
Die Flut der Urlaubsangebote im weltweiten Netz befördert nach Einschätzung des Deutschen Reiseverbandes (DRV) die Renaissance klassischer Reisebüros.
„Ich glaube, viele Kunden fühlen sich bei der Bewertung der zahlreichen Angebote im Internet zunehmend überfordert und kehren aus dem Netz zurück“, sagte der stellvertretende DRV-Präsident, Ralf Hieke, der Deutschen Presse-Agentur.
Die Zahl der stationären Reisebüros stieg im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge - auf inzwischen 9880. Im Jahr 2013 waren es noch 9729. Der Umsatz kletterte um drei Prozent auf den Rekordwert von 23,7 Milliarden Euro, obwohl der Online-Verkauf von Reisen weiter wächst.
Deutschlands größte Reiseveranstalter
Schauinsland Reisen - 701 Millionen Euro Umsatz (Stand: 2012)
Die Duisburger haben sich von einem Transportunternehmen zu einem der größten Reiseunternehmer gemausert. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 220 Mitarbeiter.
Aida Cruises - 1,1 Milliarden Euro Umsatz
Der Kreuzfahrtkonzern ist nicht nur der größte Arbeitgeber Mecklenburg-Vorpommerns, sondern auch einer der größten deutschen Reisekonzern. Zur Flotte des Unternehmens gehören derzeit zehn Kreuzfahrtschiffe.
Alltours - 1,4 Milliarden Euro Umsatz
Aus einem kleinen Reisebüro in Kleve hat Willi Verhuven einen der größten deutschen Reisekonzerne geformt. Heute sitzt die Firma in Duisburg.
FTI - 1,62 Milliarden Euro Umsatz
Als das Unternehmen in München gegründet wurde, konzentrierte es sich auf Reisen in den Mittelmeerraum. Inzwischen stehen über 80 Länder im FTI-Katalog.
Rewe-Touristik - 3,18 Milliarden Euro Umsatz
Jahn Reisen, Tjaereborg und Meier's Weltreisen - so heißen die großen Marken, die zum Rewe-Konzern gehören. Gemeinsam erwirtschaften Sie einen großen Teil des Umsatzes des Handelskonzerns.
Thomas Cook - 3,2 Milliarden Euro Umsatz
Durch Condor gehört das Reiseunternehmen aus London auch in Deutschland zu den größten Reiseveranstaltern.
Tui Deutschland - 4,47 Milliarden Euro Umsatz
Kein Touristikkonzern ist breiter aufgestellt als die Tui. Allein in Europa betreiben die Hannoveraner 3500 Reisebüros.
Dem DRV zufolge liegt der Online-Anteil an den gebuchten Umsätzen inzwischen bei 35,5 Prozent, vor drei Jahren waren es noch 28,6 Prozent. Das Wachstum geht einer Studie der Forschungsgemeinschaft Reisen und Urlaub (FUR) zufolge vor allem auf das Konto von Individualreisenden, die früher ohne Vorausbuchungen in den Urlaub fuhren und jetzt im Netz bei Bahn, Airlines, Reiseveranstaltern, Online-Reisebüros oder Portalen wie Expedia.de reservieren.
Der Verband Internet Reisevertrieb (VIR) stellt bei Online-Reisebuchungen einen starken Trend zur Individualisierung fest. Urlauber stellten sich einzelne Bestandteile wie Flüge und Übernachtung zunehmend selbst im Internet zusammen. Über den Onlinevertrieb boomten zudem Kurztrips von zwei bis vier Tagen. Laut FUR wurden 2015 rund 67 Prozent dieser Reisen online gebucht, so der VIR.
„Einzelbuchungen zum Beispiel für Flug oder Bahn sind seit Jahren in klassischen Reisebüros rückläufig“, sagt auch Reisebüro-Inhaber Hieke. Online-Buchungsplattformen machten eher den Airlines oder der Bahn Konkurrenz als dem stationären Vertrieb. „Das Hauptgeschäft für den stationären Handel sind Pauschalreisen.“
Die Urlaubs-Trends 2015
Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK hat die Bedeutung von Katalogen leicht abgenommen. Demnach nutzen nur noch gut ein Drittel der Urlauber Reisekataloge, um sich über Angebote zu informieren. Das Internet ist für 45 Prozent das Urlaubs-Recherche-Tool. Glaubt man einer Analyse von Google und TUI, gilt das sogar für satte 80 Prozent aller Reisebuchungen.
Ganz persönlich auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten - so wollen immer mehr Deutsche urlauben, so das Ergebnis der GfK-Umfrage. Demnach sind Zusatzleistungen wie der Privattransfer zum Hotel, individuelle Ausflugserlebnisse oder die Wahl zwischen verschiedenen Flugklassen für Reisende immer wichtiger und werden häufiger nachgefragt.
Auch wenn Individualität von vielen geschätzt wird, so machen es setzen die Deutschen trotzdem gerne auf eines: die All-Inclusive-Reisen. Laut GfK wuchs diese Urlaubsform weiter leicht - damit wird ein Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Mittlerweile seien 24 Prozent aller Flug- und Autoreisen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurden, All-Inclusive-Reisen, so der Bericht.
Familien sind mehr unterwegs - ob mit dem Auto oder dem Flugzeug. Laut GfK ist der Familienanteil bei beiden Reisetypen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurde, überproportional gestiegen. Allein im Vergleich zur vergangenen Saison 2013/14 stieg die Zahl der Buchungen um 20 Prozent an.
Reisen im Luxussegment werden ebenfalls höher nachgefragt, so die GfK. Demnach werden besonders hohe Zuwächse bei Haushalten mit höherem Einkommen, sprich ein Haushaltsnettoeinkommen größer als 4000 Euro, mehr nachgefragt.
Obwohl die Beliebtheit von Kurztrips wächst - auch zu Lasten der Pauschalreise, sieht Hieke darin keine Gefahr für stationäre Reisebüros, die mit eigenen Online-Auftritten aufgerüstet haben. „Auch mittelfristig wird es eine große Anzahl von Reisebüros in Deutschland geben“, ist er zuversichtlich.
Die meisten klassischen Reisebüros gehören nach Angaben des DRV zu Ketten, Franchisesystemen oder Kooperationen. Nur 620 sind unabhängig.