China Extravagante Luxushotels ohne Gäste

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Weniger Gäste, weniger Miete

Warum aber machen internationale Hotelketten das Spiel mit? Weil sie dabei fast nie verlieren. „Das wirtschaftliche Risiko liegt in erster Linie beim Immobilienbesitzer“, sagt Michael Henssler, China-Chef der Kempinski-Gruppe. Bleiben Gäste aus, zahlen Hotels wenig Miete. Natürlich freut sich keine Hotelkette über leere Zimmer. Aber der Prestigegewinn durch eine Immobilie wie das Sunrise oder das Shimao Wonderland dürfte die Verluste aufwiegen. Hinzu kommt der Konkurrenzdruck: Zhao Huanyuan, Analyst bei der Beratung Huamei in Shanghai, bringt es auf den Punkt: „Wenn man das Projekt nicht selbst übernimmt, macht es eben die Konkurrenz.“

Neue Bescheidenheit

Das Risiko liegt beim staatlichen Immobilienentwickler, letztlich bei den Städten. Solange die Grundstückspreise steigen, spülen solche Projekte Geld in die Kassen der Stadtregierung, die das Land an den Immobilienentwickler verkauft. Außerdem werden Arbeitsplätze geschaffen. Beim Bau des Sunrise waren 9300 Arbeiter zwei Jahre lang beschäftigt. Mehr Arbeitsplätze schaffen mehr Wohlstand. Wer Geld hat, reist und steigt vielleicht irgendwann im Kempinski Sunrise ab – das ist die Wette, auf die das Land seit mehr 20 Jahren setzt. Sie geht auf, solange die Immobilienpreise nicht fallen – weshalb die Zentralregierung alles dafür tut, den Markt stabil zu halten.

Dass die Gäste ausbleiben, hat allerdings noch einen anderen Grund: Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren räumt Präsident Xi Jinping in der Kommunistischen Partei auf. Seitdem ist alles anders. 180 000 Beamte wurde wegen Korruption verurteilt. Den übrig gebliebenen Kadern strich der Präsident radikal die Speisekarte zusammen. „Vier Gänge plus Suppe“ – mehr ist nicht mehr erlaubt. Außerdem sind Fünf-Sterne-Hotels tabu. Die Umsätze der Branche sind inzwischen um ein Viertel gesunken. Vor allem in „Second- und Third-Tier-Citys“ setzte man früher auf klotzende Kader, die orgiastische Bankette veranstalten, um die neuesten ökonomischen Rekordzahlen ihrer Provinz zu begießen. „Das war seit Jahren die Haupteinnahmequelle vieler Luxushotels“, sagt Avery Booker. Die neue Bescheidenheit traf die Hotelbranche so hart, dass im vergangenen Jahr 56 Luxushotels die chinesische Tourismusbehörde baten, die Anzahl ihrer Sterne auf vier zurückzustufen.

Sunrise-Generalmanager Brice Péan sitzt im 21. Stock an der Bar. Die Beleuchtung der gläsernen Fassade ist eingeschaltet, hin und wieder explodieren ein paar Feuerwerksraketen in der Nacht – Nachbeben des chinesischen Neujahrsfests. Die Schweizer Barkeeperin mixt den Drink für einen Patisserie-Chef aus Deutschland. Von außen muss das Hotel gerade fantastisch aussehen. Von innen sieht es auch toll aus, aber außer uns ist leider niemand da, um sich darüber zu freuen.

Auch bei Kempinski rechnet man mit einer Konsolidierung. „Der Markt ist im Moment überbaut“, sagt China-Chef Henssler. Für den Gast sei das ganz gut. Zimmer, die in Tokio oder Paris 650 Euro kosten, bekommt man in den gleichen Hotels in China für 250 Euro. Immer noch viel Geld, aber dafür schläft man, wie gesagt, nachts ungestört in einem rauchfreien Zimmer und bekommt zum Frühstück Kaffee.

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