ganzen Land. In Shanghai eröffnet dieses Jahr eines der höchsten Gebäude der Welt, der Shanghai Tower mit 632 Metern. Die Stockwerke 84 bis 110 hat sich die staatseigene Hotelkette Jin Jiang reservieren lassen. Finanziert hat das Gebäude ein Konsortium von Staatsunternehmen.
Umgekehrt geht es auch: In der Nähe des alten Flughafens von Shanghai wird gerade ein unterirdisches Hotel samt künstlichem See gebaut. Das Intercontinental Shanghai Shimao Wonderland liegt 19 Stockwerke tief in einem stillgelegten Steinbruch. 555 Millionen Dollar hat die Shimao Property Group investiert. Die Gäste aber bleiben einstweilen aus: „Die meisten Chinesen übernachten lieber in günstigen Hotels und sparen das Geld für Auslandsreisen“, sagt Avery Booker von der Unternehmensberatung China Luxury Advisors in Peking. Auch sei die Zahl ausländischer Touristen rückläufig, der notorischen Luftverschmutzung wegen.