CO2-Kompensation So erleichtern Airlines das Klima-Gewissen

CO2-Kompensation: Wie Airlines Kunden mit Klimaspenden das Gewissen erleichtert Quelle: imago images

Deutschland diskutiert über eine CO2-Steuer und ihre Folgen für Verbraucher. An anderer Stelle bekommen die längst die Möglichkeit, eigenständig ihren CO2-Verbrauch zu kompensieren. Etwa beim Fliegen.

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Wer von Deutschland nach Australien und zurückfliegt, kommt allein durch diesen Flug auf etwa 11 Tonnen CO2. Das ist die Menge, die ein Deutscher ansonsten im Schnitt pro Jahr verursacht. Klimaverträglich wären ein bis zwei Tonnen pro Person.
Der sogenannte ökologische Fußbadruck wird so schnell mit einem einzigen Flug in den Urlaub und zurück ruiniert. Damit klimafreundlich Gesinnte sich trotzdem guten Gewissens eine Flugreise gönnen können, haben Organisationen und Unternehmen die sogenannte CO2-Kompensation ersonnen.

Die Idee dahinter ist einfach: Wer einen Flug bucht, spendet einen gewissen Obolus – berechnet aus der Menge an CO2, die durch den Flug ausgestoßen wird – an eine Organisation, die gemeinnützige Umweltschutz- oder andere Nachhaltigkeitsprogramme fördert.

Häufig können Passagiere diese CO2-Kompensation bei der Flugbuchung direkt erledigen. Nicht alle Airlines machen die CO-Spende für den Kunden aber so einfach.

Lufthansa kooperiert mit Myclimate

Lufthansa bietet in Kooperation mit der Schweizer Non-Profit-Organisation Myclimate eine CO2-Kompensation an. In Form einer freiwilligen Spende können Passagiere den CO2-Ausstoß ihres Fluges kompensieren. Die NGO berechnet über ein Formular einen unverbindlichen Vorschlag, wie viel Lufthansa-Passagiere für ihren Flug als Kompensation zahlen sollen. Wie hoch der freiwillige Beitrag letztlich ist, entscheiden die Passagiere selbst. Für einen Flug von Frankfurt nach London wird beispielsweise eine CO2-Kompensation von zwei Euro empfohlen.

„Die Kompensation der CO2-Emissionen erfolgt in den hochwertigen zertifizierten globalen Klimaschutzprojekten von Myclimate, die höchste Standards erfüllen und neben der Reduktion von Treibhausgasen in der Projektregion auch zur Erreichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen beitragen“, heißt es bei der Lufthansa. Den Kunden garantiert Myclimate, dass durch die Kompensationsspendengelder spätestens innerhalb von zwei Jahren Klimaschutzprojekte realisiert werden. Von Myclimate geförderte Projekte gibt es weltweit. Viele konzentrieren sich auf die Schweiz, Afrika und Mittel- und Südamerika.

Die CO2-Kompensation wird losgelöst vom Flugticket gebucht. Die Abwicklung liegt vollständig bei der Schweizer NGO und erfolgt über ein auf der Lufthansa-Website integriertes Formular. Es kommt also auf eine bewusste Eigeninitiative der Passagiere an. Bei der Ticketbuchung selbst wird auch gar nicht erst darauf hingewiesen, dass es die Kompensation gibt. Lufthansa-Tochter Eurowings hat nicht einmal ein entsprechendes Formular. Eine CO2-Kompensation über die Airline direkt gibt es also gar nicht.

Ryanair lässt CO2-Kompensation mitbuchen

Noch 2011 sagte Ryanair-Chef Michael O’Leary in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, die Umwelt interessiere ihn „einen Dreck“ und der Klimawandel sei seiner Meinung nach überhaupt nicht bewiesen. Mittlerweile sieht man das bei Europas größter Billig-Airline offenbar anders, denn seit dem Frühjahr 2018 bietet Ryanair seinen Kunden ebenfalls eine CO2-Kompensation an. Der Unterschied etwa zu dem Lufthansa-System, bei dem Kunden nachträglich eine Kompensation buchen können: „Die Kunden können die CO2-Emissionen ihres Fluges am Ende des Buchungsvorgangs durch eine freiwillige Spende an eine Klimastiftung ausgleichen“, so Ryanairs Marketing-Chef Kenny Jacobs. Dadurch ist das Kompensations-Angebot für die Ryanair-Kunden direkter – und auch einfacher.

Das große Manko: Die Kunden erfahren nicht, wie Ryanair den Kompensationsbeitrag berechnet. (Der liegt für einen Hin- und Rückflug innerhalb Europas in der Regel bei einem Euro.) Eine Anfrage der WirtschaftsWoche dazu blieb bislang unbeantwortet. Als Partner für die CO2-Kompensation nennt Ryanair auf der Unternehmensseite vier Naturschutzorganisationen: First Climate, Renature Monchique, Native Woodland Trust and Irish Whale & Dolphin. Sie realisieren Umweltschutzprojekte in Uganda, Portugal und Irland.

Eine Airline organisiert die Umweltschutzprojekte gleich selbst

KLM-AirFrance kompensiert mit eigenem Programm

Bei KLM-AirFrance wird ähnlich verfahren. Auch bei der französisch-niederländischen Airline können Kunden direkt bei der Buchung – parallel zur Sitzplatz und Gepäckwahl – vom Kompensationsservice mit dem Namen CO2ZERO Gebrauch machen, den die Fluggesellschaft bereits 2008 gründete. Die Prüfung und Berechnung der Kohlendioxidemissionen übernimmt für KLM-AirFrance die Nachhaltigkeitsabteilung Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG. Die Kompensation organisiert KLM-AirFrance selbst über das CO2ZERO-Programm, beruft sich dabei aber auf den „Gold Standard“ – den höchsten Qualitätsstandard bei Kompensationsprojekten, der unter der Federführung des WWF und unter Mitwirkung des Bundesumweltministeriums entwickelt wurde. Laut KLM-AirFrance werden nachhaltige Umweltschutzprojekte in Ghana, Mali, Uganda und Kenia gefördert.

Easyjet verzichtet auf ein Kompensations-Programm für Kunden

Bei der britischen Billig-Fluggesellschaft gibt es aktuell keinerlei Informationen über eine CO2-Kompensation. „Easjet bietet keine CO2-Kompensation für Einzelkunden an, da unsere Flüge durch das Emissionshandelssystem der Europäischen Union abgedeckt sind, das in ähnlicher Weise für unsere gesamten Kunden funktioniert“, sagte eine Airlinesprecherin gegenüber der WirtschaftsWoche.

British Airways bittet Kunden um Spende für die Umwelt

Bei der britischen Fluggesellschaft British Airways können Passagiere während des Buchungsprozesses an einer „Klimaschutzaktion“ teilnehmen. Die Spende geht an die britische NGO „Pure - The Clean Planet Trust“, die sich - vergleichbar mit Atmosfair oder Myclimate - auf gemeinnützige Dienstleistungen zur Kompensation von Kohlendioxidemissionen spezialisiert hat. British Airways berechnet allerdings nicht den ökologischen Fußabdruck des Flugs und bemisst daran die korrekte Spendensumme, sondern überlässt die Entscheidung über diese dem Kunden. Während des Buchungsprozesses bekommt der zukünftige British-Airways-Passagier die Optionen 4, 6 oder 10 Euro, oder einen freigewählten Betrag als CO2-Kompensation zu zahlen.

Tui kompensiert in Nordeuropa anders

TUI fly Deutschland bietet seinen Kunden aktuell keine freiwillige, individuelle CO2-Kompensation auf der eigenen Webseite an. „Den Kunden steht es frei, dafür entsprechende Angebote – wie zum Beispiel Atmosfair – zu nutzen“, sagt Tui-Pressesprecher Christian Rapp auf Anfrage. „Da bei TUI fly 80 Prozent der angebotenen Flüge nicht von den Kunden selbst, sondern über Veranstalter wie TUI Deutschland gebucht werden, halten wir diesen Weg für die bessere Lösung.“

Für den skandinavischen Ableger des Reisekonzerns Tui gelten zukünftig strengere Kriterien als hierzulande: Finnen, Norweger, Schweden und Dänen sollen laut Tui nämlich ab 1. Mai automatisch klimaneutral reisen. Für Flug- und Hotelbuchungen aus diesen Ländern wird bei Tui automatisch eine Kompensation fällig.

Delta Airlines ermöglicht Kunden konkrete Spenden

Bei der US-Airline Delta können die Passagiere – ähnlich wie bei der Lufthansa – über ein Formular auf der Airline-Website ihre CO2-Flugbilanz berechnen und anschließend eine Spende zur Kompensation entrichten. Gänzlich losgelöst von der Buchung des Tickets. Also auch hier ist komplette Eigeninitiative der Kunden gefragt. Delta weißt während der Buchung nicht einmal auf die Option hin. Delta kooperiert hier mit der US-Organisation The Nature Conservancy, die in erster Linie in Aufforstung investieren. Wer seine Spende entrichtet, kann gezielt das Projekt wählen, in welches das Geld fließen soll. Zur Wahl stehen hier drei Projekte im US-Bundesstaat Virginia, in Chile und Brasilien. Die Mindest-Spende liegt bei 15 US-Dollar.

Kompensation unabhängig von den Fluggesellschaften

Grundsätzlich ist es natürlich immer möglich, unabhängig von der Fluggesellschaft eine CO2-Kompensation zu zahlen. So können Reisende etwa bei Atmosfair, Myclimate oder Arktik – alle von verschiedenen Testern mehrfach als „sehr gut“ befunden – ihre Flüge online direkt kompensieren, losgelöst von der Flugbuchung. Alle drei gelten als transparente Organisationen, die in sinnvolle Projekte investieren, wie beispielsweise Windräder, die Kohlekraftwerke ersetzen sollen, Solarkocher oder Biogasanlagen in Entwicklungsländern und andere ökologisch nachhaltige Projekte weltweit.

Allerdings sind auch die NGOs zur CO2-Kompensation nicht frei von Kritik. „Modernen Ablasshandel“ werfen kritische Stimmen Myclimate, Atmosfair und Co. gerne vor. Zudem stehen einzelne geförderte Projekte immer wieder in der Kritik. Mangelnde Nachhaltigkeit der Projekte sorge dafür, dass sie als echte CO2-Kompensation ungeeignet seien.

Wollen Flugreisende ganz ehrlich zu sich selbst sein, hilft gegen die Unmengen CO2 durch den Flugverkehr ohnehin aber nur eines: Am Boden bleiben. Das kommt allerdings für viele Deutsche nicht in Frage, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zu Jahresbeginn ergab. Demzufolge konnten sich zwar fast die Hälfte der Befragten (47) grundsätzlich vorstellen, persönlich auf Flugreisen aus Umweltschutzgründen zu verzichten, allerdings haben es gerade einmal 19 Prozent tatsächlich getan. Die Möglichkeit einer freiwilligen Öko-Abgabe zum Ausgleich der CO2-Belastung haben demnach 13 Prozent der Flugreisenden bei mindestens einem Flug im Jahr 2018 genutzt. Jeder Dritte erklärte, von dieser Möglichkeit nichts gewusst zu haben.

Eigene CO2-Bilanz analysieren

Wer sich für seinen eigenen ökologischen Fußbadruck interessiert, kann diesen fürs ganze Jahr mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes berechnen lassen. Dieser zeigt, wo man als Einzelner im Alltag Unmengen an Kohlendioxid produziert – und wo sich der Verbrauch auch fern der Flugreisen möglicherweise reduzieren ließe.

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