
Herr Weselsky, in der Bahntarifrunde zieht die Lokführergewerkschaft GDL in ihren neunten Streik. Müssen Sie nicht befürchten, dass nun endgültig die Stimmung kippt und die GDL zum Hassobjekt in der Öffentlichkeit wird?
Claus Weselsky: Wir erwarten nicht, dass die Menschen begeistert am Bahnsteig stehen und Beifall klatschen, wenn der Zug nicht kommt. Aber beim vergangenen Streik Anfang Mai hatten wir in Umfragen noch immer eine erstaunliche Zustimmung in der Bevölkerung von knapp unter 50 Prozent. Das macht mich zuversichtlich, dass die Menschen unsere Anliegen verstehen.
Zur Person
Claus Weselsky, 55, ist seit 2008 Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Sie haben diesmal keine Angaben über die Dauer des Streiks gemacht. Wollen Sie den 6-Tage-Streik von Anfang Mai, den längsten Arbeitskampf der Bahngeschichte, etwa noch toppen?
Wir sind in der Lage, den Arbeitskampf auszuweiten. Streik ist aber kein Selbstzweck. Wenn sich die Bahn-Führung bewegt, können wir den Streik innerhalb von 12 bis 14 Stunden beenden. Wir stehen der Bahn auch während des Arbeitskampfes für Hintergrundgespräche zur Verfügung.
Am Freitag will der Bundestag das sogenannte Tarifeinheitsgesetz verabschieden, wonach in einem Betrieb nur noch die größere Gewerkschaft Tarifverträge abschließen darf. Beeinflusst dies ihre Verhandlungsstrategie?
Dieses Gesetz ist wie Gift im Brunnen! Dieses Gesetz hat überhaupt erst zur Eskalation geführt. Dass die Bahn behauptet, es auf die GDL nicht anzuwenden, ist nur ein Trick. Wenn unsere Konkurrenzgewerkschaft EVG, die insgesamt mehr Mitglieder hat als wir, darauf beharrt, wird sich die Bahn dem nicht entziehen können. Zumindest vorläufig, denn ich bin sicher, dass dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert wird.
Das sind die Bahngewerkschaften GDL und EVG
Die 1867 als Verein Deutscher Lokomotivführer gegründete GDL hat rund 34.000 Mitglieder. In ihr sind nach Gewerkschaftsangaben rund 80 Prozent der Lokführer bei der Deutschen Bahn und zahlreiche Zugbegleiter organisiert. Die GDL gehört dem Deutschen Beamtenbund an.
Die EVG entstand 2010 aus der Fusion von Transnet und GDBA und hat rund 210.000 Mitglieder. Die Vorgängerin Transnet wurde 1896 gegründet und gehörte zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Die 1948 gegründete Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamter und Anwärter (GDBA) hatte Mitglieder aus allen Sparten von Bahn bis Bus. Sie gehörte dem Deutschen Beamtenbund an, kooperierte zuletzt aber in einer Tarifgemeinschaft mit Transnet.
Ist der erneute Streik mit dem Deutschen Beamtenbund (dbb) abgestimmt? Ihr Dachverband übernimmt ja über einen speziellen Fonds einen Teil der Streikgelder – und wie zu hören ist, sinkt dort so langsam die Freude am Arbeitskampf der GDL.
Über die Solidarität im dbb brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Der Streik ist natürlich mit dem dbb abgestimmt.
Und warum blockieren Sie die von der Bahn vorgeschlagene Schlichtung? Ohne ein solches Verfahren finden Arbeitgeber und Gewerkschaft ja offenkundig nicht zusammen.
Moment! Wir sind nicht gegen eine Schlichtung, wir sind nur gegen ein Schlichtungsdiktat der Bahn. Die GDL ist bereit, einen Schlichtungstarifvertrag zu unterschreiben, der handelnde Personen, Dauer und Themen einer Schlichtung festschreibt. Unsere Ansage ist klar und unverrückbar: Ein Schlichtung darf sich nur auf Löhne und Arbeitszeiten beziehen - nicht aber auf unser Grundrecht, auch für Lokrangierführer und das gesamte Zugpersonal eigene Tarifverträge abschließen zu können.
Fahrgastrechte während des Bahnstreiks
Das hängt von der Verspätung ab. Kommt die Bahn mindestens eine Stunde zu spät am Ziel an, werden 25 Prozent des Fahrpreises erstattet. Die Hälfte des Preises wird bei einer Verspätung ab zwei Stunden zurückgezahlt.
"Fahrgäste, die aufgrund von streikbedingten Zugausfällen, Verspätungen oder Anschlussverlusten ihre Reise nicht wie geplant durchführen können, können ihre Fahrkarte und Reservierung im DB Reisezentrum oder in den DB Agenturen kostenlos erstatten lassen", schreibt die Bahn. Fahrgäste, die ihre Reise gar nicht antreten, können ihr Ticket auch nach dem ersten Gültigkeitstag erstatten lassen.
Fahrkarten, die in einem DB Reisezentrum, einer DB Agentur oder am DB Automaten gekauft wurden, können nur dort erstattet werden. Für Online-Tickets gibt es ein Erstattungsformular: http://www.bahn.de/p/view/home/info/streik_gdl_042015.shtml
Fällt ein Zug streikbedingt aus, können Reisende den nächsten - auch höherwertigen - Zug nutzen. In diesem Fall wird bei zuggebundenen Angeboten, wie beispielsweise Sparpreis-Tickets, auch die Zugbindung aufgehoben. Ausgenommen hiervon sind regionale Angebote mit erheblich ermäßigtem Fahrpreis (Schönes Wochenende-, Quer-durchs-Land- oder Länder-Tickets) sowie reservierungspflichtige Züge.
Nur im äußersten Notfall: "Wird aufgrund eines Zugausfalls oder einer Verspätung eine Übernachtung erforderlich und ist die Fortsetzung der Fahrt am selben Tag nicht zumutbar, werden dem Fahrgast angemessene Übernachtungskosten erstattet", heißt es von der Bahn. Wichtig: Um die Kosten erstattet zu bekommen, muss das Original der Hotelrechnung eingereicht werden.
Über die Fahrgastrechte informiert die Bahn auf ihrer Homepage: http://www.bahn.de/p/view/service/fahrgastrechte/faq_fahrgastrechte.shtml
Details zu den Rechten während des Streiks stehen auf dieser Seite:
http://www.bahn.de/p/view/home/info/streik_gdl_042015.shtml
Die kostenpflichtige Servicenummer lautet: 0180/699 66 33
Wenn es einmal Streit gibt, übernimmt die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr: https://soep-online.de/
Nachdem die GDL den SPD-Politiker Matthias Platzeck als Moderator abgelehnt hat, hat die Bahn nun den ehemaligen Richter am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler, ins Spiel gebracht. Ist Ihnen der lieber?
Wir werden in Kürze mit Herrn Bepler sprechen. Vielleicht hat seine Hinzuziehung ja positiven Einfluss auf die Strategie der Bahn.
Haben Sie auch einen eigenen Kandidaten als Vermittler im Auge?
Das geben wir bekannt, sobald ein Schlichtungstarifvertrag existiert. Im Auge habe ich derzeit nur einen klaren Blick.